4. März 2020
Stromspeicher Rahmenbedingungen
Energiewirtschaft & Klimaschutz

Stromspeicher im deutschen Ordnungsrahmen (Teil 1 von 2)

Welche Rahmenbedingungen gelten eigentlich aktuell im sich ständig weiterentwickelnden Umfeld für die Stromspeicherung in Deutschland? Wir geben einen Überblick.

Die Energiespeicherung ist ein wesentlicher Baustein für einen Strommarkt, der perspektivisch ausschließlich auf die Erzeugung auf der Grundlage erneuerbarer Energien setzt. Energiespeicher nehmen auf der Schnittstelle zwischen volatiler Erzeugung und Verbrauch eine Pufferfunktion ein. Sie leisten mit dieser Flexibilität einen wertvollen Beitrag für die Transformation des Energiemarkts.

Neben den technologischen Herausforderungen sind auch die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen für den Aufbau neuer Geschäftsmodelle im Bereich der Stromspeicherung entscheidend. Auf Ebene der EU wurden hierzu in den vergangenen Jahren unionsrechtlich erste Vorgaben geschaffen. Auch im deutschen Recht finden sich zahlreiche Regelungen, die für die Stromspeicherung relevant sind. Allerdings sind diese recht verstreut und nicht Teil eines systematischen und in sich konsistenten Gesamtkonzepts.

Keine einheitliche Begrifflichkeit für Stromspeicher

Für Stromspeicher als Form der Energiespeicherung gibt es im geltenden deutschen Ordnungsrahmen kein umfassendes und konsistentes Regelungsregime. Grundsätzlich versteht man unter Anlagen zur Speicherung elektrischer Energie Anlagen, bei denen elektrische Energie aus einem Stromnetz entnommen und nach Umwandlung in chemische, thermische oder Lageenergie gespeichert wird. Anschließend wird die gespeicherte Energie wieder in elektrische Energie umgewandelt und in das Netz zurückgespeist. Für die Stromspeicherung existieren zahlreiche technische, teils neuartige, Konzepte. Beispielhaft seien Batteriespeicher und Pumpspeicherkraftwerke genannt.

Eine einheitliche Definition der Stromspeicherung sucht man im geltenden deutschen Energierecht vergebens. Für die Elektromobilität werden Energiespeicher als die Bauteile des Kraftfahrzeugantriebes definiert, die die jeweiligen Formen von Energie speichern, welche zur Fortbewegung des Kraftfahrzeuges genutzt werden (§ 3 Nr. 5 Ladesäulenverordnung).

Auch die für die Stromspeicherung verwendeten Begriffe sind unterschiedlich. So finden sich die Bezeichnungen als „Anlagen zur Speicherung elektrischer Energie″ (z.B. § 1 Abs. 4 Nr. 3 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)), „Stromspeicher″ (z.B. § 61l Erneuerbare-Energien-Gesetz 2017, EEG 2017) oder „stationärer Batteriespeicher″ (§ 2 Nr. 9 Stromsteuergesetz, StromStG).

Für das Unionsrecht sieht Art 2 Nr. 59 der Neufassung der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie 2019 (EU) 2019/944 (Elt-RL) immerhin eine Definition der „Energiespeicherung″ im Elektrizitätsnetz vor. Hierunter ist die Verschiebung der endgültigen Nutzung elektrischer Energie auf einen späteren Zeitpunkt als den ihrer Erzeugung oder die Umwandlung elektrischer Energie in eine speicherbare Energieform, die Speicherung solcher Energie und ihre anschließende Rückumwandlung in elektrische Energie oder Nutzung als ein anderer Energieträger zu verstehen.

Nicht zuletzt ist auch die Einordnung von Stromspeichern in die etablierte Systematik der Marktrollen im Strommarkt nicht eindeutig. So wird für Stromspeicher wie Batteriespeicher oder Pumpspeicherkraftwerke überwiegend anerkannt, dass sie bei der Entnahme von Strom aus dem Netz als Letztverbraucher anzusehen sind. Bei der anschließenden Rückspeisung in das Netz sollen sie jedoch als Erzeuger zu qualifizieren sein. Diese Differenzierung hat Auswirkungen auf die Anwendung der gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben, insbesondere auch unter dem Stichwort einer „Doppelbelastung″ von Stromspeichern.

Das Unionsrecht enthält Vorgaben für die Stromspeicherung

Das Problem einer potentiellen Doppelbelastung von Stromspeichern mit Netzentgelten und sonstigen Abgaben und Umlagen auf Grund der Einordnung sowohl als Letztverbraucher und Erzeuger wird auf Ebene des Unionsrechts zum einen in Art. 21 Abs. 2b) der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie 2021 (EU) 2018/2001 (EE-RL) adressiert. Danach sind Eigenversorger berechtigt, mit Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Elektrizität für die Eigenversorgung zusammengeschaltete Stromspeichersysteme zu installieren und zu betreiben, ohne doppelten Umlagen und Abgaben einschließlich Netzentgelten für gespeicherte Elektrizität, die an Ort und Stelle verbleibt, unterworfen zu sein. Weiterhin sieht Art. 15 Abs. 5b) Elt-RL vor, dass aktive Kunden, in deren Eigentum sich eine Speicheranlage befindet, für gespeicherte Elektrizität, die an Ort und Stelle verbleibt, oder, wenn sie für Netzbetreiber Flexibilitätsdienstleistungen erbringen, keiner doppelten Entgeltpflicht unterworfen sind.

Erstmals finden sich auch Vorschriften zu den sog. Bürgerenergiegemeinschaften (Art. 16 Elt-RL), die gemäß ihrer Definition auch im Bereich der Energiespeicherung tätig sein können (Art. 2 Nr. 11c Elt-RL). Die Regelungen der Richtlinie zielen darauf ab, Geschäftsmodelle im Bereich lokaler Energiegemeinschaften zu unterstützen. Ähnliche Vorschriften für Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften finden sich in Art. 22 EE-RL.

Die Vorgaben der beiden Richtlinien sind von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen. Im deutschen Recht finden sich bereits Vorschriften zur Vermeidung einer Doppelbelastung, auf die im Weiteren eingegangen wird. Ob sie den Vorgaben des Unionsrechts genügen, wird der Gesetzgeber im Rahmen der Umsetzung der Richtlinien im Einzelnen zu prüfen haben.

Neu errichtete Speicheranlagen können von Netzentgelten befreit werden

§ 118 Abs. 6 S. 1 EnWG sieht eine Netzentgeltbefreiung für neu errichtete Anlagen zur Speicherung elektrischer Energie vor. Die Befreiung bezieht sich auf den Bezug der zur speichernden elektrischen Energie. Neu errichtet ist eine Anlage, die ab dem 4. August 2011 innerhalb von 15 Jahren in Betrieb genommen wird. Die Freistellung gilt für einen Zeitraum von 20 Jahren ab Inbetriebnahme. Als Inbetriebnahme gilt der erstmalige Bezug von elektrischer Energie für den Probebetrieb (§ 118 Abs. 6 S. 6). Die Netzentgeltbefreiung setzt voraus, dass die elektrische Energie zur Speicherung in einem Stromspeicher aus einem Transport- oder Verteilernetz entnommen und die zur Ausspeisung zurückgewonnene elektrische Energie zeitlich verzögert wieder in dasselbe Netz eingespeist wird (§ 118 Abs. 6 S. 3).

Netzentgeltbefreiung auch für bestehende Pumpspeicherkraftwerke

Neben neuen Anlagen sind auch bereits existierende Pumpspeicherkraftwerke von den Netzentgelten befreit (§ 118 Abs. 6 S. 2 u. 4). Voraussetzung für die Befreiung ist, dass die elektrische Pump- oder Turbinenleistung nachweislich um mindestens 7,5 % oder deren speicherbare Energiemenge nachweislich um mindestens 5 % nach dem 04.08.2011 erhöht wurden. Weiterhin muss offensichtlich sein, dass der Höchstlastbeitrag der Anlage vorhersehbar erheblich von der zeitgleichen Jahreshöchstlast aller Entnahmen aus dieser Netz- oder Umspannebene abweicht. Die Freistellung gilt für einen Zeitraum von zehn Jahren ab Inbetriebnahme der Erweiterung.

Auch Power-to-Gas-Anlagen sind von Netzentgelten befreit

Für Power-to-Gas-Anlagen ist vorgesehen, dass das Erfordernis der Rückeinspeisung in dasselbe Netz, aus dem die elektrische Energie entnommen wurde, nicht für Anlagen gilt, in denen durch Wasserelektrolyse Wasserstoff erzeugt oder in denen Gas oder Biogas durch wasserelektrolytisch erzeugten Wasserstoff und anschließende Methanisierung hergestellt worden ist (§ 118 Abs. 6 S. 7). Damit sind für den bei der Umwandlung der Energie in Gas verbrauchten Strom keine Netzentgelte zu zahlen. Durch das am 17.05.2019 in Kraft getretene Gesetz zur Beschleunigung des Energieleitungsbaus war diese Netzentgeltbefreiung zwischenzeitlich abgeschafft worden. Die Netzentgeltbefreiung sollte somit auch bei Power-to-Gas-Anlagen künftig von der Rückverstromung des erzeugten Gases oder des Wasserstoffes abhängen. Nach erheblichen Einwänden gegen die nachteiligen Auswirkungen dieser Gesetzesänderung auf die Marktfähigkeit grüner Gase wurde die ursprüngliche Fassung von § 118 Abs. 6 S. 7 rückwirkend zum 17.05.2019 wieder in Kraft gesetzt.

Welchen Umfang hat die Netzentgeltbefreiung?

Die Befreiung bezieht sich auch auf die sog. Speicherverluste, die im Wege der Umwandlung und anschließenden Rückumwandlung der elektrischen Energie entstehen.

Die Netzentgeltbefreiung erfasst dagegen nicht – was lange umstritten war – die gesetzlichen Umlagen bei der Nutzung des öffentlichen Netzes. Dies hat der BGH im Jahr 2017 für die KWKG-Umlage, die Umlage für individuelle Netzentgelte nach § 19 Abs. 2 Stromnetzentgeltverordnung („StromNEV″), die Offshore-Haftungsumlage nach § 17f EnWG und die Umlage für abschaltbare Lasten nach § 18 der Verordnung über Vereinbarungen über abschaltbare Lasten entschieden. Nach seinem Gesetzeszweck regele § 118 EnWG lediglich eine Befreiung von den Netzentgelten im eigentlichen Sinne, nicht aber eine solche der genannten Umlagen.

Die Befreiung von den Netzentgelten erfasst nach Auffassung des BGH auch nicht die Entgelte für den Messstellenbetrieb, die Messung und die Abrechnung. Hierbei handele es sich um ohnehin von den Netzentgelten zu unterscheidende gesonderte Entgelte.

Stromspeicher können individuelle Netzentgelte in Anspruch nehmen

Soweit eine Netzentgeltbefreiung nicht möglich ist, können Stromspeicher bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV ein individuelles Netzentgelt beanspruchen. Voraussetzung ist, dass der Höchstlastbeitrag des Speichers vorhersehbar erheblich von der zeitgleichen Jahreshöchstlast aller Entnahmen aus dieser Netz- oder Umspannebene abweicht. Das individuelle Netzentgelt darf nicht weniger als 20% des veröffentlichten Netzentgelts betragen. Der BGH hat entschieden, dass bei der Bemessung eines individuellen Netzentgelt allein der Leistungspreis, nicht aber der Arbeitspreis zu reduzieren ist. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und entspreche auch ihrem Normzweck.

Voraussetzung für ein individuelles Netzentgelt nach dieser Vorschrift ist weiterhin, dass die Entnahme für den eigenen Verbrauch erfolgt. Bei Pachtmodellen ist deshalb wichtig, dass derjenige, der die Reduktion des Netzentgelts beansprucht, tatsächlich auch als Betreiber des Stromspeichers anzusehen ist.

Eine weitere Möglichkeit für die Inanspruchnahme eines individuellen Netzentgelts für Stromspeicher findet sich in § 19 Abs. 4 StromNEV. Nach dieser Vorschrift haben Netzbetreiber Letztverbrauchern, die Strom dem Netz ausschließlich zur Speicherung in einem Stromspeicher entnehmen und den zurückgewonnenen Strom wieder in das Netz einspeisen, ein individuelles Netzentgelt anzubieten. Anders als bei dem individuellen Netzentgelt nach § 19 Abs. 2 wird hier auf die Erhebung eines Arbeitspreises verzichtet. Das Netzentgelt nach § 19 Abs. 4 besteht also allein aus einem Jahresleistungspreis. Dieser wird auf den Anteil der entnommenen Strommenge reduziert, der nicht wieder in das Netz eingespeist wird, also die Speicherverluste. Denn Stromspeicher sollen unabhängig von der für die Speicherung eingesetzten Technologie nur in dem Umfang mit Netzkosten belastet werden, in dem sie den Strom dauerhaft dem Stromsystem entziehen und ihn nicht wieder in das Netz zurückspeisen.

Bei Vorliegen der Voraussetzungen für ein individuelles Netzentgelt sowohl nach § 19 Abs. 2 S.1 als auch nach § 19 Abs. 4 ist für netzdienliche Stromspeicher eine zweistufige Netzentgeltreduzierung möglich. Diese erfolgt durch Bemessung des entsprechend reduzierten Netzentgelts auf Basis des individuellen Netzentgelts nach § 19 Abs. 4. Das individuelle Netzentgelt nach Abs. 4 ist also bei netzdienlichem Verhalten weiter entsprechend zu reduzieren. Es darf nicht weniger als 20 % des nach Abs. 4 ermittelten Jahresleistungspreises betragen.

Stromspeicher können auch Anspruch auf ein Entgelt für dezentrale Einspeisung haben

Soweit ein Stromspeicher bei der Rückspeisung in das Netz als dezentrale Erzeugungsanlage anzusehen ist, kann der Anlagenbetreiber vom Betreiber des Elektrizitätsverteilernetzes, in dessen Netz er einspeist, ein Entgelt für vermiedene Netznutzung unter den Voraussetzungen von § 18 Abs. 1 StromNEV beanspruchen. Der Speicher muss hierfür vor dem 1. Januar 2023 in Betrieb genommen worden sein. Bei Anlagen mit volatiler Erzeugung muss die Inbetriebnahme vor dem 1. Januar 2018 erfolgt sein. Die Bemessung der Vermeidungsarbeit und Vermeidungsleistung als Basis für die dem Entgelt zu Grunde liegenden vermiedenen gewälzten Kosten der vorgelagerten Netz- oder Umspannebene werden nach § 18 Abs. 2 StromNEV berechnet. Einem Anspruch von dezentral einspeisenden Pumpspeicherkraftwerken oder Batteriespeichern auf vermiedene Netzentgelte steht nach überwiegender Meinung eine Netzentgeltbefreiung nach § 118 Abs. 6 EnWG nicht entgegen.

Stromspeicher im deutschen Ordnungsrahmen – Fortsetzung folgt

Im nächsten Teil dieser Blogserie zu Stromspeichern befassen wir uns näher mit der Vermeidung von Doppelbelastungen bei der EEG-Umlage und der Stromsteuer, energierechtlichen Anforderungen sowie Entflechtungsvorgaben für Stromspeicher.

Tags: Befreiung Entgelt Rahmenbedingungen Stromspeicher