Der BGH hat entschieden: Das Nachreichen der Schlussbilanz bei einer Umwandlung ist möglich - Ein Lichtblick für Unternehmen in Eile?
Im August herrscht bei den Registergerichten regelmäßig Hochbetrieb. Der Grund: Viele Unternehmen versuchen, ihre Umwandlungsmaßnahme – insbesondere Verschmelzungen oder Spaltungen – spätestens bis zum 31. August beim Handelsregister anzumelden.
Warum der 31. August bei Umwandlungen so relevant ist
Der Anmeldung einer Umwandlungsmaßnahme muss gem. § 17 Abs. 2 UmwG eine Schlussbilanz beigefügt werden. Nach § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG darf der Stichtag der Schlussbilanz höchstens acht Monate vor der Anmeldung zur Eintragung liegen. Bei den meisten Unternehmen entspricht das Geschäftsjahr dem Kalenderjahr, so dass diese regelmäßig ihren Jahresabschluss mit Stichtag 31. Dezember erstellen. Dieser Jahresabschluss kann als Schlussbilanz im Sinne des Umwandlungsgesetzes genutzt werden. In diesem Fall muss die Anmeldung bis zum 31. August erfolgen.
Neben dem Vorteil, so den Jahresabschluss als Schlussbilanz nutzen und sich damit zusätzlichen Aufwand zur Erstellung einer weiteren Schlussbilanz ersparen zu können, hat dieses Vorgehen auch steuerliche Implikationen: Der steuerliche Übertragungsstichtag entspricht dem Stichtag der Schlussbilanz, die der Umwandlungsmaßnahme zugrunde liegt. Ist Stichtag der Schlussbilanz der 31. Dezember, können also die steuerlichen Effekte der Umwandlung auf einen früheren Zeitpunkt zurückbezogen werden. Das kann für Unternehmen erhebliche Vorteile bringen: So lassen sich etwa Verlustvorträge optimal nutzen und Jahresergebnisse optimieren.
In der Praxis bereitet die Einhaltung der Achtmonatsfrist hinsichtlich der Vorlage der Schlussbilanz jedoch vielen Unternehmen erhebliche Schwierigkeiten. Der Jahresabschluss zum 31. Dezember des Vorjahres muss nicht nur vollständig erstellt, sondern je nach Rechtsform und Unternehmensgröße auch geprüft und festgestellt werden. Gerade bei größeren Unternehmen verzögert sich der Abschlussprozess häufig – etwa durch die Einbindung externer Wirtschaftsprüfer, komplexe Konzernstrukturen oder die Abhängigkeit vom Abschluss anderer Gesellschaften innerhalb des Konzerns. Wenn die Zeit knapp wird, stellt sich regelmäßig die Frage: Muss die (aufgestellte, festgestellte und ggf. geprüfte) Schlussbilanz bereits bei der Anmeldung der Umwandlung vorliegen – oder darf sie später aufgestellt und dann nachgereicht werden?
Der BGH bringt nun endlich Klarheit: Mit seinem Beschluss vom 18. März 2025 – II ZB 1/24 – hat er einen langen Streit zur Möglichkeit der Nachreichung der Schlussbilanz bei der Anmeldung einer Umwandlungsmaßnahme entschieden. Das Ergebnis: Die Schlussbilanz darf nachgereicht werden, selbst wenn sie zum Zeitpunkt der Anmeldung noch nicht aufgestellt war. Eine große Erleichterung für die Praxis.
OLG Düsseldorf: Die der Anmeldung beizufügende Bilanz muss bereits im Zeitpunkt der Anmeldung vorhanden sein
Hintergrund der Entscheidung war der Antrag einer GmbH, ihre Verschmelzung auf ihren Alleingesellschafter in das Handelsregister einzutragen. Der Antrag ging am 30. August 2023 beim Registergericht ein, als Verschmelzungsstichtag war der 31. Dezember 2022 vorgesehen. Dem Antrag fehlte allerdings die Bilanz zum Stichtag 31. Dezember 2022, wie es § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG fordert.
Das Registergericht erließ daraufhin eine Zwischenverfügung und setzte dem Antragsteller eine Frist von einem Monat zur Nachreichung der Bilanz. Nach dem fruchtlosen Ablauf der in der Zwischenverfügung gesetzten Monatsfrist wies das Registergericht den Eintragungsantrag zurück. Die GmbH legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und reichte nunmehr eine am 27. Oktober 2023 von der Gesellschafterversammlung festgestellte Bilanz zum 31. Dezember 2022 nach. Die Beschwerde blieb jedoch erfolglos.
Das OLG Düsseldorf begründete die Zurückweisung der Beschwerde damit, dass die Bilanz nicht die Anforderung von § 17 Abs. 2 Satz 1 und Satz 4 UmwG erfülle, da sie erst fast zwei Monate nach der Anmeldung der Verschmelzung erstellt worden sei. Aus dem Wortlaut von § 17 Abs. 2 Satz 1 UmwG folge, dass die der Anmeldung beizufügende Bilanz bereits im Zeitpunkt der Anmeldung vorhanden, d.h. festgestellt und vom Geschäftsführer unterzeichnet sein müsse.
Dem widersprach der BGH, auch wenn dies im hiesigen Fall aus anderen Gründen am Ergebnis nichts änderte.
Müssen tatsächlich alle Unterlagen bereits bei der Anmeldung der Umwandlung vorliegen?
Einigkeit herrscht in Literatur und Rechtsprechung darüber, dass die Anmeldung einer Umwandlungsmaßnahme nicht so vollständig bei Gericht eingehen muss, dass sie ohne Weiteres zu einer Eintragung führt. Insofern können fehlende Unterlagen auch noch nachgereicht werden. Das Registergericht ist gehalten, eine Zwischenverfügung zu erlassen.
Ein Nachschieben von Unterlagen ist jedoch nur möglich, soweit es sich nicht um die Essentialia, also die wesentlichen Bestandteile eines jeden Umwandlungsvorgangs handelt, wie den Verschmelzungsvertrag und die Zustimmungsbeschlüsse der Anteilsinhaber. Diese müssen bereits bei der Anmeldung vorliegen und dürfen auch nicht an schwerwiegenden Fehlern leiden. Ob auch die Schlussbilanz zu diesen Essentialia gehört, ist bisher umstritten gewesen.
§ 17 Abs. 2 Satz 1 UmwG gibt insoweit lediglich vor, dass der Anmeldung eine Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers beizufügen ist. § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG statuiert, dass das Registergericht die Verschmelzung nur eintragen darf, wenn die Bilanz auf einen höchstens acht Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt worden ist. Gemäß dem Verweis in § 125 Abs. 1 Satz 1 UmwG findet § 17 UmwG auch bei Spaltungen Anwendung. Mehr lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.
Die Schlussbilanz als Essentiale einer Umwandlungsmaßnahme?
Teilweise wird vertreten, dass die Schlussbilanz zu den Essentialia eines Umwandlungsvorgangs gehöre, die innerhalb der Frist des § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG eingegangen sein müsse. Anderenfalls liege ein nicht behebbares Eintragungshindernis vor. Eine Nachreichung nach Ablauf der in § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG normierten Frist sei daher insgesamt nicht möglich. Hiernach musste die Schlussbilanz bereits mit der Anmeldung aufgestellt und festgestellt sein.
Möglichkeit zur Nachreichung der Schlussbilanz
Nach der wohl herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist hingegen die Nachreichung der Schlussbilanz auch nach Ablauf der Achtmonatsfrist zulässig. Voraussetzung ist, dass diese Nachreichung alsbald, kurzfristig bzw. zeitnah erfolgt.
Innerhalb dieser Ansicht ist jedoch weiterhin umstritten, ob die Schlussbilanz zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits aufgestellt und festgestellt sein muss. Dies wird teilweise mit dem Argument bejaht, eine Aufstellung der Schlussbilanz erst nach dem Ablauf der Acht-monatsfrist widerspreche dem Sinn und Zweck des § 17 Abs. 2 S.4 UmwG, den Gläubigern und Anteilsinhabern eine zeitnahe Information über den Vermögensstand des übertragenden Rechtsträgers zu bieten. Allerdings hat diese Ansicht in der praktischen Umsetzung nur geringe Relevanz: Denn liegt die Schlussbilanz zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits vor, wird sie in der Regel ohnehin direkt mit eingereicht.
Die überwiegende Meinung lehnt eine Pflicht zur Aufstellung bis zum Anmeldezeitpunkt ab.
Aufstellung und Nachreichung der Schlussbilanz nach dem Ablauf der Achtmonatsfrist möglich
Der BGH hat sich nun der zuletzt genannten Auffassung angeschlossen: Eine Nachreichung der Schlussbilanz nach Anmeldung ist möglich – unabhängig davon, ob die Schlussbilanz zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits aufgestellt war. Um das Ergebnis juristisch sauber herzuleiten, geht der BGH zunächst lehrbuchartig den bekannten vierstufigen Auslegungskanon durch und stellt dabei beeindruckend praxisrelevante Bezüge her.
Zwar spreche der Wortlaut von § 17 Abs. 2 Satz 1 UmwG dafür, dass die Schlussbilanz grundsätzlich mit der Anmeldung einzureichen sei („ist beizufügen“). Jedoch folge hieraus kein unbehebbares Eintragungshindernis. Ebenso wenig verhalte sich § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG zu der zweiten Frage, ob die Schlussbilanz bereits im Zeitpunkt der Anmeldung erstellt sein müsse. Hieraus folge nur, dass sie auf einen höchstens acht Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt sein muss, jedoch nicht, wann die Aufstellung erfolgen muss.
Auch die Gesetzesmaterialien seien zu diesen Fragen unergiebig.
Aus dem Sinn und Zweck von § 17 Abs. 2 Satz 1 und Satz 4 UmwG, welcher ohnehin umstritten sei, folge nicht, dass eine Nachreichung nicht möglich sei. Den Interessen der Gläubiger an einer zeitnahen Information über die Vermögensverhältnisse des übertragenden Rechtsträgers würde bereits hinreichend durch die Höchstfrist von acht Monaten für den Abstand zwischen dem Bilanzstichtag und der Anmeldung Rechnung getragen. Die kleine Verzögerung durch das Nachreichen sei insofern unerheblich und könne auch durch das Nachreichen anderer Unterlagen eintreten. An dieser Stelle zieht der BGH einen praxisrelevanten Vergleich, denn er legt richtigerweise dar, dass demgegenüber die Zurückweisung der Anmeldung eine erhebliche Beeinträchtigung der Interessen der Beteiligten darstellen würde. Eine solch schwerwiegende Zurückweisung könne nicht durch die lediglich kleine Verzögerung aufgrund des Nachreichens der Schlussbilanz gerechtfertigt werden. Auch die Gläubigerinteressen seien nicht gefährdet, soweit die Schlussbilanz auf den Bilanzstichtag aufgestellt sei und zeitnah nachgereicht werde. Letztlich sei auch unerheblich aus welchen Gründen die Schlussbilanz nicht bei der Anmeldung eingereicht wurde; insbesondere aus Gläubigersicht spiele dies keine Rolle.
Ein Blick nach vorn: Die zeitnahe Nachreichung der Schlussbilanz
Eine der wichtigsten Fragen für die Praxis lautet künftig: Bis wann ist die Nachreichung der Schlussbilanz noch möglich? Die Antwort des BGH: zeitnah – ein auslegungsbedürftiger Rechtsbegriff.
Doch der BGH konkretisiert den Begriff weiter. Eine Nachreichung sei als zeitnah anzusehen, wenn sie innerhalb einer durch Zwischenverfügung nach § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG, § 25 Abs. 1 Satz 3 HRV gesetzten angemessenen Frist erfolge.
Im vorliegenden Fall hatte das Registergericht dem Antragsteller in einer Zwischenverfügung eine mit einem Monat bemessenen Frist zur Nachreichung gesetzt. Hierbei handelt es sich nach dem BGH um eine angemessene Frist. Hätte der Antragsteller die Schlussbilanz innerhalb dieses Monats nachgereicht, wäre die Nachreichung zeitnah erfolgt. Tatsächlich wurde diese Frist jedoch nicht eingehalten. Daher blieb die Beschwerde im vorliegenden Fall ohne Erfolg.
Ob die Frist noch länger als einen Monat ausfallen könnte, bleibt unklar und dürfte stets von einer Einzelfallentscheidung des Gerichts abhängen. Insoweit bleibt eine gewisse Rechtsunsicherheit.
Warum die Nachreichung eine Ausnahme bleiben sollte
Die Argumentation des BGH ist juristisch überzeugend und bezieht praxisnahe Erwägungen mit ein. Darüber hinaus schafft die Entscheidung mehr Rechtssicherheit. Da die Möglichkeit zur Nachreichung der Schlussbilanz jedoch zeitlich auf die in der Zwischenverfügung gesetzte Frist beschränkt ist, hat der übertragende Rechtsträger nur einen überschaubaren Zeitraum „hinzugewonnen“, dessen genaue Dauer zudem grundsätzlich vom Registergericht vorgegeben wird und daher unsicher ist. Ziel sollte es daher weiterhin sein, die Schlussbilanz bereits mit der Anmeldung einzureichen. Nur wenn dieses Ziel in Ausnahmefällen knapp verfehlt wird, sollte der vorliegende Beschluss beruhigend wirken.