18. Oktober 2023
grenzüberschreitender Formwechsel
Grenzüberschreitende Umwandlungen

Endlich Regelungen für grenzüberschreitende Formwechsel

Durch das UmRUG wurden endlich harmonisierte gesetzliche Regelungen für den grenzüberschreitende Formwechsel erlassen.

Mit dem Inkrafttreten des UmRUG (Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie) am 1. März 2023 regelt das Umwandlungsgesetz in den §§ 333 UmwG ff. nunmehr erstmalig den grenzüberschreitenden Formwechsel. Damit ist endlich eine rechtssichere Umsetzung solcher Strukturmaßnahmen möglich. Für viele Unternehmen und Konzerne, die bislang aufgrund der unsicheren Rechtslage Abstand von einem grenzüberschreitenden Formwechsel genommen haben, bietet sich damit eine weitere attraktive Gestaltungsmöglichkeit. 

Vielfältige Vorteile eines grenzüberschreitenden Formwechsels 

Bei einem grenzüberschreitenden Formwechsel wandelt die betroffene Gesellschaft ihre Rechtsform in die Rechtsform eines anderen EU/EWR-Staats umund verlegt dadurch dabei gleichzeitig ihren Satzungssitz in diesen EU/EWR-Staat. Die Verlegung des Verwaltungssitzes, also des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung, ist nach deutschem Recht dabei in der Regel nicht erforderlich, kann jedoch aus anderen Gründen, insbesondere praktischen oder steuerlichen Gründen notwendig oder sinnvoll sein. Der große Vorteil des grenzüberschreitenden Formwechsels – auch bspw. gegenüber grenzüberschreitenden Verschmelzungen – ist, dass die Gesellschaft wie beim nationalen Formwechsel ihre rechtliche Identität beibehält; es findet somit kein Wechsel des Rechtsträgers statt. Bildlich gesprochen legt die juristische Person an der Grenze ihr altes Rechtskleid ab und streift sich nach Grenzübertritt ein neues Rechtskleid über, die Person bleibt jedoch dieselbe (sog. Rechtsträgeridentität).

Grenzüberschreitende Formwechsel wurden bereits seit den Entscheidungen des EuGH zur Zulässigkeit solcher Maßnahmen (insbesondere die VALE-Entscheidung aus dem Jahr 2012 und die Polbud-Entscheidung aus dem Jahr 2017) in der Praxis durchgeführt. Mangels gesetzlicher Regelungen dafür war die Praxis zur Umsetzung jedoch sehr uneinheitlich und unterschied sich von Handelsregister zu Handelsregister teilweise erheblich. Damit bedurfte bis zum Inkrafttreten des UmRUG jeder grenzüberschreitende Formwechsel einer aufwändigen Abstimmung mit den Notaren und zuständigen Handelsregistern. Da Letzteres in vielen Fällen nicht möglich war und zudem gleichzeitig auch das (nicht harmonisierte) Recht eines weiteres EU/EWR-Staats berücksichtigt werden musste, waren die Maßnahmen bis zur Wirksamkeit häufig mit erheblichen Rechtsunsicherheiten verbunden. 

Trotz dieser Unsicherheiten wagten viele Unternehmen den grenzüberschreitenden Formwechsel. Denn dieser bietet unter mehreren Aspekten eine attraktive Gestaltungsmöglichkeit. Nach unserer Erfahrung und Beobachtung aus der Praxis sind insbesondere folgende Treiber relevant:

  • Optimierung und Vereinheitlichung des regulatorischen Umfelds: Durch die Verlegung des Satzungssitzes in ein anderes regulatorisches Umfeld, bspw. in das der Konzernholding, können Synergien genutzt und Kosten reduziert werden. 
  • Etablierung eines europäischen Regimes für die Unternehmensmitbestimmung.
  • Immobiliengesellschaften: In der Praxis werden Inbound-Immobilieninvestments oftmals steuerinduziert durch ausländische Gesellschaften getätigt. Die Verlegung des Verwaltungssitzes einer deutschen Immobiliengesellschaft ins Ausland aus steuerlichen Gründen erfolgt dabei regelmäßig nicht isoliert, sondern unter gleichzeitiger Verlegung des Satzungssitzes im Rahmen eines grenzüberschreitenden Formwechsels.
  • Wegzug von Cash-Gesellschaften mit ausländischen Anteilseignern: Bei Verlegung von sowohl Satzungs- als auch Verwaltungssitz können Cash-Bestände der formwechselnden Gesellschaft u.U. steuerlich begünstigt an ausländische Anteilseigner ausgeschüttet werden.
  • Wegzug von Gesellschaften in der Krise: Durch einen grenzüberschreitenden Formwechsel können ggf. einfacher und mit geringeren steuerlichen Risiken Restrukturierungs- oder Liquidationsmaßnahmen durchgeführt werden.

Möglichkeit eines Formwechsels mit Drittstaaten

Der grenzüberschreitende Formwechsel ist aus deutscher Sicher weiterhin nur zulässig, sofern dieser innerhalb des EU/EWR-Raums stattfindet. Ein grenzüberschreitender Formwechsel in einen Drittstaat ist derzeit auf der Basis des deutschen Umwandlungsgesetzes nicht möglich.

Jedoch ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine Verlegung des Satzungssitzes in einen Drittstaat unter gleichzeitigem Hinausformwechsel mittelbar über Zwischenschaltung eines Hinausformwechsels zunächst in einen EU/EWR-Staat und einen anschließenden weiteren Hinausformwechsel aus dem EU/EWR-Staat in den Drittstaat erfolgen kann. So ist ein grenzüberschreitender Formwechsel mit einem Drittstaat beispielsweise in bestimmten Fällen in Österreich, Luxemburg oder Belgien möglich. Bei einem Hereinformwechsel aus einem Drittstaat unter Zwischenschaltung eines vorgelagerten Formwechsels in einen EU/EWR-Staat ist allerdings fraglich, ob dies nach deutschem Recht möglich ist, da der übertragende Rechtsträger gem. § 306 Nr. 1 UmwG nach dem Recht eines EU/EWR-Staates gegründet worden sein muss. Diese Fälle werden bis auf Weiteres einer Abstimmung mit den Handelsregistern bedürfen.

Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Formwechsels von Personengesellschaften

Die Regelungen des deutschen Umwandlungsgesetzes eröffnen nur Kapitalgesellschaften die Möglichkeit eines identitätswahrenden grenzüberschreitenden Formwechsels. Einzelfälle, in denen sich der Anwendungsbereich auch auf Personengesellschaften ausweitet, wie bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung, gibt es nicht. Im Anwendungsbereich des Umwandlungsgesetzes verbleibt in diesen Fällen die Möglichkeit, einen solchen Formwechsel über den Umweg eines vorgelagerten nationalen Formwechsels in eine Kapitalgesellschaft durchzuführen.

Ablauf eines grenzüberschreitenden Formwechsels

Der grundsätzliche Ablauf eines grenzüberschreitenden Formwechsels orientiert sich im Wegzugsstaat im Wesentlichen an den Vorgaben zur grenzüberschreitenden Verschmelzung und gliedert sich damit in die drei Bausteine: 

VorbereitungBeschlussfassungRechtmäßigkeitskontrolle

Analog zur grenzüberschreitenden Verschmelzung wurde bei der Ausgestaltung der Regelungen zum grenzüberschreitenden Formwechsel durch die zugrundeliegende EU-Richtlinie ein besonderes Augenmerk auf den Schutz der Minderheitsgesellschafter, die Ausgestaltung des Gläubigerschutzes und die Stärkung der Arbeitnehmerrechte gelegt. Insoweit bietet sich ein Blick in den Blog-Beitrag zur grenzüberschreitenden Verschmelzung an, der die wesentlichen Neuerungen in diesen Bereichen darstellt.

Im Zuzugsstaat sind zudem die Gründungsvorschriften für die jeweilige gewählte neue Rechtsform der Gesellschaft, insbesondere die anwendbaren Kapitalaufbringungsregelungen, zu beachten. Insgesamt sind somit zeitlich für einen grenzüberschreitenden Formwechsel je nach Konstellation ca. 6 bis 12 Monate einzuplanen.

Mitbestimmung

Die Mitbestimmung im Rahmen grenzüberschreitender Formwechsel regelt das neue Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung (MgFSG). Die Regelungen sind konzeptionell weitgehend identisch mit den Regelungen über die Mitbestimmung bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen nach dem MgVG. 

Daher muss unter bestimmten Voraussetzungen ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren in der formwechselnden Gesellschaft durchgeführt werden, mit dem Ziel, eine Vereinbarung zwischen der Unternehmensleitung und den Arbeitnehmern (vertreten durch das sog. besondere Verhandlungsgremium – BVG) über die Mitbestimmung zu verhandeln und abzuschließen. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, greift eine gesetzliche Auffanglösung, die den bisher im formwechselnden Rechtsträger geltenden Mitbestimmungsstatus absichert (Vorher-Nachher-Prinzip). Die Verhandlungen können bis zu sechs Monate und bei einvernehmlicher Verlängerung sogar bis zu einem Jahr dauern.

Voraussetzungen für das Beteiligungsverfahren

Ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren ist bei einem grenzüberschreitenden Formwechsel durchzuführen, wenn die formwechselnde Gesellschaft

  • bereits mitbestimmt war oder
  • mindestens 4/5 des Arbeitnehmer-Schwellenwerts erreichte, der nach dem Recht des Wegzugsstaats die Mitbestimmung der Arbeitnehmer auslöst.

Die 4/5-Regelung soll verhindern, dass sich Unternehmen kurz vor Erreichen einer mitbestimmungsrelevanten Schwelle durch einen grenzüberschreitenden Formwechsel der drohenden Mitbestimmung entziehen. Beim Scheitern der Verhandlungen führt die gesetzliche Auffanglösung in diesem Fall aber grds. nicht zur Mitbestimmung. Dieser Status wird dann vorbehaltlich nachfolgender Umwandlungen auch eingefroren.

Im Unterschied zu den Regelungen für grenzüberschreitende Verschmelzungen kann die Unternehmensleitung des formwechselnden Rechtsträgers das Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren nicht „überspringen″ und die gesetzlichen Auffangregelungen zur Geltung kommen lassen, wenn der formwechselnde Rechtsträger bereits mitbestimmt war. Das Beteiligungsverfahren ist also in jedem Fall durchzuführen, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen. 

Sicherung von Mitbestimmungsrechten durch Missbrauchskontrolle

Unternehmen, die mind. 4/5 des relevanten nationalen Schwellenwerts für die Mitbestimmung erreichen, wird der grenzüberschreitende Formwechsel also erschwert. Sie müssen ein Verfahren zur Sicherung von Mitbestimmungsrechten durchführen, obwohl solche Mitbestimmungsrechte (noch) gar nicht bestehen.

Der deutsche Gesetzgeber baut für solche Unternehmen noch eine weitere Hürde auf: Anhaltspunkt für einen missbräuchlichen grenzüberschreitenden Formwechsel soll nämlich sein, dass

die Zahl der Arbeitnehmer mindestens vier Fünftel des für die Unternehmensmitbestimmung maßgeblichen Schwellenwerts beträgt, im Zielland keine Wertschöpfung erbracht wird und der Verwaltungssitz in Deutschland verbleibt.

Diese Regelung zur Missbrauchskontrolle findet keine Stütze in der Umwandlungsrichtlinie. Sie dürfte unionsrechtswidrig sein. Nichtsdestotrotz muss man sich in der Praxis in einschlägigen Konstellationen nunmehr damit auseinandersetzen. Bei grenzüberschreitenden Formwechseln soll der Verwaltungssitz nämlich häufig im Wegzugsstaat verbleiben und nur der satzungssitz verlegt werden – eine Konstellation, die durch den EuGH in seiner Polbud-Entscheidung ausdrücklich als zulässig angesehen wurde.

Steuern nicht vergessen!

Der grenzüberschreitende (homogene) Formwechsel bringt im Vergleich zur grenzüberschreitenden Verschmelzung einige steuerliche Vorteile mit sich. Aufgrund der Rechtsträgeridentität ist der Formwechsel – zumindest nach deutschen steuerlichen Maßstäben – kein steuerbarer Realisationsvorgang. Mangels Anwendbarkeit der steuerlichen Regelungen zur Verschmelzung haben die beteiligten Rechtsträger keine Schlussbilanz zu erstellen und keinen Buchwertantrag für die Steuerneutralität einzureichen. Es kann ferner zu keiner Zwangsabschreibung auf niedrigere Werte kommen und eine steuerliche Rückwirkung ist nicht möglich. Auch gehen ungenutzte (steuerliche) laufende Verluste sowie Verlust-, Zins- und EBITDA-Vorträge nicht unter und bei inländischem Grundbesitz wird durch den grenzüberschreitenden Formwechsel auch keine Grunderwerbsteuer ausgelöst.

Bei Verlegung lediglich des Satzungssitzes ins Ausland unter Beibehaltung des Verwaltungssitzes (bzw. des Orts der Geschäftsleitung) in Deutschland ergeben sich in Deutschland in der Regel keine unmittelbaren steuerlichen Auswirkungen. Gleichwohl ist es ratsam zu prüfen, ob sich in bestimmten Konstellationen mögliche Auswirkungen im Zusammenhang mit einer steuerlichen Doppelansässigkeit ergeben können (bspw. bei der Dividendenbesteuerung). 

Sofern im Zusammenhang mit der Verlegung des Satzungssitzes zusätzlich auch der Verwaltungssitz bzw. der Ort der Geschäftsleitung von Deutschland heraus ins Ausland verlagert wird, führt dies zu einem Wechsel der steuerlichen Ansässigkeit der Gesellschaft (steuerlicher Wegzug). In diesem Zusammenhang wäre zu prüfen, inwiefern in Deutschland eine Betriebsstätte zurückbleibt (mit der Folge einer künftigen Betriebsstättengewinnaufteilung) und ob es zu einer steuerpflichtigen Verlagerung bzw. abweichenden Zuordnung von Wirtschaftsgütern von Deutschland hinaus ins Ausland kommt. Ferner wäre zu prüfen, inwieweit eine Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen (DAC 6) besteht. 

Aus Sicht der Gesellschafter der formwechselnden Gesellschaft liegt (anders als bei der Verschmelzung) kein Anteilstausch vor, so dass auch mögliche stille Reserven in den Anteilen nicht steuerpflichtig aufgedeckt werden und Haltefristen allein aufgrund des Formwechsels in der Regel nicht verletzt werden.

Zahl grenzüberschreitender Formwechsel wird weiter zunehmen

Insgesamt ist bei der Planung eines grenzüberschreitenden Formwechsels daher stets zu empfehlen, eine sorgfältige Prüfung im Dreiklang aus Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht und Steuerrecht vorzunehmen. Nachdem schon bisher grenzüberschreitende Formwechsel auf Basis der EuGH-Rechtsprechung häufiger durchgeführt wurden, werden sie mit der Schaffung gesetzlicher Regelungen weiter zunehmen und sich als gängige Strukturmaßnahme weiter etablieren.

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* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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