Der aktuelle Stand der Energiewende und der Green Deal, das neue Leitmotiv der EU, waren Gegenstand der Diskussionen auf dem Deutschen Energiekongress.
Unter dem Slogan „Energiewirtschaft im Wandel″ hat am 10./11. September 2019 der 14. Deutscher Energiekongress in München stattgefunden. Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft lieferten sich einen spannenden Schlagabtausch zu Themen rund um die Energiewende.
Saubere Energie für alle Europäer
Gleich zu Beginn des Kongresses wurde der direkte Draht zur EU-Kommission hergestellt: Prof. Dr. Klaus-Dieter Borchardt, stellvertretender Generaldirektor für Energie, stellte die Chancen und Herausforderungen der europäischen Energiewende und das Paket „Saubere Energie für alle Europäer″ bis 2030 vor. Es gelte, die richtigen Wege zu finden, damit Europa bis 2050 komplett klimaneutral ist. Das bisherige Ziel der EU, die Emissionen bis zum Jahr 2030 um 40% zu reduzieren, soll – wenn es nach der neu gewählten EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen geht – auf mindestens 50% erhöht werden. Ein ehrgeiziges Ziel!
Klar ist mittlerweile, dass die Klimaneutralität nicht durch eine reine Elektrifizierung erreicht werden kann. Weder die Technik noch die damit verbundenen Kosten des dafür erforderlichen (über den bereits in Planung befindlichen) Netzausbaus würden dem gerecht werden. Im Energiemix der nächsten 10-15 Jahre soll vielmehr – nicht zuletzt wegen des Kohleausstiegs – Erdgas einen zunehmenden Anteil ausmachen. Dieses deutliche Bekenntnis zum Erdgas überraschte alle Teilnehmer. Auch die Bedeutung von grünem und blauem Wasserstoff werde weiter zunehmen, zumindest für den lokalen Markt. Ob wir aber künftig ein weit verzweigtes Wasserstoffnetz sehen werden, hielt Prof. Borchardt aber für äußerst fraglich.
Strom muss sicher sein
Unabhängig davon, welche Wege zur Energiewende die „richtigen″ sind, waren sich alle Beteiligten einig, dass Versorgungssicherheit oberste Priorität haben muss. Während ein Lieferverzug bei einem PKW um einen Monat zwar niemanden erfreut, wäre ein Lieferverzug beim Strom schlichtweg inakzeptabel. Mit einer Verordnung über die Versorgungssicherheit soll durch entsprechende technische Vorgaben der grenzüberschreitende Handel massiv gefördert werden.
In diesem Zusammenhang hat Herr Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, bestritten, dass wir in Deutschland im Sommer 2019 – entgegen der Presseberichterstattung – kurz vor einem Blackout gestanden hätten. Er hat bestätigt, dass eine kritische Situation vorlag und die Netzbetreiber durch Zukauf von Strom aus dem Ausland „alle Register ziehen mussten″, um das Netz zu stabilisieren. Aus der aktuell noch laufenden Ursachenforschung der Netzbetreiber zeichne sich ab, dass wohl in erster Linie fehlerhafte Prognosen zu Wind und Sonne aber möglicherweise auch das Verhalten von Spekulanten eine große Rolle gespielt haben.
Sektorkopplung – oder „Wer mit wem kann…″
Referenten und Teilnehmer waren sich einig, dass die Energiewende nur durch die sogenannte Sektorkopplung gelingen kann – das war nichts wirklich Neues: Seit Jahren wird an der Vernetzung von Elektrizität, Gas, Wärme und Verkehr gearbeitet, um den richtigen Umgang für den zunehmenden Anteil an Erneuerbare Energien zu finden. Das müsse weiter mit Hochdruck verfolgt werden. Gleichzeitig sollten Maßnahmen zur Energieeffizienz verstärkt ausgebaut werden. Dies betrifft auch den Privathaushalt: Der Austausch von Ölheizungen und die Wärmedämmung stehen hier im Vordergrund.
Die Dekarbonisierung ist schon lange kein Thema mehr, mit dem sich nur die Energiewirtschaft befasst. Fördermittel der EU für die Umstellung auf den CO2-neutralen Betrieb würden mittlerweile vermehrt direkt von der Industrie angefragt. Damit zeige sich auch, dass die Sanktionierung von CO2-Emissionen erste Früchte trägt. Ob die Sanktionierung künftig über eine konkrete Bepreisung in Form einer CO2-Steuer oder den Emissionshandel gesteuert wird, wird man in den nächsten Tagen sehen.
Green Deal – Leitmotiv der EU für die nächsten fünf Jahre
Mit dem sogenannten „Green Deal″, den die neue Präsidentin der EU-Kommission angekündigt hat, steht jedenfalls das Leitmotiv der EU für die nächsten fünf Jahre fest. Innerhalb von 100-Tagen soll das erste europäische Klimagesetz vorgestellt werden.
Weitere Legislativvorschläge sollen 2020/21 folgen. Diese sollen insbesondere die Sektorkopplung und die Neuausrichtung einer europäischen, multidimensionalen Industriepolitik umfassen. Das bedeutet, auch in der Politik soll sektorübergreifend gedacht werden, um dem Klimawandel effizient entgegenzusteuern. Dies wird insofern interessant werden, als dies heute schon von Energieversorgern und Stadtwerken in vielen Projekten gemacht wird – hier wird sich zeigen, ob das dann mit den neuen Regeln in Einklang zu bringen ist.
Energiewende ist möglich, wenn alle an einem Strang ziehen
Damit die Energiewende eine Erfolgsgeschichte wird, muss sie von breiter Akzeptanz getragen werden. Darüber waren sich alle Beteiligten einig. Dies gilt aber nicht nur für die Bürger und Unternehmen, sondern auch für die Politik selbst. Alle müssen an einem Strang ziehen: Von der Bundesregierung über die Landesregierungen bis hin zur Kommunalebene. Nur wenn die Umsetzung der Energiewende von der Überzeugung insbesondere der politischen Akteure getragen und damit auch vor Ort entsprechend vertreten wird, schafft man die nötige Akzeptanz auch bei den Bürgern.
Letztlich gehe es darum, dass die Planungen zum Windrad vor Ort und der Stromleitung in der Nachbarschaft auf der Basis einer ausgewogene Interessenabwägung erfolgen. „Der Bürger muss mitgenommen werden″ hieß es immer wieder. Widerstand in Form von zehntausenden Einwendungen machen das nicht einfacher… Es gilt möglichst rasch eine Lösung zu finden. Andernfalls wird das Mega-Infrastrukturprojekt „Netzausbau″ und damit das Gelingen der Energiewende gefährdet.
Parallel dazu ist auf den Prüfstand zu stellen, inwiefern Kommunen und Private auch (noch mehr) monetär von der Energiewende profitieren können. Damit könnte über den Aspekt „saubere Luft″ hinaus auch eine größere Akzeptanz geschaffen werden. Möglicherweise wird es dann auch gelingen, neue Flächen für PV und Onshore Wind in Deutschland zu erschließen, die zur Mangelware geworden sind. Der Bau von Windkraftanlagen z.B. in Bayern ist infolge der aktuell geltenden Abstandsregelungen kaum noch möglich. Aus diesem Grund ist es daher auch nicht verwunderlich, dass der Ausbau von Onshore Wind dieses Jahr so erheblich eingebrochen ist.
Interessant war die Antwort der Teilnehmer einer Diskussionsrunde auf die Frage des Tagungsleiters, in welchen Bereich sie persönlich investieren würden. Sie lautete fast einhellig: Offshore Wind!
Man muss sich auf die Rahmenbedingungen verlassen können
Am Ende war sich – wenngleich dies ernüchternd klingt – die Mehrheit einig, dass die Energiewende ohne „Ordnungsrecht″ wohl nicht gelingen wird. Nun gilt es das richtige Maß zu finden und eine Überregulierung zu vermeiden.
In der Serie „Environment and Climate Change″ sind wir eingegangen auf neue Gesetze im Energierecht, den Inhalt des 12. Deutschen Energiekongresses, haben uns mit dem Mieterstrom, mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes und der H2O-Politik und der Herstellerhaftung in Russland befasst sowie die Konsultation und das Feedback zur BNetzA-Konsultation Wasserstoffnetze dargestellt. Weiter beschäftigt haben wir uns mit der Wasserstoffstrategie, der Einwegkunststoffverbotsverordnung sowie dem „Green Deal„.