3. Dezember 2015
Smart Energy Workshop, Energiewirtschaft
Energiewirtschaft & Klimaschutz

Energiewirtschaft: Rückblick zum Smart Energy Workshop

Was die Energiewirtschaft bewegt: die Digitalisierung des Energiemarktes, neue Geschäftsmodelle und Kooperationsmöglichkeiten.

Am 24. November 2015 trafen sich zahlreiche Experten und Interessierte im Berliner Büro von CMS Deutschland, um unter dem Titel „Smart Energy – mit innovativen Geschäftsmodellen in die Zukunft″ über den tiefgreifenden Strukturwandel der Energiewirtschaft zu diskutieren. In ihren höchst interessanten und sehr anschaulichen Beiträgen deckten die sechs Referenten  das Spektrum der aktuellen Entwicklung ab.

Demand Side Management – Flexibilitätspotential auf Kundenseite heben

In seinem Vortrag zum Demand Side Management referierte Lorenz Zampieron, Key Account Manager im Vertrieb Industriekunden der DONG Energy Sales GmbH, über die Generierung von Mehrerlösen durch industrielle Flexibilität.

Die Schlüsselrolle bei der Bewältigung der zentralen Herausforderungen des Energiemarktes – nämlich dem Übergang zu fluktuierenden Energieprodukten sowie der zunehmenden Volatilität in den Netzen und Märkten – komme der Flexibilität zu. Im Wege des Demand Side Managements könne die Verbrauchsseite ihren Beitrag leisten, um Schwankungen der Produktion und im Netz zu begegnen. Hierbei handele es sich um ein Verfahren, dass für alle Beteiligten von Vorteil sei: während auf der Seite der Produktion und Netze zusätzliches Investment vermieden werden könne, würden auf der Seite der Verbraucher attraktive Zusatzerlöse durch die Nutzung bestehender Flexibilität ohne zusätzlichen hohen Kapitaleinsatz generiert.

Er schilderte im Einzelnen, welche Flexibilitäten in der Praxis hierfür zur Verfügung stehen (z.B. Notstromaggregate, Wärme- und Kälteprozesse, Betrieb von Rechenzentren, Herstellungs- und Verarbeitungsprozesse etc.), wie diese als positive und negative Regelenergie eingesetzt werden  und welche Vorteile sie in der Vermarktung haben. Am Beispiel unterschiedlicher Anlagentypen mit unterschiedlicher Flexibilität und Verfügbarkeit verdeutlichte Herr Zampieron tatsächlich erreichbare Teilnehmervergütungen.

Die anspruchsvolle Vermarktung von industrieller Flexibilität werde sich durch die im Weißbuch geplanten Maßnahmen vereinfachen, da die Märkte für neue Anbieter geöffnet und Hemmnisse abgebaut werden sollen. Die Anbieter von Demand Side Management-Dienstleistungen sähen sich aktuell noch zahlreichen Herausforderungen gegenüber: insbesondere die fehlenden, klaren Marktregeln führten bei der Umsetzung zu komplexen Vertragsgestaltungen, die Marktrolle des Dienstleisters sei nicht ausreichend ausgestaltet. Auch das Netzzugangsregime müsse stärker auf flexible Abnahmeverhalten zugeschnitten werden und die mit allen Übertragungsnetzbetreibern einzuhaltenden Verfahren seien sehr aufwändig. Hier sei die Gesetzgebung aber auf einem guten Weg.

In seinem Resümee stellte Herr Zampieron in Aussicht, dass sich die kundenseitige Flexibilität von einem weitgehend unregulierten Nischenmarkt zu einem breiteren Markt mit klaren Spielregeln entwickeln werde, in dem eine zunehmende Anzahl von Anbietern Ihre Flexibilitäten vermarkten werden.

Virtuelle Kraftwerke – neue Geschäftsmodelle in der Energiewirtschaft 4.0

Im Anschluss daran referierte Eberhard Holstein, Gründer und Geschäftsführer der Grundgrün Energie GmbH, zu Idee, Ökonomie und Technik der virtuellen Kraftwerke. Eingangs stellte er den Wandel von der konventionellen Stromwirtschaft mit wenigen zentralisierten Versorgern und der Energielieferung als wesentlichem Produkt zur dezentralisierten Energiewirtschaft mit einer Vielzahl unabhängiger Erzeuger und unterschiedlichsten Belieferungsoptionen und Energiedienstleistungen dar.

Dieser Wandel eröffne die Chance für den Markteintritt neuer Player und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle – eine Entwicklung, die bereits heute die Marktstrukturen erheblich in Bewegung gebracht habe. Die Automatisierung der Prozesse über hochmoderne IT-Lösungen spiele für den Markterfolg eine große Rolle. Dargestellt wurde dies am Beispiel eines neuen Produktes für Solarparks ab 100kW mit Eigenverbrauch und dem dort praktizierten Verfahren zum online-Abschluss eines Direktvermarktungsvertrages zur Verarbeitung und Optimierung der Prognosen für die Solareinspeisung. Dessen Ziel es ist, eine automatische Rangfolge für eine Regelung mittels Fernsteuerung zu erstellen.

Das Portfolio eines virtuellen Kraftwerks umfasse das gesamte Spektrum von SLP- und RLM-Verbrauchern über Solar- und Windkraftanlagen sowie Biomasse/-gasanlagen bis hin zu Batteriespeichern. In diesem Zusammenhang prägte Herr Holstein den Begriff des „Verzeugers″, der die Marktrolle des in einer Person zusammenfallenden Verbrauchers und Erzeugers bezeichnet. Wichtige Parameter für den Verzeuger im virtuellen Kraftwerk seien seine Stammdaten, der Zugang zur Datenanbindung, die Art der Energielieferung, die Merkmale der bereitgestellten Flexibilität sowie die technischen Merkmale der betroffenen Anlage.

Hauptaufgabe des virtuellen Kraftwerks sei die Vernetzung und Integration dezentraler Anlagen in den Energiemarkt. Dies bedinge eine Steuerung der Erzeugung entlang der Signale aus dem Strommarkt. Es komme darauf an, Erzeugung und Verbrauch durch zeitgleiche Einspeisung energiewirtschaftlich sinnvoll in Einklang zu bringen. Ein wichtiger Effekt sei schließlich auch die Schaffung von Mehrerlösen für die Erzeuger, die als wirtschaftlicher Anreiz für marktdienliches Agieren gut geeignet seien.

Abschließend stellte Herr Holstein fest, dass der Weg zur Netzführung auf Grundlage der erneuerbaren Erzeugung noch weit sei. Die tendenziell sinkenden Regelenergiepreise stellten ein Problem dar, auf das sich die Akteure einstellen müssten. Der Wettbewerbsdruck sei groß, gleichzeitig lägen die Kosten derzeit über den am Markt erzielbaren Preisen.

Digitalisierung des Energiemarktes – welche rechtlichen Fragen ergeben sich?

Agnes Wippich, Rechtsanwältin und Counsel bei CMS Deutschland, berichtete über Aspekte der Digitalisierung des Energiemarktes aus rechtlicher Sicht. Sie ging auf die rechtlichen Hindernisse ein, die dazu führen können, dass stromintensive Unternehmen ihre Flexibilität auf dem Markt (z.B. als Regelenergie oder abschaltbare Lasten) im Rahmen von Demand Side Management nicht anbieten können. Teilweise drohe der totale Verlust von Privilegierungen wie z.B., wenn durch Lastmanagement die Voraussetzungen für individuelle Netzentgelte in einem bestimmten Jahr nicht mehr erfüllt würden.

Die IT-Sicherheitsanforderungen an Netzbetreiber seien in diesem Jahr überarbeitet worden. Mit dem IT-Sicherheitskatalog der Bundesnetzagentur sei ein Mindeststandard eingeführt worden, den die Netzbetreiber bis zum 31. Januar 2018 umzusetzen hätten, wobei bis zum 30. November 2015 eine Kontaktstelle zu benennen sei.

Nähere Regelungen zu IT-Sicherheitsanforderungen an Betreiber von Energieanlagen bestünden noch nicht. Weder sei die Rechtsverordnung erlassen, die diejenigen identifizieren soll, die Kritische Infrastruktur sind, noch ein IT-Sicherheitskatalog durch die Bundesnetzagentur erarbeitet. Auffällig sei, dass die derzeitigen Regelungen nicht alle Marktteilnehmer erfassen, die sich an der Stabilisierung der Netze beteiligen. Bei Erfüllung der Mindeststandards der IT-Sicherheitskataloge soll zwar ein angemessener Schutz des Betriebs eines Netzes bzw. von Energieanlagen vorliegen.

Allerdings gehe aus dem IT-Sicherheitskatalog der Bundesnetzagentur für Netzbetreiber hervor, dass der allgemeine Stand der Technik, die allgemeine IKT-Bedrohungslage und die spezifische Bedrohungslage für die eingesetzten Systeme zu berücksichtigen seien. Daher sei nicht hinreichend klar, wann ein Netzbetreiber von einem angemessenen Schutz, auf den er sich im Ernstfall gegenüber Netznutzern gerne berufen würde, ausgehen könne. Die im EnWG vorgesehene Meldepflicht von erheblichen Störungen sei problematisch, weil in Einzelfällen unklar sein dürfte, ob sie greift oder nicht.

Abschließend ging Frau Wippich auf die fortschreitende digitale Vernetzung und die damit einhergehende Zunahme von Daten und den Umgang mit diesen sowohl im Rahmen des geplanten Messstellenbetriebsgesetzes als auch der geplanten Änderungen im EnWG ein. Dabei wies sie darauf hin, dass Marktteilnehmer schon heute Informationspflichten als Belastung ansehen. In diesem Zusammenhang ging sie auf das vor dem OLG Düsseldorf anhängige Verfahren gegen die Festlegung der Bundesnetzagentur zu Datenaustauschprozessen im Rahmen des Energieinformationsnetzes ein.

Strombank – intelligente Quartierspeicher als neues Geschäftsmodell

Nach der Kaffeepause, die alle Beteiligten zum intensiven Networking und Gedankenaustausch nutzten, berichtete Thomas Speidel, Geschäftsführer der ads-tec GmbH unter dem Titel „Strombank zur effizienten Nutzung von Strom aus lokaler Energie-Erzeugung″ am Beispiel eines konkreten Pilotprojekts in Mannheim über die technischen und kommerziellen Implikationen eines Quartierspeichers.

Hierbei werden Haushalte mit Photovoltaikerzeugung und Blockheizkraftwerke, die sich in räumlicher Nähe befinden (dem Quartier) zu einem Cluster zusammengeschlossen. Ein Batteriespeicher nimmt die produzierte Energie auf bzw. stellt gespeicherte Energie bei Bedarf zur Verfügung. Jeder der beteiligten Prosumer unterhält bei der Strombank ein eigenes Konto, auf dem „ein- und ausgezahlte″ Energie wie bei einem Girokonto saldiert werden. Die Messdaten der Prosumer werden sekündlich verschlüsselt übertragen und der Kontostand über eine App dargestellt. In der Strombank werden alle Konten sekündlich bilanziert und die Lade- und Entladeleistung des Batteriespeichers berechnet.

Die Vorteile des Quartierspeichers gegenüber dem Heimspeicher liegen nach Herrn Speidel in der Mehrfachnutzung des Speichers im Wege der komplementären Ein- und Ausspeisung durch PV-Anlagen einerseits und BHKW andererseits. Aufgrund der Gleichzeitigkeitsfaktoren sei der Quartierspeicher deutlich effizienter als der Einzelspeicher. Außerdem würden durch economies of scale geringe relative Kosten erreicht. Der symmetrische Leistungsbedarf für Ein- und Ausspeicherung ermögliche die Verwendung kleiner und kostengünstiger Wechselrichter. Schließlich sei auf Basis der Anbindung an die Leitwarte ein netzdienlicher Betrieb möglich. Zur Abwicklung könnten bereits installierte Smart Meter in den Gebäuden genutzt werden.

Für den Praxistest habe man aus dem Kreis der 40 Angeschriebenen 17 Teilnehmer gewinnen können. Der Test habe die Erwartungen voll erfüllt. Die Strombank stelle ein geeignetes Geschäftsmodell für Stadtwerke dar, die Eigenverbrauchsoptimierung als Dienstleistung anzubieten und auf diesem Wege im Geschäft zu bleiben. Umso bedauerlicher sei es, dass auf Grund der gegenwärtig geltenden regulatorischen Rahmenbedingungen der Quartierspeicher wirtschaftlich nicht zu verwirklichen sei. Der Speicher werde fälschlicherweise als „Letztverbraucher″ und „Erzeuger″ eingestuft und nicht als neutrales Systemglied. Die mit dieser Einstufung verbundenen Kosten machten einen wirtschaftlichen Betrieb unmöglich. Damit werde die Möglichkeit zur Eigenverbrauchsoptimierung politisch motiviert auf das Privatgrundstück verengt.

In seinem Ausblick stellte Herr Speidel als Lösung des vorbeschriebenen Dilemmas die Möglichkeit vor, neue Baugebiete mit einer Pflicht zur Quartierspeicherung zu belegen und einen m²-Beitrag zu ihrer Finanzierung zu erheben.

Partnerschaften – Kooperationsmöglichkeiten für die Energiewirtschaft 4.0

Anschließend berichtete Thomas Brunn, Rechtsanwalt und Partner bei CMS Deutschland, zu dem Thema „Strategische Partnerschaften – klassische Kooperation oder EVUs als Venture Capital Partner?″. Neben den allgemeinen Herausforderungen der Energiewende betrachtete er weitere Treiber für Kooperationen. Bei größeren Investitionen entlasteten Kooperationen die Bilanz und verbesserten damit das Rating des EVU. Für die Strukturierung und die vertragliche Gestaltung des Joint Ventures seien Konsolidierungsfragen entscheidend.

Herr Brunn führte weiter aus, dass Beteiligungen an kleineren Start-ups der Diversifizierung und der Innovation dienten. Der Erwerb erfolge oft durch Venture Capital Transaktionen. Gerade in diesem Bereich sei mit neuen Playern zu rechnen, denn die Innovationswende stehe der Energiebranche noch bevor.

Finanzierung von Energieprojekten – Chancen und Risiken

Last but not least führte Konstantin Hanssen, Key Account Manager für Energietechnik und Optik bei der Investitionsbank Berlin (IBB), die Teilnehmer in die Möglichkeiten der Finanzierung von Energietechnologieprojekten ein.

Die Finanzierungsmöglichkeiten der IBB reichen von Beratung und Qualifizierung über Zuschüsse, Fremdkapital und Mezzanine-Kapital bis zu Eigenkapital. Im Bereich von Technologieprojekten werden Start-Ups und Unternehmen bei Maßnahmen im Bereich Energieeffizienz und Einführung neuer Technologien mit Zuschüssen und Darlehen gefördert. Im Bereich der Erneuerbaren Energien werden die Einrichtung von Erneuerbaren-Anlagen und Effizienzmaßnahmen durch Darlehen und Mezzanine-Kapital gefördert.

Bei der Projektfinanzierung seien entscheidende Besonderheiten zu berücksichtigen. So sei eine vergangenheitsbezogene Bonitätsanalyse nicht möglich. Die Kreditentscheidung werde deshalb ausschließlich auf der Basis zu erwartender künftiger Cash-Flows getroffen. Eine dingliche Besicherung sei regelmäßig nur in Form der finanzierten Anlagen möglich. Die Beteiligung externer Dritter wie z.B. Generalunternehmer sei bei der Risikobetrachtung gesondert in Ansatz zu bringen, da diese häufig eine vermehrte Störanfälligkeit des Projekts mit sich bringe. Der Gesamtprozess der Finanzierung werde sinnvollerweise in die Teilprozesse Machbarkeitsstudie, Finanzierung, Verträge und Umsetzung unterteilt, um so die im Einzelnen zu durchlaufenden Prozessschritte besser abgrenzen zu können.

Konstantin Hanssen führte weiterhin aus, dass einzelne Projektrisiken zu einer erheblichen Verzögerung bei der Umsetzung und damit zu Einnahmeausfällen führen könnten, woraus sich auch auf Seiten der finanzierenden Bank gravierende Auswirkungen ergäben. Zu diesen typischen Projektrisiken zählten fehlerhafte Planungen und Gutachten, Kostenüberschreitungen, Bauverzögerungen, Streitigkeiten mit dem Generalunternehmer, Insolvenz eines Lieferanten oder des Generalunternehmers sowie gesetzliche Änderungen im Laufe des Prozesses. Es gelte, diesen Risiken so gut es gehe vorausschauend entgegenzuwirken, gänzlich ausschließen könne man sie jedoch nicht.

Abschließend stellte Herr Hanssen eine Checkliste zur Begrenzung von Risiken auf Seiten des Bauherren vor, in der u.a. die Standortbedingungen, das Vermarktungskonzept, die Anlagenauslegung, die Komponentenauswahl sowie die Auslegung von Bau bzw. Montage wichtige zu beachtende Kriterien darstellen.

Nach Ende des fachlichen Teils kamen die Teilnehmer noch zu einem kulinarischen Ausklang zusammen, der zu einer Fortführung der lebhaften Diskussion genutzt wurde.

Wir danken den Referenten und allen Teilnehmern für die interessanten Beiträge und würden uns freuen, Sie auch im nächsten Jahr wieder begrüßen zu dürfen. Über den Termin der Veranstaltung in 2016 werden wir Sie rechtzeitig informieren.

Tags: Energiewirtschaft Smart Energy Workshop