Nachdem lange über die stetig zunehmende Kunststoffflut diskutiert worden ist, folgen nun die ersten Produktverbote. Unternehmen sollten aufpassen, nicht abgehängt zu werden.
Bis zum 3. Juli 2020 musste die Richtlinie (EU) 2019/904 über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt (EU-Einwegkunststoffrichtlinie, EWKVerbotsV) in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden.
Mit dem zwischenzeitlich durch das Bundeskabinett abgesegneten Entwurf vom 17. April 2020 der Verordnung über das Verbot des Inverkehrbringens von bestimmtemn Einwegkunststoffprodukten und von Produkten aus oxo-abbaubaren Kunststoffen (Einwegkunststoffverbotsverordnung) wurde die Umsetzung in Deutschland jedenfalls für einen Teil der in der EU-Richtlinie zu Kunststoffprodukten enthaltenen Vorgaben auf den Weg gebracht.
EU-Einwegkunststoffrichtlinie soll insbesondere Meeresvermüllung verringern
Die EU-Einwegkunststoffrichtlinie enthält Vorgaben für oxo-abbaubare Kunststoffe, Fanggeräte sowie für folgende Einwegkunststoffprodukte: To-Go-Lebensmittelbehälter, Getränkebecher, Wattestäbchen, Besteck, Rührstäbchen, Teller, Trinkhalme, Luftballonstäbe, Getränkeflaschen, Tabakfilter, Hygieneeinlagen, Feuchttücher, Luftballons und leichte Tragetaschen.
Diese Aufzählung erscheint zunächst beliebig, erklärt sich aber aus der Historie: Bei den von der Richtlinie erfassten Produkten handelt es sich um diejenigen Produkte, die im Rahmen von Müllzählungen an europäischen Stränden am häufigsten gefunden wurden. Mit der Richtlinie soll daher insbesondere auch der Meeresvermüllung entgegengewirkt werden.
Die Richtlinie enthält für die verschiedenen Produkte die folgenden Vorgaben, wobei bei der Festlegung der Vorgaben insbesondere berücksichtigt wurde, ob es bereits Substitutionsmöglichkeiten für die Produkte gibt oder nicht:
1. Verbot des Inverkehrbringens
Gemäß Artikel 5 der Richtlinie dürften ab dem 3. Juli 2021 die folgenden Einwegkunststoffartikel nicht mehr in den Verkehr gebracht werden: Wattestäbchen, Besteck, Rührstäbchen, Teller, Trinkhalme, Luftballonstäbe. Darüber hinaus gilt das Verbot des Inverkehrbringens für To-Go-Lebensmittelbehälter, Getränkebecher und Getränkeflaschen aus expandiertem Polystyrol, das heißt zum Beispiel aus Styropor.
Ebenfalls sind ab dem 3. Juli 2021 sämtliche oxo-abbaubaren Kunststoffe verboten, und zwar unabhängig davon, ob hieraus Einweg- oder Mehrwegartikel hergestellt werden. Bei oxo-abbaubaren Kunststoffen handelt es sich um Kunststoffe, die lediglich zerfallen, aber nicht biologisch abgebaut werden. Sie verbleiben vielmehr als sichtbare oder unsichtbare Kunststoffstückchen (Mikroplastik) in der Umwelt.
2. Verbrauchsminderungspflicht
Nicht von dem Inverkehrbringensverbot erfasst werden To-Go-Lebensmittelbehälter und Getränkebecher, die nicht aus expandiertem Polystyrol bestehen. Für solche Behältnisse und Becher besteht lediglich eine an die Mitgliedstaaten gerichtete Verbrauchsminderungspflicht. Die Mitgliedstaaten müssen die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um bis 2026 eine quantitativ messbare Verminderung des Verbrauchs dieser Einwegkunststoffartikel zu erreichen und eine Trendumkehr des stetig steigenden Verbrauchs herbeizuführen.
3. Anforderungen an Produktdesign
Darüber hinaus enthält die Richtlinie Vorgaben für Getränkebehälter mit einem Fassungsvermögen von bis zu 3 Litern.
Zum einen dürfen ab dem 3. Juli 2024 nur noch solche Getränkebehältnisse mit Kunststoffdeckeln in Verkehr gebracht werden, die eine feste Verbindung zwischen Flasche und Deckel aufweisen, diewährend der gesamten Verwendungsdauer bestehen bleibt.
Zum anderen sind Vorgaben zum Einsatz von Rezyklaten vorgesehen. Bis 2025 müssen PET-Flaschen einen Rezyklatanteil von mindestens 25 Prozent enthalten. Ab 2030 gilt für alle Einweggetränkeflaschen aus Kunststoff ein Mindestrezyklatanteil von 30 Prozent.
4. Getrennte Sammlung von Einweggetränkeflaschen
Um sicherzustellen, dass die vorgesehenen Rezyklatanteile in Einweggetränkeflaschen erreicht werden, sieht die Richtlinie zudem eine Getrenntsammlungspflicht für Einweggetränkeflaschen mit einem Fassungsvermögen von bis zu 3 Litern vor. Die Mitgliedstaaten haben sicherzustellen, dass bis 2025 mindestens 77 Prozent und bis 2029 mindestens 90 Prozent der jährlich in Verkehr gebrachten Mengen zum Zweck des Recyclings getrennt gesammelt werden.
5. Kennzeichnungsvorgaben
Für Getränkebecher, kunststoffhaltige Tabakfilter, Hygieneeinlagen, Tampons, Tamponapplikatoren und Feuchttücher enthält die Richtlinie zudem Kennzeichnungsvorgaben. Auf den Produkten ist darauf hinzuweisen, dass diese Kunststoff enthalten und eine unsachgemäße Entsorgung negative Auswirkungen auf die Umwelt hat. Zudem ist die sachgerechte Entsorgung zu erläutern. Die Kennzeichnungspflichten gelten ebenfalls bereits ab dem 3. Juli 2021.
6. Erweiterte Herstellerverantwortung und Sensibilisierungsmaßnahmen
Für To-Go-Lebensmittelbehälter, Getränkebecher, Getränkeflaschen, Tabakfilter, Feuchttücher, Luftballons, leichte Tragetaschen und Fanggeräte sieht die Richtlinie zudem eine erweiterte Herstellerverantwortung vor. Außerdem besteht für diese Produkte sowie für Hygieneeinlagen, Tampons und Tamponapplikatoren eine Verpflichtung zur Durchführung von Sensibilisierungsmaßnahmen.
Demnach haben die Hersteller von To-Go-Lebensmittelbehältern, Tüten und -Folienverpackungen, Getränkebehältern und -bechern sowie leichten Kunststofftragetaschen nach dem 31. Dezember 2023 die Kosten für Sensibilisierungsmaßnahmen, für die Sammlung im öffentlichen Raum und die Entsorgung in öffentlichen Sammelsystemen sowie für Reinigungsaktionen zu tragen. Ab dem 31. Dezember 2024 gelten ähnliche Pflichten auch für die Hersteller von Fischfanggeräten aus Kunststoff sowie von Feuchttüchern, Luftballons, Tabakprodukten mit Kunststofffiltern.
Zur Durchführung der erforderlichen Sensibilisierungsmaßnahmen sind die Mitgliedstaaten verpflichtet. Diese haben die Verbraucher über die Auswirkungen des Litterings zu informieren sowie Anreize für ein verantwortungsvolles Verbraucherverhalten zu schaffen.
Umsetzung des Inverkehrbringensverbots in Deutschland: Einwegkunststoffverbotsverordnung
Mit der Einwegkunststoffverbotsverordnung, die sich derzeit noch im Gesetzgebungsverfahren befindet, sollen die oben genannten Inverkehrbringensverbote in Deutschland umgesetzt werden. Nach den Ausführungen im Verordnungsentwurf handelt es sich hierbei um eine 1:1-Umsetzung des Artikels 5 der Einwegkunststoffrichtlinie. Dementsprechend wird in § 3 des Entwurfs das Inverkehrbringen von Wattestäbchen, Besteck, Tellern, Trinkhalmen, Rührstäbchen, Luftballonstäben sowie Lebensmittelbehältern aus Styropor sowie von oxo-abbaubaren Kunststoffen ab dem 3. Juli 2021 verboten. Zudem ist vorgesehen, dass Verstöße gegen das Inverkehrbringensverbot mit Bußgeldern von bis zu 100.000 Euro geahndet werden können.
Einwegkunststoffprodukte werden wie folgt definiert: Ein ganz oder teilweise aus Kunststoff bestehendes Produkt, dass nicht konzipiert, entwickelt und in Verkehr gebracht wird, um während seiner Lebensdauer mehrere Produktkreisläufe zu durchlaufen, indem es zur Wiederbefüllung oder Wiederverwendung zu dem ursprünglichen Verwendungszweck an einen Hersteller zurückgegeben wird.
Die Definition entspricht weitgehend der in der Einwegkunststoffrichtlinie. Ungünstigerweise wurde auch ein in der deutschen Fassung der Richtlinie enthaltener Übersetzungsfehler übernommen. Wie beispielsweise der englischen Sprachfassung der Richtlinie entnommen werden kann, liegt ein Mehrwegprodukt nicht nur dann vor, wenn es zur Wiederbefüllung oder Wiederverwendung durch den Hersteller vorgesehen ist, sondern vielmehr sind Wiederbefüllung durch den Hersteller und Wiederverwendung als gleichwertig anzusehen. Wörtlich lautet die englische Fassung wie folgt:
’single-use plastic product’ means a product that is made wholly or partly from plastic and that is not conceived, designed or placed on the market to accomplish, within its life span, multiple trips or rotations by being returned to a producer for refill or re-used for the same purpose for which it was conceived.
Es ist davon auszugehen, dass dieser Übersetzungsfehler im Gesetzgebungsverfahren noch korrigiert wird.
Bereits jetzt ist jedoch absehbar, dass die Frage, ob es sich um ein Einwegkunststoffprodukt im Sinne der Verordnung handelt oder nicht, jedenfalls in der Anfangsphase zu erheblichen Auslegungsschwierigkeiten führen wird. Insbesondere bei Produkten, die teilweise aus Kunststoff bestehen, wird sich diese Frage stellen, etwa wenn lediglich ein geringer Kunststoffanteil enthalten ist – wie dies beispielsweise bei kunststoffbeschichteten Produkten der Fall sein kann. Auch die Frage, ob es sich um einen Kunststoff handelt, der unter die Verordnung fällt, könnte zu weiteren Diskussionen führen. Nach der Definition handelt es sich bei Kunststoff um
einen Werkstoff, bestehen aus einem Polymer i.S.d. Artikels 3 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006, dem möglicherweise Zusatzstoffe oder andere Stoffe zugesetzt wurden und der als Hauptstrukturbestandteil von Endprodukten fungieren kann, ausgenommen natürliche Polymere, die nicht chemisch modifiziert wurden.
Zu klären wird insbesondere sein, wann ein natürliches Polymer vorliegt bzw. wann dieses chemisch modifiziert wurde sowie ob es sich bei dem Werkstoff um einen Hauptstrukturbestandteil von Endprodukten handelt. Die Auffassungen hierzu gingen bereits bei der Diskussion zur EU-Einwegkunststoffrichtlinie auseinander. Es ist aber wohl davon auszugehen, dass auch beschichtete Materialien erfasst sein sollen.
Zwar ist in der Richtlinie vorgesehen, dass die Kommission bis zum 3. Juli 2020 die Begriffsbestimmung erläutert und insbesondere klarstellt, welche Produkte erfasst sein sollen. Bisher liegen die hierzu angekündigten Leitlinien jedoch noch nicht vor. Ob die Leitlinien für eine eindeutige Bestimmung des Anwendungsbereichs ausreichend sein werden, ist im Hinblick auf die Vielzahl der unterschiedlichen Produkte und Gestaltungsmöglichkeiten zudem fraglich.
Weitere Umsetzung in Deutschland
Wie dargelegt, werden mit der Einwegkunststoffverbotsverordnung lediglich die Inverkehrbringensverbote umgesetzt. Die Umsetzung der weiteren oben genannten Vorgaben steht derzeit noch aus.
Die Verbrauchsminderungspflicht soll primär im aktuellen Abfallvermeidungsprogramm eingebunden werden. Die Vorgaben zum Produktdesign sowie die Getrenntsammlungspflicht von Einweggetränkeflaschen sollen im Verpackungsgesetz verankert werden. Die Kennzeichnungsvorgaben sollen über eine Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung geregelt werden, und die Vorgaben zur erweiterten Herstellerverantwortung bzw. Sensibilisierung sollen, sofern es sich um Verpackungen handelt, im Verpackungsgesetz und, sofern es sich um Produkte handelt, im Kreislaufwirtschaftsgesetz bzw. auf Grundlage einer auf dem Kreislaufwirtschaftsgesetz basierenden Verordnung umgesetzt werden.
Dies umzusetzen gestaltet sich aber wegen der vielen erforderlichen Anpassungen als schwierig. Auch stehen die EU-Durchführungsakte und -Leitlinien noch aus, insbesondere der Durchführungsrechtsakt zu den Kennzeichnungsvorschriften. Sofern die ausstehenden Rechtsakte und Leitlinien nicht zeitnah erstellt und angenommen werden, könnte es zu einer Verschiebung der in der Richtlinie vorgesehenen Fristen kommen.
Unternehmen sollten Innovationen fördern oder Entwicklungen zumindest im Blick behalten
Zwar werden von der Einwegkunststoffrichtlinie nur bestimmte Produkte erfasst, insbesondere die vorgesehenen Inverkehrbringensverbote und Vorgaben zur Produktgestaltung stellen jedoch einschneidende Maßnahmen dar, die in den betroffenen Branchen zu einem erheblichen Anpassungs- und Umstellungsbedarf führen werden. Das sowohl in der EU-Strategie für Kunststoffe als auch im 5-Punkte-Plan des Bundesumweltministeriums erklärte Ziel, die Flut von überflüssigen (Einweg-)Produkten aus Kunststoff einzudämmen und innovative und umweltfreundliche Produkte und Lösungen zu fördern, wird hiermit nicht mehr durch bloße Anreizsysteme umgesetzt, sondern mittels verbindlicher Vorgaben.
Zudem ist damit zu rechnen, dass der Katalog der erfassten Produkte spätestens bei der für 2027 vorgesehenen Überprüfung der Richtlinie ausgeweitet wird. Dies gilt insbesondere deshalb, weil bereits jetzt zahlreiche Unternehmen aufgrund der gestiegenen Verbrauchernachfrage an umweltfreundlicheren Produkten arbeiten und hierdurch Substitutionsmöglichkeiten entstehen. Sofern sich Unternehmen hieran bisher nicht beteiligen, sollten sie spätestens jetzt aufwachen und entsprechende Entwicklungen vorantreiben oder zumindest beobachten, um frühzeitig geeignete Umstellungen vorzunehmen. Auch wenn noch keine konkreten Beschränkungen oder Verbote bestehen, kann dies aufgrund der geänderten Verbrauchernachfrage durchaus wirtschaftlich vorteilhaft sein, zumal davon auszugehen ist, dass es durch das Inkrafttreten der Vorgaben für Einwegkunststoffprodukte sowie die Sensibilisierungsmaßnahmen zu einer zunehmenden Nachfrage nach nachhaltigen Produkten kommen wird.
In der Serie „Environment and Climate Change″ sind wir eingegangen auf neue Gesetze im Energierecht, den Inhalt des 12. Deutschen Energiekongresses, haben uns mit dem Mieterstrom, mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes und der H2O-Politik und der Herstellerhaftung in Russland befasst sowie die Konsultation und das Feedback zur BNetzA-Konsultation Wasserstoffnetze dargestellt. Weiter beschäftigt haben wir uns mit der Wasserstoffstrategie, der Einwegkunststoffverbotsverordnung sowie dem „Green Deal„.