Was Sie zum Anwendungsbereich des Gesetzes über elektronische Wertpapiere (eWpG) und zum neu eingeführten elektronischen Wertpapier allgemein wissen müssen.
Dieser Beitrag ist der zweite von insgesamt vier Teilen zur Vorstellung des eWpG. Die weiteren Teile finden Sie verlinkt unten am Beitragsende.
Anwendungsbereich des eWpG
Das eWpG ist anwendbar auf Inhaber-Schuldverschreibungen i.S.d. § 793 BGB. Damit werden neben herkömmlichen Anleihen insbesondere auch Wandelschuldverschreibungen und Genussrechte erfasst.
Mit dem vom Bundestag am 6. Mai 2021 verabschiedeten Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren wurde § 95 KAGB dahingehend geändert, dass nunmehr auf den Inhaber lautende Anteile an Sondervermögen als elektronische Anteilscheine begeben werden können. Auf elektronische Inhaber-Anteilsscheine sind die wesentlichen Regelungen des eWpG zu Zentralregisterwertpapieren entsprechend anwendbar (vgl. § 95 Abs. 3 KAGB n.F.). Darüber hinaus ermächtigt § 95 Abs. 5 KAGB n.F. das Bundesjustiz- und das Bundesfinanzministerium, durch Verordnung auch die Regelungen des eWpG zu Kryptowertpapieren auf elektronische Inhaber-Anteilsscheine für entsprechend anwendbar zu bestimmen und damit sog. Kryptofondsanteile einzuführen.
Vom Anwendungsbereich des eWpG nicht umfasst sind hingegen Mitgliedschaftsrechte und damit insbesondere Aktien. Die geplante Einführung der elektronischen Aktie ist im Hinblick auf (vermeintlich) erhebliche gesellschaftsrechtliche Auswirkungen zunächst vertagt worden und bleibt damit der nächsten Legislaturperiode vorbehalten.
Elektronisches Wertpapier – neue Begebungsform
Mit dem elektronischen Wertpapier hat der Gesetzgeber kein Wertpapier eigener Art geschaffen, sondern lediglich eine neue, weitere Begebungsform, die Emittenten optional verwenden können. Gemeint ist mit dem elektronischen Wertpapier also das elektronisch begebene Wertpapier.
Begebung (Entstehung) des elektronischen Wertpapiers
Ein elektronisches Wertpapier wird dadurch begeben, dass der Emittent an Stelle der Ausstellung einer Wertpapierurkunde (Verbriefung) eine Eintragung in ein elektronisches Wertpapierregister bewirkt (§ 2 Abs. 1 eWpG). Die Eintragung hat folgende Voraussetzungen (vgl. § 4 Abs. 4 eWpG):
- Aufnahme des elektronischen Wertpapiers in ein elektronisches Wertpapierregister mit den vorgeschriebenen und für den Rechtsverkehr wichtigen Registerangaben wie z.B. Wertpapierkennnummer und Emittent (vgl. §§ 13, 17 eWpG),
- Zugänglichmachung der Emissionsbedingungen, d.h. des Inhalts des elektronischen Wertpapiers nach dem jeweiligen Begebungsvertrag, bei der registerführenden Stelle als beständiges elektronisches Dokument mit der Möglichkeit jederzeitiger Kenntnisnahme durch jedermann, d.h. ein berechtigtes Interesse zur Einsichtnahme ist grundsätzlich nicht erforderlich, (sog. Niederlegung nach § 5 eWpG); der öffentliche Zugang kann in bestimmten Fällen beschränkt werden (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 eWpG); und
- Bezugnahme auf die – außerhalb des Registers (z.B. auf der Internetseite der registerführenden Stelle) niedergelegten – Emissionsbedingungen, was in der Praxis durch eine Verlinkung des Registereintrags mit den Emissionsbedingungen umgesetzt werden dürfte; die näheren technischen Details bleiben dabei einer begleitenden Verordnung durch das Bundesjustiz- und das Bundesfinanzministerium bzw. die BaFin vorbehalten (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 23 Abs. 1 Nr. 2 eWpG).
Neben der Eintragung (Skripturakt) bedarf es zur Entstehung des elektronischen Wertpapiers – ebenso wie beim herkömmlichen (papier-)verbrieften Wertpapier – noch zusätzlich eines Begebungsvertrages, also einer Einigung zwischen dem Emittenten und dem Übernehmer über die Begebung des Wertpapiers. Es handelt sich hierbei um eine ungeschriebene Voraussetzung, an der das eWpG ausweislich der Gesetzesbegründung in Übereistimmung mit der herrschenden (modifizierten) Vertragstheorie zum verbrieften Wertpapier festhält.
Rechtsnatur des elektronischen Wertpapiers
Das so geschaffene elektronische Wertpapier wird (papier-)verbrieften Wertpapieren gleichgestellt, indem es (wertpapierrechtlich) dieselbe Rechtswirkung entfaltet und (zivilrechtlich) als (körperliche) Sache i.S.d. § 90 BGB gilt (§ 2 Abs. 2 und Abs. 3 eWpG). Den Berechtigten elektronischer Wertpapiere wird damit der gleiche umfassende Schutz zuteil wie Eigentümern verbriefter Wertpapiere, so dass sie insbesondere im Fall einer Insolvenz des Verwahrers geschützt sind.
Inhaber vs. Berechtigter und Sammeleintragung vs. Einzeleintragung
Wer Inhaber und wer Berechtigter des elektronischen Wertpapiers ist, ist im eWpG legaldefiniert: Inhaber ist derjenige, der – auf Veranlassung des Emittenten (vgl. § 8 Abs. 1 eWpG) – als Inhaber im elektronischen Wertpapierregister eingetragen ist (vgl. § 3 Abs. 1 eWpG), während Berechtigter derjenige ist, der das Recht aus einem Wertpapier innehat (vgl. § 3 Abs. 2 eWpG).
Wer als Inhaber ins elektronische Wertpapierregister eingetragen werden kann, richtet sich danach, ob eine Sammeleintragung oder eine Einzeleintragung vorgenommen werden soll (vgl. § 8 Abs. 1 eWpG):
- Sammeleintragung (elektronisches Pendant zu in Einzel- oder Sammelurkunden verbrieften, sammelverwahrten Wertpapieren)
Bei einer Sammeleintragung können im Register eingetragene Inhaber der elektronischen Wertpapiere eine Wertpapiersammelbank (§ 4 Abs. 5 eWpG), also für den deutschen Markt die Clearstream Banking AG („Clearstream″) als national zugelassener Zentralverwahrer, oder ein zum Betrieb des Depotgeschäfts im Inland zugelassener Verwahrer (§ 4 Abs. 6 eWpG), also eine Depotbank, sein.
Die Wertpapiersammelbank (Clearstream) oder der Verwahrer (Depotbank) werden durch die Eintragung als (formeller) Inhaber nicht selbst zum (materiellen) Berechtigten (Rechtsinhaber). Vielmehr verwalten sie die elektronischen Wertpapiere in Sammeleintragung treuhänderisch für die Berechtigten (§ 9 Abs. 2 Satz 1 eWpG) und können z.B. auch die Abwicklung der Zins- und Tilgungsleistungen übernehmen. Elektronische Wertpapiere in Sammeleintragung gelten als Wertpapiersammelbestand, an dem die Berechtigten Miteigentum nach (ideellen) Bruchteilen haben (§ 9 Abs. 1 eWpG).
Im Fall der Sammeleintragung fallen demnach die (formelle) Inhaberschaft und die (materielle) Berechtigung an elektronischen Wertpapieren auseinander, soweit es sich nicht um eigene Bestände der als Inhaber eingetragenen Wertpapiersammelbank oder Depotbank handelt.
- Einzeleintragung
Bei einer Einzeleintragung können jedwede natürlichen oder juristischen Personen oder rechtsfähige Personengesellschaften Inhaber der elektronischen Wertpapiere sein (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2 eWpG). Anders als bei einer Sammeleintragung ist hier der (formelle) Inhaber regelmäßig zugleich auch der (materiell) Berechtigte des elektronischen Wertpapiers (Personalunion).
Im elektronischen Wertpapierregister ist jeweils zu kennzeichnen, ob es sich um eine Einzel- oder Sammeleintragung handelt (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 17 Abs. 1 Nr. 5 eWpG).
Zwei Arten des elektronischen Wertpapiers
Das eWpG unterscheidet hinsichtlich elektronischer Wertpapiere und elektronischer Wertpapierregister, die als Oberbegriffe fungieren, jeweils zwei Arten:
- Zentralregisterwertpapiere, die in ein zentrales Register eingetragen sind (§ 4 Abs. 2 eWpG), und
- Kryptowertpapiere, die in ein Kryptowertpapierregister eingetragen sind (§ 4 Abs. 3 eWpG).
Dabei können sowohl das Zentralregisterpapier als auch das Kryptowertpapier in Sammel- oder in Einzeleintragung begeben werden (s.o.).
Wie in den weiteren Teilen 3 und 4 dieses Beitrags aufgezeigt wird, dürfte die Begebung von Zentralregisterwertpapieren typischerweise in einer Sammeleintragung in einem von der Clearstream geführten zentralen Register (Stichwort: Effektengiroverkehr) erfolgen und Kryptowertpapiere hingegen typischerweise in einer Einzeleintragung (Stichwort: Blockchain-Technologie) begeben werden.
Dieser Beitrag ist der zweite von insgesamt vier Teilen zur Vorstellung des eWpG. Die weiteren Teile finden Sie hier: Inkrafttreten und Bedeutung des eWpG für die Wertpapierpraxis (1/4), Zentralregisterwertpapier und zentrales Register (3/4), Kryptowertpapier und Kryptowertpapierregister (4/4).