Gemäß § 24 GmbHG ist jedem Geschäftsanteil die Pflicht zur Ausfallhaftung immanent.
Mit Urteil vom 18. September 2018 (Az. II ZR 312/6) bleibt der BGH bei der Frage der Ausfallhaftung für Fehlbeträge der Stammeinlage nach § 24 GmbHG seiner Linie treu.
Er erweitert zu Gunsten des Gläubigerschutzes sogar den Anwendungsbereich. Die Ausfallhaftung soll auch diejenigen Gesellschafter erfassen, die ihre Gesellschafterstellung erst nach Fälligkeit der Einlageforderung, derentwegen das Kaduzierungsverfahren eingeleitet wurde, erworben haben. Kaduzierung bezeichnet den Zwangsausschluss von Gesellschaftern einer GmbH, die mit Zahlungen auf ihre Stammeinlage in Verzug sind. Soweit im Folgenden von der fälligen Einlageforderung gesprochen wird, ist damit stets die Einlageforderung gemeint, derentwegen das Kaduzierungsverfahren eingeleitet wird.
Die Ausfallhaftung gilt selbst dann, wenn zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Einlageforderung die Gesellschaft nur einen Gesellschafter hatte und die Haftenden erst durch Teilung und Veräußerung des Geschäftsanteils Mitgesellschafter wurden. Zudem stellt der BGH klar, dass auch die spätere Veräußerung des Geschäftsanteils die einmal begründete Ausfallhaftung nicht wieder entfallen lässt.
Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 24 GmbHG überrascht nicht
Schon im Jahr 2015 (BGH Urteil vom 19. Mai 2015 – II ZR 291/14) bestätigte der BGH, dass Mitgesellschafter einer GmbH bereits ab Fälligkeit der Einlageschuld nach § 24 GmbHG haften. Denn der Ausfallhaftungsanspruch entsteht bereits in diesem Zeitpunkt, zunächst aufschiebend bedingt auf den Eintritt der Voraussetzungen nach §§ 21-23 GmbHG. Hierdurch soll zur Sicherung der Kapitalaufbringung und im Interesse der Gläubiger verhindert werden, dass sich ein Mitgesellschafter seiner potentiellen Ausfallhaftung durch Übertragung seines Geschäftsanteils entzieht.
Im Lichte dieser Entscheidung verwundert die nunmehr vorgenommene – dogmatisch möglicherweise diskutable – Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 24 GmbHG nicht.
Insolvenzverwalter leitete Kaduzierungsverfahren ein und klagte auf Ausfallhaftung
Der BGH hatte folgenden Fall zu entscheiden: Der Alleingesellschafter H errichtete im Jahr 2004 die K-GmbH und erbrachte die sofort fällige Stammeinlage in Höhe von EUR 25.000. Bis zur Eintragung der K-GmbH flossen hiervon ca. EUR 18.000 an ihn zurück. Zudem bestand bei Eintragung eine Unterbilanz in Höhe von ca. EUR 32.600. Im Jahr 2005 teilte H seinen Geschäftsanteil in einen Anteil von EUR 17.500 (den er behielt) und zwei Anteile zu je EUR 3.750, die er an die Beklagten veräußerte. Im Jahr 2006 wurde über das Vermögen der K-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit Urteil aus dem Jahr 2012 erstritt der Kläger einen Titel gegen H und anteilig gegen die Beklagten auf Zahlung der noch offenen Einlagen und aufgrund der Unterbilanzhaftung. Unterbilanzhaftung bedeutet eine Haftung der Gesellschafter für entstandene Verluste vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister, soweit der Gesellschafter mit der vorzeitigen Aufnahme des Geschäftsbetriebs einverstanden war. Da eine Vollstreckung gegen den mittlerweile im Ausland lebenden H erfolglos blieb, leitete der Kläger das Kaduzierungsverfahren gegen H ein und reichte Klage gegen die Beklagten auf anteilige Ausfallhaftung für die gegen H titulierten Ansprüche aus Unterbilanzhaftung und Leistung der noch offenen Einlage ein. In erster Instanz gab das Landgericht der Klage vollumfänglich statt (LG Erfurt, Urteil vom 22. Juni 2015 – 1 HK O 154/14).
Die von den Beklagten eingelegte Berufung war erfolgreich (OLG Jena, Urteil vom 14. September 2016 – 2 U 544/15). Dass Berufungsgericht entschied, dass dem Kläger kein Anspruch auf Ausfallhaftung aus § 24 GmbHG gegen die Beklagten zustehe, da die Beklagten zur Zeit der Fälligkeit der Einlageforderung gegen H noch nicht Gesellschafter der K-GmbH waren.
Mit Verweis auf die Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2015 argumentierte das OLG Jena, dass für die Bestimmung der Gesellschaftereigenschaft im Sinne des § 24 GmbHG allein auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Einlageforderung abzustellen sei. Schuldner im Sinne des § 24 GmbHG seien nur diejenigen, die im Zeitpunkt der Fälligkeit der fraglichen Einlageschuld Mitgesellschafter des Kaduzierten waren. Es genüge nicht, dass die Gesellschaftereigenschaft zu einem Zeitpunkt vorhanden war, in dem die bereits eingetretene Fälligkeit der Einlageforderung fortbestanden habe.
BGH: Haftung gemäß § 24 GmbHG aufgrund der dem Geschäftsanteil immanenten Pflicht zur Ausfallhaftung
Dieser Argumentation erteilte der BGH nunmehr eine Absage. Der Erwerb der Geschäftsanteile nach Fälligkeit der Forderung steht einer Haftung als übriger Gesellschafter im Sinne des § 24 GmbHG nicht entgegen. Der BGH argumentiert, der Wortlaut des § 24 GmbHG enthalte keine Unterscheidung dahingehend, ob die übrigen Gesellschafter ihre Gesellschafterstellung vor oder erst nach Fälligkeit der Einlageforderung erworben haben. Schutzzweck des § 24 GmbHG sei die Sicherung der Kapitalaufbringung und der damit verknüpfte Gläubigerschutz. Um diesem Schutzzweck größtmögliche Geltung zu verschaffen, könne es keine Rolle spielen, zu welchem Zeitpunkt die mithaftenden Gesellschafter ihre Gesellschafterstellung erworben haben. Die Verantwortung treffe alle Mitgesellschafter, die ab Fälligkeit der Einlageforderung Mitglieder der Gesellschaft sind bzw. werden, bis der rückständige Betrag erbracht ist. Dabei stellte der BGH nochmals ausdrücklich klar, dass die Ausfallhaftung nach § 24 GmbHG nicht nur die offene Einlage, sondern auch den Anspruch aus Unterbilanzhaftung erfasst.
Entscheidend sei nicht die Stellung als Mitgesellschafter im Zeitpunkt der Fälligkeit, sondern die jedem Geschäftsanteil immanente Pflicht zur Ausfallhaftung, die bereits mit Fälligkeit der Einlageforderung aufschiebend bedingt entstehe und in Folge der Teilung auch den entstandenen Geschäftsanteilen innewohnt. Mit Veräußerung dieser Anteile haften die Erwerber dann als Mitgesellschafter im Rahmen des § 24 GmbHG.
Dies gilt nach Ansicht des BGH selbst dann, wenn es sich bei den Erwerbern nur um sog. „Zwischenerwerber″ handelt, d.h. wenn ein Gesellschafter seine Gesellschafterstellung nur in der Zeit zwischen Fälligkeit der Einlageforderung und dem Eintritt der Voraussetzungen nach §§ 21-23 GmbHG innehatte. Auch die Zwischenerwerber sollen sich von ihrer – wenn auch nur aufschiebend bedingt – entstanden Haftung auf Kapitalaufbringung nicht durch Veräußerung der Anteile wieder – ggf. sogar gezielt – lösen können.
Konsequenzen des BGH-Urteils: Erhöhte Aufmerksamkeit beim Erwerb von Geschäftsanteilen!
Durch die neue Entscheidung erfährt der Anwendungsbereich des § 24 GmbHG eine zeitliche Erweiterung zum Schutze der Gläubigerinteressen. Zugleich schränkt der BGH die Durchsetzbarkeit des Anspruchs ein, da er ihn der dreijährigen Regelverjährung gemäß §§ 195, 199 BGB unterwirft und – entgegen der überwiegenden Stimmen in der Literatur – die für die Einlageleistung geltende zehnjährige Sonderverjährung nach § 19 Abs. 6 GmbHG nicht analog anwendet.
Aufgrund der ohnehin strengen Ausfallhaftung der übrigen Gesellschafter bestehe kein Anlass die gesetzliche Regelverjährung durch eine analoge Anwendung der zehnjährigen Sonderverjährung zusätzlich zu verschärfen.
Für die Praxis bedeutet dieses Urteil erhöhte Aufmerksamkeit beim Erwerb von Geschäftsanteilen. Sofern bei Fälligkeit der Einlageforderung keine Gesellschafterstellung vorlag, konnten sich künftige Mitgesellschafter vor dem BGH-Urteil verhältnismäßig sicher sein, nicht nach § 24 GmbHG – weder für offene Einlagen noch aus Unterbilanz – zu haften; einer eingehenden Prüfung der Erfüllung der Einlageforderung bedurfte es nicht. Dies gilt nun nicht mehr, denn die Ausfallhaftung erfasst nun auch später erst hinzutretende Gesellschafter. Eine umfassende Prüfung der Einlagenerbringung ist damit unerlässlich geworden.