21. Februar 2012
Gruppe von Menschen aus Vogelperspektive
Aktienrecht

Nach der Transparenz-Reform: Ende des Anschleichens an börsennotierte Unternehmen?

Das Recht zur Übernahme börsennotierter Unternehmen stand in den vergangenen Jahren stark im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Insbesondere die Übernahmeschlachten um Continental und Volkswagen haben viel Aufmerksamkeit erregt. Das lag auch daran, dass sich Schaeffler und Porsche mit Hilfe von auf Barausgleich gerichteten Derivatgeschäften heimlich große Aktienpakete gesichert hatten. Nach einer Erweiterung der Transparenzvorschriften des WpHG, die zum 1. Februar 2012 in Kraft getreten ist, dürfte ein solcher verdeckter Beteiligungsaufbau (auch als „Anschleichen“ oder „Creeping in“ bezeichnet) künftig nicht mehr möglich sein.

Die Neuregelung verschärft die bestehenden Offenlegungspflichten deutlich: Wer Instrumente hält, die ihm den Erwerb börsennotierter Aktien ermöglichen, muss dies bei Überschreiten bestimmter Beteiligungsschwellen der Gesellschaft mitteilen. Die Gesellschaft ist verpflichtet, diese Mitteilung zu veröffentlichen. Entsprechende Instrumente können beispielsweise Derivate, Swaps oder Optionsgeschäfte sein. Eine weitere Änderung stellt klar, dass auch Wertpapierleihen oder Pensionsgeschäfte offenzulegen sind. Während sich die bestehenden Vorschriften an starren Fallbeispielen orientieren, ist die neue Bestimmung wie eine Generalklausel formuliert und damit so umfassend, dass eine Umgehung der Offenlegungspflichten künftig kaum noch vorstellbar ist. Dies hat umgekehrt den Nachteil, dass viele Transaktionen erfasst sein könnten, die für ein Anschleichen überhaupt nicht geeignet sind – beispielsweise Vorkaufsrechte in Gesellschaftervereinbarungen oder bloße Absichtserklärungen im Vorfeld von M&A-Transaktionen. Daher ist wünschenswert, dass das Bundesfinanzministerium von der Möglichkeit Gebrauch macht, bestimmte Instrumente im Wege der Rechtsverordnung auszunehmen.

An der Reform wurde kritisiert, dass sie Übernahmen börsennotierter Unternehmen erschweren könnte. Dies ist für manche Transaktionen in der Tat nicht ausgeschlossen. Das Anschleichen zielt nämlich gerade darauf ab, die Übernahmekosten zu begrenzen. So ist mit dem Bekanntwerden des Erwerbsinteresses zumeist ein Anstieg des Börsenkurses verbunden, weil der Markt die Zahlung einer Übernahmeprämie erwartet. Dies kann den Übernehmer zwingen, einen höheren Kaufpreis anzubieten. Auch hat ein Angreifer, der bereits über eine erhebliche Beteiligung verfügt, einen Startvorteil: Die Verteidigungsbereitschaft des Managements wird geschwächt und das Risiko konkurrierender Angebote (sowie damit verbundener Preiskämpfe) sinkt. Umgekehrt ist die höhere Transparenz aus Sicht potentieller Zielgesellschaften und ihrer Aktionäre vorteilhaft. Auch werden Wettbewerbsverzerrungen infolge des unterschiedlichen Informationsstands der Marktteilnehmer verhindert – die Neuregelung ist daher auch aus Sicht des Anlegerpublikums zu begrüßen.

Tags: Anschleichen Beteiligungstransparenz creeping in Übernahme börsennotierter Unternehmen verdeckter Beteiligungsaufbau WpHG