29. August 2023
Carbon Border Adjustment Mechanism
Environment and Climate Change (ESG)

Das CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM) – Update #1

Einführer von unter das CO2-Grenzausgleichssystem fallenden Waren müssen bereits ab dem 1. Oktober 2023 Verpflichtungen einhalten.

Die Europäische Union hat mit der Verordnung (EU) 2023/956 vom 10. Mai 2023 ein neues Instrument für den Klimaschutz geschaffen, welches ab dem 1. Oktober 2023 im Alltagsgeschäft vieler Unternehmen, die Waren aus Drittländern in die EU importieren, eine bedeutende Rolle spielen wird. 

Es handelt sich hierbei um das sogenannte CO2-Grenzausgleichssystem (Carbon Border Adjustment Mechanism – kurz CBAM). Dieses wird zwar erst ab dem 1. Januar 2026 vollumfänglich Anwendung finden, jedoch wird bereits ab dem 1. Oktober 2023 eine Übergangsphase starten, in der unter anderem Einführern von in der Verordnung genannten Waren erste Pflichten auferlegt werden.

Erfahren Sie nachfolgend, was die Idee des CO2-Grenzausgleichssystem ist und wie es in der Praxis ausgestaltet sein wird, welche Unternehmen von ihm betroffen sein werden und was in Zukunft diesbezüglich zu beachten sein wird.

Was ist das CO2-Grenzausgleichssystem und wieso wird es eingeführt?

Das CO2-Grenzausgleichssystem verpflichtet Einführer von bestimmten Waren dazu, als Ausgleich für die bei der Herstellung der Waren ausgestoßenen Emissionen sogenannte CBAM-Zertifikate zu erwerben. Die Kosten für die Einfuhr dieser Waren werden hierdurch im Ergebnis erhöht. Die Pflicht zum Erwerb von CBAM-Zertifikaten wird erst ab dem 1. Januar 2026 greifen.

Hintergrund der Einführung dieses Systems ist, dass sich die EU ambitionierte Ziele zum Klimaschutz gesetzt hat. Spätestens im Jahr 2050 sollen keine Nettoemissionen von Treibhausgaben mehr freigesetzt werden. 

Um ihre Klimaschutzziele zu erreichen, hat die EU bereits verschiedene Schritte unternommen, zu denen auch das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten gehört. Letzteres führt allerdings dazu, dass allein die Kosten für innerhalb der EU hergestellte Waren steigen. Es wird daher befürchtet, dass sich Unternehmen für eine Produktion außerhalb der EU und eine anschließende Einfuhr dieser Waren in die EU entscheiden könnten, weil die Herstellung im EU-Ausland zu günstigeren Preisen – wenn auch ggf. auf Kosten des Klimas mit höherem Emissionsausstoß – möglich wäre.

Bisher begegnete die EU dieser Verlagerung von CO2-Emissionen, sog. „Carbon Leakage“, mit der kostenlosen Zuteilung von EU-Emissionszertifikaten in bestimmten Industriezweigen. Dies führte jedoch zugleich dazu, dass in diesen Sektoren weniger Anreize bestanden, in Maßnahmen zur Emissionsminderung zu investieren. Zukünftig soll „Carbon Leakage“ dadurch verhindert werden, dass zum einen die Zahl der kostenlosen EU-Emissionszertifikate heruntergefahren wird. Zum anderen sollen infolge des CO2-Grenzausgleichssystems nun auch Einfuhren von bestimmten Waren aus Drittländern einer Bepreisung von Emissionen unterliegen, die der Bepreisung von CO2-Emissionen von in der EU hergestellten Erzeugnissen entspricht. Hierdurch erhofft sich die EU, dass auch in Drittländern umweltfreundlichere Herstellungsmethoden gewählt werden. Damit soll weltweit ein besserer Klimaschutz erreicht werden.

Welche Waren fallen unter das CO2-Grenzausgleichssystem?

Gemäß Art. 2 Abs. 1 Verordnung (EU) 2023/956 ist das CO2-Grenzausgleichssystem zunächst nur auf bestimmte, in der Anlage I zu dieser Verordnung genannte, Waren mit Ursprung in einem Drittland anwendbar, sofern diese (oder in der aktiven Veredelung dieser Waren entstandene Veredelungserzeugnisse) in das Zollgebiet der Union eingeführt werden. 

Die in der Anlage I zur Verordnung (EU) 2023/956 genannten und damit vom CO2-Grenzausgleichssystem betroffenen Waren sind:

  • Zement
  • Strom
  • Düngemittel
  • Eisen und Stahl, inklusive bestimmter Waren, die aus Eisen oder Stahl hergestellt werden (z.B. Rohre, Konstruktionen, Sammelbehälter, Fässer, Schrauben)
  • Aluminium, ebenfalls inklusive bestimmter Waren, die aus Aluminium hergestellt werden (z.B. Rohre, Konstruktionen, Sammelbehälter, Fässer, Schrauben)
  • Wasserstoff

Für die Frage, ob eingeführte Waren dieser Liste unterfallen, kann auf die Zolltarifnummern nach der Kombinierten Nomenklatur zurückgegriffen werden, auf welche in der Anlage I der Verordnung verwiesen wird.

Von dem Geltungsbereich der Verordnung sind neben Waren mit einem Wert von bis zu 150 EUR und Waren, die im Rahmen militärischer Aktivitäten befördert oder verwendet werden, insbesondere auch Waren mit Ursprung in Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz ausgenommen (Art. 2 Abs. 3 und 4 Verordnung (EU) 2023/956).

Was müssen Einführer bereits ab dem 1. Oktober 2023 beachten?

Auch wenn die meisten Regelungen der Verordnung erst ab dem 1. Januar 2026 Anwendung finden werden, greifen bereits in der Übergangsphase ab dem 1. Oktober 2023 erste Pflichten.

Einführer – und in bestimmten Konstellationen indirekte Zollvertreter – von unter die Verordnung fallenden Waren, werden verpflichtet, quartalsweise einen sogenannten CBAM-Bericht an die EU-Kommission zu übermitteln (Art. 35 Verordnung (EU) 2023/956). Die Zollbehörden sollen die berichtspflichtigen Unternehmen darüber spätestens zum Zeitpunkt der Einfuhr informieren. Der erste Bericht für das Quartal 04/2023 wird bereits zum 31. Januar 2024 fällig.

In dem CBAM-Bericht muss unter anderem die Gesamtmenge der im Quartal eingeführten Waren angegeben werden. Die Gesamtmenge muss nach den Anlagen, in denen die Waren im Ursprungsland hergestellt wurden, aufgeschlüsselt werden. Weiterhin sind Angaben zu den sogenannten „grauen Emissionen“ pro Tonne jeder Warenart zu machen. Die grauen Emissionen setzen sich gemäß Art. 3 Verordnung (EU) 2023/956 aus den direkten Emissionen, die bei der Warenherstellung freigesetzt werden, und den indirekten Emissionen aus der Erzeugung von während der Warenherstellung verbrauchtem Strom, zusammen. Darüber hinaus hat der Berichtspflichtige Angaben zu einem im Ursprungsland gezahlten CO2-Preis für die mit den eingeführten Waren verbundenen grauen Emissionen zu machen.

Im Zeitraum vom 1. Oktober 2023 bis zum 31. Dezember 2025 sind Unternehmen jedoch noch nicht verpflichtet, CBAM-Zertifikate zu erwerben. Kosten werden in der Übergangsphase daher nicht erhoben, es besteht allein die Berichtspflicht.

Wenn gegen die Berichtspflicht verstoßen wird, drohen gemäß Art. 35 Abs. 5 S. 1 Verordnung (EU) 2023/956 „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende“ Sanktionen.

Weitere Einzelheiten bezüglich der Berichterstattungspflichten und der Berechnung der anzugebenden Emissionen für die Übergangsphase sollen in einer Durchführungsverordnung der EU-Kommission näher geregelt werden. Für diese liegt bereits ein Entwurf vor. Geplant ist, dass eine endgültige Fassung bis zum Ende des Sommers vorliegen wird.

Ausblick: Welche Pflichten ergeben sich für Einführer ab dem 1. Januar 2026?

Das CO2-Grenzausgleichssystem wird in vollem Umfang erst ab dem 1. Januar 2026 Anwendung finden.

Ab diesem Zeitpunkt müssen alle Unternehmen, die der Verordnung unterfallende Waren in das Zollgebiet der Union einführen wollen, als sogenannte CBAM-Anmelder im CBAM-Register registriert sein. 

Nur noch registrierten CBAM-Anmeldern wird es nach Art. 4 Verordnung (EU) 2023/956 erlaubt sein, entsprechende Waren in das Zollgebiet der Union einzuführen. Alternativ kann auch ein indirekter Zollvertreter als zugelassener CBAM-Anmelder handeln. Die Zollbehörden dürfen anderen als registrierten CBAM-Anmeldern die Einfuhr von der Verordnung unterliegenden Waren nicht gestatten (Art. 25 Abs. 1 Verordnung (EU) 2023/956), d.h. es besteht dann ein Einfuhrverbot, das von den Zollbehörden vollzogen wird.

Alle CBAM-Anmelder sind verpflichtet, jährlich eine sogenannte CBAM-Erklärung abzugeben, zum ersten Mal bis zum 31. Mai 2027 für das Jahr 2026 (Art. 6 Abs. 1 Verordnung (EU) 2023/956). In dieser Erklärung haben CBAM-Anmelder unter anderem Angaben zur Menge der der Verordnung unterliegenden eingeführten Waren im vorangegangenen Kalenderjahr sowie zu den grauen Emissionen der eingeführten Waren pro Tonne jeder Warenart zu machen. 

Für die Berechnung der grauen Emissionen legt Art. 7 Abs. 1 Verordnung (EU) 2023/956 fest, dass für bestimmte Waren nur direkte Emissionen zu berücksichtigen sind. Die Verordnung sieht mehrere Ermittlungsmethoden zur Berechnung der grauen Emissionen vor, die z.B. an die tatsächlichen Emissionen oder, wenn diese nicht ermittelt werden können, an Standardwerte anknüpfen. Die vom CBAM-Anmelder angegebenen grauen Emissionen müssen zudem durch einen akkreditierten Prüfer überprüft werden, wofür ebenfalls der CBAM-Anmelder Sorge zu tragen hat (Art. 8 Verordnung (EU) 2023/956).

Weiterhin muss der CBAM-Anmelder in seiner Erklärung angeben, wie viele CBAM-Zertifikate er für diese Emissionen abgeben muss. Die danach errechneten CBAM-Zertifikate muss der CBAM-Anmelder bis zum 31. Mai eines jeden Jahres, erstmals im Jahr 2027 für das Jahr 2026, über das CBAM-Register abgegeben haben (Art. 22 Verordnung (EU) 2023/956). Darüber hinaus verpflichtet Art. 22 Verordnung (EU) 2023/956 den CBAM-Anmelder dazu, dafür zu sorgen, dass die Anzahl der CBAM-Zertifikate auf seinem Konto im CBAM-Register am Ende jeden Quartals eine Mindestquote erreicht. Falls ein CBAM-Anmelder nicht die erforderliche Anzahl an CBAM-Zertifikaten abgegeben haben sollte, drohen ihm gemäß Art. 26 Abs. 1 Verordnung (EU) 2023/956 Sanktionen.

Was sollten die nächsten Schritte für betroffene Unternehmen sein?

Unternehmen, die der Verordnung unterliegende Waren einführen, sollten zeitnah erste Anstrengungen unternehmen, um den CBAM-Bericht bis zum 31. Januar 2024 fertigstellen zu können. Insbesondere sollte damit begonnen werden, die geforderten Informationen mit angemessener Vorlaufzeit in Erfahrung zu bringen. Zudem ist anzuraten, den Erlass der angekündigten Durchführungsverordnung durch die EU-Kommission zu verfolgen, da die Durchführungsverordnung wichtige Detailfragen für die Übergangsphase ab dem 1. Oktober 2023 klären wird.

Im Hinblick auf die ab 1. Januar 2026 zu erwerbenden CBAM-Zertifikate sollten betroffene Unternehmen prüfen, ob bereits jetzt Investitionen getätigt werden können, um Anlagen im EU-Ausland umweltfreundlicher zu gestalten und dadurch Emissionen einsparen zu können. Neben positiven Auswirkungen auf die Umwelt würde dies auch zu Kosteneinsparungen aufgrund einer geringeren Anzahl zu erwerbender CBAM-Zertifikate führen.

Update: Die Durchführungsverordnung ist verabschiedet

Die EU-Kommission hat am 17. August 2023 die bereits angekündigte Durchführungsverordnung zur Verordnung (EU) 2023/956 verabschiedet. Vor dem Hintergrund, dass bereits in wenigen Monaten der erste CBAM-Bericht fällig wird, enthält die Durchführungsverordnung Möglichkeiten für Einführer, zumindest für eine Übergangszeit von Vereinfachungsmöglichkeiten bei der Abgabe des CBAM-Berichts Gebrauch zu machen. 

So gestattet Art. 4 Abs. 2 der Durchführungsverordnung, die grauen Emissionen, die bei der Herstellung von CBAM-Waren entstehen, bis zum 31. Dezember 2024 auch mithilfe anderer Berechnungsmethoden (z.B. über ein CO2-Bepreisungssystem am Anlagenstandort) zu ermitteln, sofern diese zu einer ähnlichen Abdeckung und Genauigkeit der Emissionsdaten führen wie die eigentlich vorgeschriebene Berechnungsmethode. 

Zusätzlich erlaubt Art. 4 Abs. 3 der Durchführungsverordnung berichtspflichtigen Anmeldern, denen nicht die in Art. 3 Abs. 2 und 3 der Durchführungsverordnung genannten Angaben vorliegen, bis zum 31. Juli 2024 andere Methoden zur Emissionsbestimmung anzuwenden, wozu auch Standardwerte gehören, die von der Kommission veröffentlicht werden.

Neben der Durchführungsverordnung hat die EU-Kommission Leitlinien veröffentlicht, die bei der praktischen Umsetzung der Verordnung (EU) 2023/956 unterstützen sollen (Guidance document on CBAM installations for importers of goods into the EU;  Guidance document on CBAM installations for installation operators outside the EU).

Der Beitrag wurde mit Unterstützung von Frau Vanessa Michielse erstellt.

Tags: Carbon Border Adjustment Mechanism Nachhaltigkeit