Die zuständige Regierungskommission hat am vergangenen Mittwoch, den 15. Mai 2012, Änderungen am Deutschen Corporate Governance Kodex für börsennotierte deutsche Aktiengesellschaften beschlossen. Vorangegangen war erstmals die Einladung der Kommission an die Öffentlichkeit, ihre vorab publizierten Änderungsvorschläge zu kommentieren. Daraufhin gingen mehr als 70 Stellungnahmen von Aktiengesellschaften, Verbänden, Juristen und der Rechtswissenschaft ein, die teilweise in die finale Fassung der Kodexänderungen eingeflossen sind. Diese Mitwirkungsmöglichkeit dürfte die Akzeptanz des Kodex erhöhen und ist daher zu begrüßen.
Der oft erhobenen Forderung, den Kodex deutlich zu kürzen, ist die Kommission nicht nachgekommen. Eine Vielzahl der Anpassungen war durch Gesetzesänderungen erforderlich geworden, die seit Erlass der Vorgängerfassung in Kraft getreten sind – der Kodex fasst die geltende Gesetzeslage im Bereich der Corporate Governance in allgemein verständlicher Form zusammen. Daneben spricht der Kodex Empfehlungen aus, die international und national anerkannten Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung entsprechen sollen. Die bedeutendsten Änderungen in diesem Bereich betreffen die Vergütung des Aufsichtsrats und die Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern.
Bisher hatte der Kodex empfohlen, den Mitgliedern des Aufsichtsrats neben einer festen auch eine erfolgsorientierte Vergütung zuzusagen. Dies wurde vielfach kritisiert, weil der dadurch geschaffene Anreiz, die zugrundegelegten Unternehmenskennzahlen zu steigern, der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats zuwiderlaufen könnte. Für eine erfolgsorientierte Vergütung wird vorgebracht, dass der Aufsichtsrat auch eine beratende Funktion habe und an der Strategieplanung des Unternehmens beteiligt sei. Mit Streichung der genannten Empfehlung nimmt der Kodex in dieser Frage nunmehr eine neutrale Position ein.
Scharf kritisiert wurde in den Stellungnahmen der Änderungsvorschlag zur Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder. Danach sollte dem Aufsichtsrat eine angemessene Zahl unabhängiger Mitglieder angehören, wobei eine Unabhängigkeit in der Regel verneint wurde, wenn die betreffende Person oder das von ihr gesetzlich vertretene Unternehmen mit mindestens 10% der Aktien an der Gesellschaft beteiligt ist. Dies wurde als unvereinbar mit dem aktienrechtlichen Gefüge angesehen, das Minderheitsaktionäre z.B. bereits über die konzernrechtlichen Vorschriften vor Nachteilszufügungen durch herrschende Aktionäre schützt.
Offenbar hat diese Kritik gefruchtet, denn der Kodex beschränkt sich nun auf erhöhte Transparenzanforderungen: So soll der Aufsichtsrat bei seinen Wahlvorschlägen an die Hauptversammlung die persönlichen und geschäftlichen Beziehungen der Kandidaten zum Unternehmen, den Gesellschaftsorganen und wesentlichen Aktionären offenlegen. Ob ihm eine angemessene Zahl unabhängiger Mitglieder angehört, bleibt der Einschätzung des Aufsichtsrats – bzw. der Aktionäre im Rahmen ihrer Aufsichtsratswahl – überlassen.
Zwar soll die Unabhängigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds abzulehnen sein, wenn es in einer persönlichen oder geschäftlichen Beziehung zu einem kontrollierenden Aktionär steht, die einen wesentlichen Interessenkonflikt begründen kann. Kontrollierender Aktionär ist jedoch in der Regel nur ein Mehrheitsgesellschafter. Auch lässt sich die Begründung eines wesentlichen Interessenkonflikts durch die strikte Befolgung der aktienrechtlichen Vorgaben vermeiden. So sind die Aufsichtsratsmitglieder nicht an Weisungen gebunden, was auch gegenüber Großaktionären gilt, selbst wenn diese das Mitglied in den Aufsichtsrat gesandt haben. Auch sind sämtliche Entscheidungen des Aufsichtsrats ausschließlich am Unternehmensinteresse auszurichten (dies kann die Berücksichtigung der Interessen der Großaktionäre neben den Interessen der übrigen Stakeholder einschließen).