10. Juni 2021
Kryptowertpapier
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eWpG-Briefing (4/4): Das Kryptowertpapier

Begebung von Wertpapieren mittels Blockchain- bzw. Distributed-Ledger-Technologie – Wir stellen das innovative Kryptowertpapier vor.

Dieser Beitrag ist der vierte von insgesamt vier Teilen zur Vorstellung des eWpG. Die weiteren Teile finden Sie verlinkt unten am Beitragsende.

Kryptowertpapier und Kryptowertpapierregister

Das in ein Kryptowertpapierregister eingetragene elektronische Wertpapier ist als Kryptowertpapier legaldefiniert (§ 4 Abs. 3 eWpG).

Ein Kryptowertpapierregister muss auf einem fälschungssicheren Aufzeichnungssystem geführt werden, in dem Daten in der Zeitfolge protokolliert und gegen unbefugte Löschung sowie nachträgliche Veränderung geschützt gespeichert werden (§ 16 Abs. 1 eWpG). Unter einem Aufzeichnungssystem ist ein dezentraler Zusammenschluss zu verstehen, in dem die Kontrollrechte zwischen den das jeweilige System betreibenden Einheiten nach einem im Vorhinein festgelegten Muster verteilt sind (§ 4 Abs. 11 eWpG). 

Diese funktionalen und technischen Voraussetzungen können insbesondere bei Nutzung der Blockchain- bzw. Distributed-Ledger-Technologie erfüllt werden. Das Kryptowertpapierregister dürfte dabei in der Praxis nicht direkt auf der Blockchain, sondern in einem darauf implementierten, für die Registerfunktion speziell programmierten Smart Contract geführt werden, der das Register algorithmenbasiert und automatisiert verwaltet und fortschreibt. Auch die Verwaltung und die Abwicklung des Kryptowertpapiers selbst könnten über einen Smart Contract erfolgen; so könnten z.B. Zinszahlungen bei Eintritt bestimmter Parameter automatisch ausgeführt werden. Die möglichen Funktionen und Einsatzgebiete eines Smart Contract sind vielfältig. Ein Smart Contract kann beispielsweise auch als Handelssystem fungieren, aus dem etwa die registerführende Stelle den jeweiligen Handelskurs des elektronischen Wertpapiers auslesen und ergänzend zum Registerinhalt für alle Beteiligten darstellen kann. Letztlich erlauben Smart Contracts, Verfügungen über Kryptowerte unmittelbar zu programmieren, was zahlreiche neue Geschäftsmodelle hervorbringen wird, die unter den Oberbegriff „Decentralized Finance″ subsumiert werden können.

Registerführende Stelle des Kryptowertpapierregisters

Ungeachtet der typischerweise dezentralen und (voll-)automatisierten Registerführung verlangt das eWpG auch für das Kryptowertpapierregister eine registerführende Stelle. Grund ist hierfür, dass die registerführende Stelle auch als Pflichtenadressat und verantwortliches Rechtssubjekt zur Verfügung stehen soll. So werden ihr u.a. Pflichten auferlegt, die eine ordnungsgemäße Führung des Kryptowertpapierregisters betreffen (vgl. § 18 Abs. 2 bis Abs. 5 eWpG), und außerdem hat sie die Vertraulichkeit, Integrität und Authentizität der Registerdaten zu gewährleisten (§ 7 eWpG). 

Beim Kryptowertpapierregister ist nach § 16 Abs. 2 Satz 1 eWpG registerführende Stelle, wer vom Emittenten gegenüber dem Inhaber als solche benannt wird. Unterbleibt eine solche Benennung, gilt der Emittent als registerführende Stelle (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 2 eWpG). Registerführende Stelle kann also grundsätzlich jede natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft oder der Emittent selbst sein. Gleichwohl werden diese Funktion nur bestimmte Dienstleister übernehmen (können), da die Kryptowertpapierregisterführung nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 8 KWG n.F. eine erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung darstellt – wenn auch mit der Folge, dass für (bloße) Kryptowertpapierregisterführer weitreichende Ausnahmen vom Pflichtenregime des KWG gelten (vgl. § 2 Abs. 7b KWG n.F.). Eine weitere Hürde für junge, innovative Unternehmen (Start-ups) in diesem Sektor dürfte insbesondere das vorzuhaltende Anfangskapital in Höhe von mindestens EUR 125.000 sein (vgl. § 33 Abs. 1 Nr. 1 b) KWG). Es bleibt deshalb abzuwarten, welche Anbieter und welche add-on-Dienstleistungen es neben der Kryptowertpapierregisterführung als technisches Set-up (Stichwort: Smart Contract) geben wird. Je nach angebotener Dienstleistung kann es sich dabei auch um ein Bankgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG handeln mit der Folge, dass der betreffende Anbieter dem uneingeschränkten Anwendungsbereich des KWG unterfiele. Dies wäre z.B. der Fall, wenn als Dienstleistung nicht bloß die Sicherung von privaten kryptografischen Schlüsseln, die den Zugriff auf Kryptowertpapiere ermöglichen, erbracht wird (sog. Kryptoverwahrgeschäft), sondern darüber hinaus Kryptowertpapiere auch verwahrt und/oder verwaltet werden. Denn während es sich beim Kryptoverwahrgeschäft um eine (privilegierte) Finanzdienstleistung i.S.d. §§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 6, 2 Abs. 7 b KWG n.F. handelt, stellt die Verwahrung oder Verwaltung eines Kryptowertpapiers ein Depotgeschäft und damit ein Bankgeschäft dar (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG). Würde also ein Wallet-Provider, der als registerführende Stelle vom Emittenten benannt ist, im Fall der Sammeleintragung als Inhaber der Kryptowertpapiere ins Register eingetragen, läge bereits nach § 9 Abs. 2 eWpG eine Verwaltung der Kryptowertpapiere und mithin ein Depotgeschäft vor.

Der Emittent kann die registerführende Stelle grundsätzlich auch ohne Zustimmung des Inhabers oder des Berechtigten wechseln, es sei denn, die Emissionsbedingungen regeln etwas Abweichendes (§ 16 Abs. 2 Satz 2 eWpG). Zwecks Publizität und Schutz des Rechtsverkehrs muss der Emittent u.a. die registerführende Stelle und die wesentlichen Informationen über das Kryptowertpapier im Bundesanzeiger veröffentlichen (§ 20 eWpG). 

Besondere Pflichten des Kryptowertpapier-Emittenten

Obschon die registerführende Stelle ein elektronisches Wertpapierregister so führen muss, dass Vertraulichkeit, Integrität und Authentizität der Daten gewährleistet sind (vgl. § 7 eWpG), wird bei Kryptowertpapieren zusätzlich dem Emittenten die Pflicht auferlegt, die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen, um die Integrität und die Authentizität der Kryptowertpapiere für die gesamte Dauer, für die das Kryptowertpapier eingetragen ist, zu gewährleisten (vgl. § 21 Abs. 1 eWpG). Die näheren Anforderungen an die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen des Emittenten bleiben dabei einer begleitenden Verordnung durch das Bundesjustiz- und das Bundesfinanzministerium bzw. die BaFin vorbehalten (vgl. § 23 Abs. 1 Nr. 25 und Abs. 2 eWpG). Falls das Kryptowertpapierregister die geltenden Anforderungen nicht (mehr) erfüllt, hat der Emittent Abhilfe zu schaffen. Gelingt ihm dies nicht, kann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als Aufsichtsbehörde vom Emittenten die Übertragung des Kryptowertpapiers in ein anderes elektronisches Wertpapierregister verlangen (§ 21 Abs. 2 eWpG). Außerdem können die Inhaber einer im Kryptowertpapierregister eingetragenen Schuldverschreibung nach erfolgloser Fristsetzung zur Wiederherstellung der Funktionstüchtigkeit des Registers die Schuldverschreibungen außerordentlich kündigen (§ 30 eWpG).

Übertragung von Kryptowertpapieren in Einzeleintragung

Kryptowertpapiere dürften in der Praxis typischerweise in Einzeleintragung begeben werden, da es hier durch den Einsatz der Blockchain- bzw. Distributed-Ledger-Technologie möglich ist, auf die Mitwirkung von Intermediären, wie z.B. die Cleasrstream und Depotbanken, gänzlich zu verzichten (zu den Voraussetzungen der Begebung elektronischer Wertpapiere siehe den zweiten Teil dieses Beitrags). Ob Kryptowertpapiere auch in Sammeleintragung etwa mit einem Wallet-Provider als registriertem Inhaber begeben werden, bleibt abzuwarten.

Anders als bei der Sammeleintragung gelten elektronische Wertpapiere in Einzeleintragung gerade nicht als Wertpapiersammelbestand. Die Eigentumsübertragung unterfällt hier deshalb nicht den tradierten depot- und sachenrechtlichen Übertragungsregeln (insbesondere §§ 929 ff. BGB – Stichworte: Geheißerwerb zusammen mit den Grundsätzen des Geschäfts für den, den es angeht, und Effektengiroverkehr). Aus diesem Grund sieht das eWpG in seinem Abschnitt 4 (§§ 24 ff. eWpG) gesetzliche Sonderregelungen für Verfügungen über elektronische Wertpapiere in Einzeleintragung vor, die auf den Verfügungstatbeständen des allgemeinen Zivilrechts aufbauen und diese ergänzen:

  • Spezielle Verfügungsregeln

    Das eWpG normiert in § 24 den Grundsatz „keine Verfügung außerhalb des Registers″. Danach bedürfen (dingliche) Verfügungen jeglicher Art über ein elektronisches Wertpapier in Einzeleintragung vorbehaltlich der sonstigen gesetzlichen Anforderungen zu ihrer Wirksamkeit einer Eintragung oder Umtragung im elektronischen Wertpapierregister. Eine im Register nicht eingetragene Verfügung ist (noch) nicht wirksam. Dies gilt nicht nur für Übertragungen, Belastungen und Inhaltsänderungen des elektronischen Wertpapiers selbst (z.B. Eigentumsübertragung oder Einräumung eines Pfandrechts), sondern insbesondere auch für entsprechende Verfügungen über ein Recht aus oder am elektronischen Wertpapier, wie etwa die Abtretung eines (Zinszahlungs-)Anspruchs (vgl. § 24 Nr. 2 und Nr. 3 eWpG). Abweichend von den tradierten Übertragungsregeln für (papier-)verbriefte Wertpapiere können damit z.B. Rechte oder Ansprüche beim elektronischen Wertpapier nicht im Wege eines bloßen Abtretungsvertrages (§§ 398, 413 BGB) übertragen werden; vielmehr ist hier zur Wirksamkeit noch zwingend eine entsprechende Eintragung ins Register erforderlich (Wirksamkeitsvoraussetzung).

    Die in der Praxis wichtigste Art der Verfügung, nämlich die Eigentumsübertragung, ist in § 25 Abs. 1 eWpG ausdrücklich geregelt. Danach ist es zur Übertragung des Eigentums an einem elektronischen Wertpapier erforderlich, dass das elektronische Wertpapier auf Weisung des Berechtigten auf den Erwerber umgetragen wird und beide sich darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll. Bis zur Umtragung auf den Erwerber verliert der Berechtigte sein Eigentum nicht. Mit der Übereignung, also wirksamer dinglicher Einigung und Umtragung, des elektronischen Wertpapiers, wird das Recht aus dem Wertpapier (mit) übertragen (§ 25 Abs. 2 eWpG).

    Mit dem Erfordernis der Ein- oder Umtragung soll eine vollständige Transparenz insbesondere über die Eigentumszuordnung und Lasten herstellt werden. Der Gesetzgeber will damit die Fungibilität des elektronischen Wertpapiers in Einzeleintragung und die Attraktivität des Registers insbesondere auch gegenüber ausländischen Privatanlegern erhöhen. Im Fall einer Sammeleintragung hingegen gibt das Register keinen Aufschluss über die materielle Rechtszuordnung beim elektronischen Wertpapier. Verfügungen, insbesondere Eigentumsübertragungen, vollziehen sich hier außerhalb des Registers.

  • Spezielle Regeln zum gutgläubigen Erwerb

    Im Interesse des redlichen Rechtsverkehrs und der Umlauffähigkeit elektronischer Wertpapiere in Einzeleintragung ermöglicht § 26 eWpG einen der Registerlage entsprechenden gutgläubigen Erwerb auch bei davon abweichender wirklicher Rechtslage: Zugunsten desjenigen, der auf Grund eines Rechtsgeschäfts in ein elektronisches Wertpapierregister eingetragen wird, gilt der Inhalt des elektronischen Wertpapierregisters als vollständig und richtig sowie der Inhaber als Berechtigter, es sei denn, dass dem Erwerber zum Zeitpunkt seiner Eintragung etwas anderes bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist (§ 26 Satz 1 eWpG). Die Richtigkeit und Vollständigkeit des Wertpapierregisters sowie die materielle Rechtsinhaberschaft des als Inhaber eingetragenen Veräußerers werden also zugunsten des Veräußerers gesetzlich vermutet. Geschützt wird außerdem der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis insoweit, als eine Verfügungsbeschränkung dem Erwerber gegenüber nur wirksam ist, wenn sie im elektronischen Wertpapierregister eingetragen oder dem Erwerber bekannt ist (§ 26 Satz 2 eWpG). Der Gutglaubensschutz erstreckt sich dabei auf das Nichtbestehen nicht eingetragener, relativer Verfügungsbeschränkungen, nicht jedoch auf sonstige (eintragungsfähige) Verfügungsbeschränkungen bzw. -hindernisse (siehe den ersten Teil dieses Beitrags).

Dieser Beitrag ist der vierte von insgesamt vier Teilen zur Vorstellung des eWpG. Die weiteren Teile finden Sie hier: Inkrafttreten und Bedeutung des eWpG für die Wertpapierpraxis (1/4), Anwendungsbereich des eWpG und elektronisches Wertpapier (2/4), Zentralregisterwertpapier und zentrales Register (3/4).

Tags: Einzeleintragung Emittent Register