16. Oktober 2017
Bußgeld Compliance-Management-System
Corporate / M&A

BGH: Bußgeldmindernde Wirkung eines Compliance-Management-Systems

Im Fall von Compliance-Verstößen dürfen Unternehmen mit geringeren Geldbußen rechnen, wenn sie ein wirksames Compliance-Management-System vorweisen können.

Der BGH (Urteil vom 9. Mai 2017 – 1 StR 265/16) hat erstmals bestätigt, dass Unternehmen, die ein wirksames Compliance-Management-System (CMS) vorweisen können, im Fall von Compliance-Verstößen mit geringeren Geldbußen rechnen dürfen. Die Entscheidung hat für die Praxis eine ganz erhebliche Bedeutung.

Kein Unternehmensstrafrecht in Deutschland

Bislang existiert in Deutschland – anders als in anderen europäischen Ländern – kein Unternehmensstrafrecht. Ein Strafverfahren kann daher nur gegen eine natürliche Person, nicht aber gegen ein Unternehmen eingeleitet und geführt werden. Allerdings besteht mit der sogenannten Verbandsgeldbuße nach § 30 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) die Möglichkeit, im Falle von Straftaten von Leitungspersonen des Unternehmens finanzielle Sanktionen gegen das betroffene Unternehmen festzusetzen.

§ 30 OWiG ermöglicht die Festsetzung einer Geldbuße gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen in dem Fall, dass deren Repräsentanten eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begehen, wenn hierdurch die Pflichten des Unternehmens verletzt wurden oder durch die Pflichtverletzung eine Bereicherung eingetreten ist.

Die Norm ist weit gefasst und umfasst sämtliche für eine juristische Person bzw. für eine Personengesellschaft verantwortlich handelnden Personen, z.B. Vorstände, Geschäftsführer, vertretungsberechtigte und persönlich haftende Gesellschafter etc. Sofern eine Leitungsperson des Unternehmens im Zusammenhang mit ihrer unternehmerischen Tätigkeit eine vorsätzliche Straftat begeht, kann gegen das Unternehmen nach § 30 OWiG eine Verbandsgeldbuße von bis zu EUR 10.000.000 festgesetzt werden.

Dieses gesetzlich angedrohte Höchstmaß kann überschritten werden, um aus der Tat erlangte wirtschaftliche Vorteile abzuschöpfen. Sofern z.B. durch Bestechungszahlungen Aufträge erlangt werden, können die im Zuge dieser Aufträge erlangten Gewinne vollständig durch die staatlichen Behörden abgeschöpft werden.

Erlangung von Aufträgen durch Amtsträger-Bestechung in Griechenland

In der vorliegenden Entscheidung hatte sich der BGH mit gegen Leitungspersonen eines Rüstungsunternehmens (R) erhobenen Bestechungs- und Steuerhinterziehungsvorwürfen zu befassen. Hintergrund war ein durch R im Jahr 2001 mit dem griechischen Staat durchgeführtes Rüstungsgeschäft.

Nach den Feststellungen im Urteil der Vorinstanz (Landgericht München) lag dem Rüstungsgeschäft eine Bestechungsabrede zwischen der Geschäftsleitung von R und dem griechischen Verteidigungsminister zugrunde. Der Angeklagte, ein Prokurist und leitender Angestellter bei R, wurde wegen Steuerhinterziehung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Die Verurteilung wurde darauf gestützt, er habe dabei mitgewirkt, dass die als Provisionszahlungen getarnten Bestechungszahlungen in den Steuererklärungen von R steuermindernd berücksichtigt wurden. Nach den steuerrechtlichen Vorgaben dürfen Bestechungszahlungen nicht als Betriebsausgaben abgesetzt werden.

Aufhebung der festgesetzten Geldbuße durch den BGH

Die Vorinstanz hatte gegen R unter Bezugnahme auf die Steuerhinterziehung des Angeklagten eine Geldbuße nach § 30 OWiG in Höhe von EUR 175.000 festgesetzt. Diese hob der BGH auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin auf.

Der BGH begründete die Aufhebung damit, die Vorinstanz habe die Geldbuße rechtsfehlerhaft und zum unberechtigten Vorteil der R allein nach der Schuld des Angeklagten bemessen. Dagegen habe es die durch die Geschäftsführer von R verwirklichten Handlungen, die einen wesentlich höheren Unrechtsgehalt aufwiesen, nicht berücksichtigt. Ausgangspunkt für die Bemessung der Geldbuße gegen ein Unternehmen ist nach dem Urteil des BGH folglich die Schuld aller an der Anknüpfungstat beteiligten Leitungspersonen.

Bußgeldmindernde Wirkung eines Compliance-Management-Systems

Die Ausführungen zur Einrichtung von Compliance-Management-Systemen folgen erst am Ende des Urteils und sind relativ kurz gehalten. Dennoch sind gerade diese Ausführungen für die Praxis so wichtig, da der BGH zum ersten Mal bestätigt, dass ein CMS bei der Bemessung der Höhe einer Geldbuße nach § 30 OWiG Berücksichtigung finden kann. Der BGH weist ausdrücklich darauf hin, dass für die Frage der Höhe einer Geldbuße nach § 30 OWiG von Bedeutung ist, inwiefern ein Unternehmen seiner Pflicht, Rechtsverletzungen aus der Sphäre des Unternehmens zu unterbinden genügt und ein effizientes sowie auf die Vermeidung von Rechtsverstößen ausgelegtes Compliance-Management eingerichtet hat.

Seit mehreren Jahren wird über diese Frage intensiv diskutiert, eine gesetzliche Regelung hierzu existiert bislang nicht. In einer vielbeachteten zivilrechtlichen Entscheidung hatte das Landgericht München im Jahr 2013 entschieden, dass die Einrichtung eines CMS grds. zu den Organisationspflichten eines Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft gehört (Urteil vom 10. Dezember 2013 – 5 HKO 1387/10). Andere Länder, z.B. Großbritannien im UK Bribery Act 2010, sehen Exkulpationsmöglichkeiten für Unternehmen im Falle der Einrichtung eines effektiven CMS ausdrücklich vor.

Leitlinien des BGH zur Optimierung eines Compliance-Management-Systems

Folgerichtig weist der BGH darauf hin, dass nicht nur ein bei Begehung der Compliance-Verstöße bereits vorhandenes CMS bußgeldmindernd berücksichtigt werden kann. Vielmehr können auch Handlungen oder Maßnahmen berücksichtigt werden, die erst nach Bekanntwerden der Compliance-Verstöße oder nach Einleitung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens ergriffen werden.

Allerdings wird ein Unternehmen kaum eine signifikante bußgeldmindernde Wirkung erzielen können, wenn es nach Auftauchen von Compliance-Verstößen erstmalig Compliance-Maßnahmen ergreift und ein CMS implementiert.

Der BGH gibt zugleich Leitlinien für die von einem Unternehmen in einem solchen Fall zu ergreifenden Maßnahmen an die Hand. Hiernach muss das Unternehmen in der Folge der aufgedeckten Compliance-Verstöße oder eines eingeleiteten Ermittlungsverfahrens die bestehenden Regelungen optimieren und die betriebsinternen Abläufe so gestalten, dass vergleichbare Normverletzungen zukünftig zumindest deutlich erschwert werden. Das Ziel der Optimierung des CMS muss also die Verhinderung bzw. deutliche Erschwerung vergleichbarer Verstöße in der Zukunft sein.

Abstimmung des Compliance-Management-Systems auf die Besonderheiten und Risikofelder des Unternehmens

Die Formulierungen des BGH sind in Bezug auf die Anforderungen an ein CMS recht allgemein gehalten. Ein CMS soll danach effizient und auf die Vermeidung von Rechtsverstößen ausgelegt sein. Diese allgemeine Formulierung des BGH umschreibt im Ergebnis aber die Praxisherausforderungen bei der Einrichtung von Compliance-Management-Systemen in zutreffender Weise.

In der Praxis existiert nicht „das CMS″, das sich entsprechend auf eine Vielzahl von Unternehmen übertragen lässt. Ein CMS muss demnach stets auf die Besonderheiten und Risikofelder des einzelnen Unternehmens abgestimmt sein. Festhalten kann man demnach: Je passgenauer ein CMS bzw. die Optimierung eines CMS auf die konkret aufgedeckten Rechtsverstöße abzielt, desto größer wird die zu erzielende bußgeldmindernde Wirkung sein.

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