16. August 2017
Dokumentation grenzüberschreitender Formwechsel
Corporate / M&A

Der grenzüberschreitende Herein-Formwechsel: Die erforderliche Dokumentation

Bei einem grenzüberschreitenden Herein-Formwechsel in eine deutsche GmbH sind verschiedenste gesetzliche Regelungen zu beachten. Daher die Frage: Welche Unterlagen sind konkret erforderlich?

Wie im vorherigen Blogbeitrag dieser Serie ausgeführt, finden auf den grenzüberschreitenden Herein-Formwechsel einer Gesellschaft der Rechtsform eines anderen EU- oder EWR-Staates die §§ 190 ff. UmwG sowie Art. 8 SE-VO analoge Anwendung. Dieser Blogbeitrag soll als kleine Praxishilfe zur Umsetzung eines grenzüberschreitenden Herein-Formwechsels in eine deutsche GmbH und Erstellung der erforderlichen Dokumentation dienen.

Bescheinigung der im Wegzugsstaat zuständigen Behörde ist vorzulegen

Es ist eine Bescheinigung gem. Art. 8 Abs. 8 SE-VO von der im Wegzugsstaat zuständigen Behörde vorzulegen. Diese führt gemäß dem Wortlaut der Verordnung aus, „dass die der Verlegung vorangehenden Rechtshandlungen und Formalitäten durchgeführt wurden″. Insbesondere soll sie bestätigen, dass den Interessen von Gläubigern, Arbeitnehmern und Minderheitengesellschaftern Rechnung getragen wurde. Eine bestimmte Formulierungsvorgabe für diese Bescheinigung gibt es auf europarechtlicher Ebene nicht.

Jede Jurisdiktion legt in den nationalen Ausführungsgesetzen fest, ob eine Behörde, ein Notar oder ein Gericht für die Ausstellung dieser Bescheinigung zuständig ist und in welcher Form die Bescheinigung erfolgt. Diese Bescheinigung wird von der im Wegzugsstaat zuständigen Behörde ausgestellt, wenn die nach dem Recht des Wegzugsstaates erforderlichen Maßnahmen durchgeführt wurden. In diesem Zusammenhang können weitere Dokumente und Handlungen nach dem Recht des Wegzugsstaates erforderlich sein. Diese werden jedoch im Folgenden ausgeklammert und es wird lediglich auf die nach deutschem Recht erforderliche Dokumentation eingegangen. Um den Anforderungen des jeweiligen Wegzugsstaates zu genügen ist eine enge Abstimmung mit rechtlichen Beratern aus der jeweiligen Jurisdiktion unentbehrlich.

Um die Bescheinigung beim deutschen Handelsregister einreichen zu können, ist sie entweder von vornherein in deutscher Sprache abzufassen oder es ist eine beglaubigte Übersetzung zu erstellen. Zudem kann sie mit einer Apostille zu versehen sein. Dies ist abhängig davon, ob ein entsprechendes bilaterales Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Wegzugsstaat besteht oder nicht.

Hauptbestandteil der Dokumentation des grenzüberschreitenden Herein-Formwechsels: Der Formwechselbeschluss

Bereits das OLG Nürnberg hatte in seiner Entscheidung klargestellt, dass bei einem grenzüberschreitenden Herein-Formwechsel in eine deutsche GmbH die Voraussetzungen eines inländischen Formwechsels – und dabei ausdrücklich einschließend einen notariell beurkundeten Formwechselbeschluss analog zu § 193 UmwG, dessen Mindestinhalt sich nach § 194 Abs. 1 UmwG analog bestimmt – einzuhalten sind.

Hintergrund ist, dass der Formwechselbeschluss Bestandteil des Gründungsakts nach deutschem Recht ist. Dies steht im Einklang mit der Auffassung des EuGH in der VALE-Entscheidung. Danach führt ein grenzüberschreitender Formwechsel „unstreitig zur Gründung einer Gesellschaft″ im Zuzugsstaat, auch wenn er tatsächlich identitätswahrend abläuft. Die „neue″ Gesellschaft existiert aber nur, wenn die nationalen Gründungsvorschriften im Zuzugsstaat eingehalten werden. Daher ist für einen grenzüberschreitenden Herein-Formwechsel in eine deutsche GmbH ein Formwechselbeschluss analog zu §§ 193, 194 UmwG zwingend erforderlich. Darüber hinaus verweist § 197 UmwG auf die Anwendung der für die neue Rechtsform geltenden Gründungsvorschriften, was auch für den grenzüberschreitenden Herein-Formwechsel gilt.

Formwechselbeschluss ist notariell zu beurkunden

Da § 193 Abs. 3 S. 1 UmwG vorschreibt, dass der Formwechselbeschluss notariell zu beurkunden ist, sieht das deutsche Recht als das Recht des Zuzugsstaates zumindest verfahrensrechtlich eine Beurkundung nach den Grundzügen einer Beurkundung vor einem deutschen Notar als erforderlich an.

Zweiter Formwechselbeschluss nach den Grundzügen des deutschen Rechts nicht zwingend erforderlich, aber empfehlenswert

In der Praxis stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob der nach den rechtlichen Grundzügen des Wegzugsstaates bereits gefasste Formwechsel- und Sitzverlegungsbeschluss ausreichend ist oder ein zweiter Formwechselbeschluss nach den Grundzügen des deutschen Rechts erforderlich ist. Relevant ist diese Frage insbesondere im Hinblick auf die Form- und Inhaltserfordernisse.

Hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an den Formwechselbeschluss sollte es möglich sein, einen einzigen Formwechselbeschluss zu fassen. Allerdings nur, sofern er inhaltlich neben den Anforderungen des Wegzugsstaates sowohl den Anforderungen des § 194 UmwG als auch denen an eine Neugründung einer deutschen GmbH entspricht.

In Bezug auf das Formerfordernis gem. § 193 Abs. 3 UmwG gibt es Stimmen, die grundsätzlich auch eine Beurkundung durch einen ausländischen Notar als möglich ansehen. Jedoch nur, sofern dieser eine vergleichbare Stellung im Rechtsleben zu einem deutschen Notar innehat und die Anwendung eines in Grundsätzen dem deutschen Beurkundungsrecht entsprechenden Rechts erfolgt. Somit sollte es möglich sein, nur einen Formwechselbeschluss zu fassen, der den formellen Anforderungen beider involvierter Jurisdiktionen entspricht.

In der Praxis werden in der Regel jedoch der Einfachheit, aber auch der Sicherheit halber zwei Formwechselbeschlüsse gefasst. Dies geschieht, um den entsprechenden Sprach-, Form- und Inhaltserfordernissen beider involvierter Jurisdiktionen – Wegzugs- und Zuzugsstaat – genügen zu können. Im Formwechselbeschluss nach dem Recht des Zuzugsstaates wird dann zu Dokumentationszwecken regelmäßig Bezug auf den nach dem Recht des Wegzugsstaates bereits gefassten Formwechselbeschluss genommen und in Anlage beigefügt.

Ist eine Kapitalmaßnahme erforderlich?

Im Rahmen des Formwechselbeschlusses oder auch als gesonderter Beschluss ist gegebenenfalls eine Kapitalmaßnahme durchzuführen. Vor allem, wenn das Mindeststammkapital einer deutschen GmbH von EUR 25.000 nicht bereits im Wegzugsstaat erreicht ist oder wenn mit dem Formwechsel eine Währungsumstellung einhergeht.

In ersterem Fall sind Zuzahlungen nach den Grundsätzen der gemischten Sacheinlage möglich. Letzteres hat besondere Relevanz bei einem Formwechsel aus einem Land außerhalb der Euro-Zone, weil nach § 5 Abs. 2 S.1 GmbHG das Stammkapital einer deutschen GmbH auf volle Euro lauten muss.

Eine in der Praxis von den Gerichten zum Teil geforderte Umrechnung des bestehenden gezeichneten Kapitals gemäß § 247 UmwG würde dazu führen, dass das Stammkapital auf einen krummen Euro-Betrag lautet. Eine vorherige Änderung des Stammkapitals im Wegzugsstaat auf einen Betrag, der bei Umrechnung auf volle Euro lautet, führt zu Schwierigkeiten: Erstens müssen wie in Deutschland im Wegzugsstaat Beträge gegebenenfalls auf volle Beträge ohne Bruchteile lauten und zweitens kann der Wechselkurs am Tag des Wirksamwerdens des Formwechsels nicht vorhergesagt werden.

Kapitalmaßnahme oder einfach Festsetzung des Stammkapitals?

Ob eine mit dem Formwechsel verbundene, erst in Deutschland vorgenommene Kapitalmaßnahme vom Gericht akzeptiert wird, kann derzeit noch nicht rechtssicher gesagt werden. Denn in der Praxis hat sich hier bereits teilweise Widerwillen der Registergerichte gezeigt. Jedenfalls würde eine Kapitalherabsetzung durch die Einhaltung des Sperrjahres eine regelmäßig nicht gewollte Verzögerung mit sich bringen.

Bei einer Kapitalerhöhung würde sich die Schwierigkeit ergeben, dass zum Ausgleich der krummen Beträge nicht auf volle Euro lautende neue Geschäftsanteile ausgegeben werden müssten, was das deutsche Recht nicht zulässt. Sollte sich dies nicht auf einfache Weise im Wegzugsstaat lösen lassen, könnte die teilweise praktizierte Heranziehung von § 247 UmwG einen Formwechsel unmöglich machen und damit eine unzulässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen.

Vorzugswürdig und in der Praxis auch schon von Registergerichten akzeptiert, ist die Festsetzung des Stammkapitals unter Anwendung der Gründungsvorschriften auf einen über 25.000 Euro lautenden Betrag. Dies kann unabhängig von dem im Wegzugsstaat bestehenden Stammkapital erfolgen. Dieses muss lediglich vom Vermögen der Gesellschaft nach Abzug der Schulden gedeckt sein, was durch das beizubringende Werthaltigkeitsgutachten nachzuweisen ist.

Für den Fall, dass eine Kapitalmaßnahme erforderlich ist, ist es in jedem Fall unerlässlich, sich sowohl mit dem Registergericht als auch mit den Beratern im Wegzugsstaat eng abzustimmen. So können einerseits die Anforderungen des Gerichts und andererseits die Möglichkeiten im Wegzugsstaat abgeklärt werden. In der Praxis hat sich beispielsweise gezeigt, dass in Liechtenstein bereits eine Änderung des Stammkapitals in Euro möglich ist und überschüssige Cent-Beträge ohne Einhaltung eines Sperrjahres oder sonstiger langwieriger Maßnahmen in die freie Kapitalrücklage eingebracht werden können.

Weitere Unterlagen zur Dokumentation des grenzüberschreitenden Herein-Formwechsels

Neben der Bescheinigung gem. Art. 8 Abs. 8 SE-VO und den Formwechselbeschlüssen sind noch die Unterlagen beim Handelsregister einzureichen, die auch bei einem rein nationalen Formwechsel in eine GmbH erforderlich sind. Dazu zählen der Gesellschaftsvertrag, die Liste der Gesellschafter, die Handelsregisteranmeldung, der Sachgründungsbericht und das Werthaltigkeitsgutachten.

Grenzüberschreitender Herein-Formwechsel auch ohne einheitliche Sitzverlegungsrichtlinie realisierbar

Auch ohne das Vorliegen einer einheitlichen Sitzverlegungsrichtlinie ist ein grenzüberschreitender Herein-Formwechsel in eine deutsche GmbH nicht nur rechtlich möglich, sondern auch praktisch darstellbar.

Es gibt jedoch weiterhin unterschiedliche Ansichten zur (analogen) Anwendbarkeit von europarechtlichen Regelungen zur SE oder grenzüberschreitenden Verschmelzung. Daher ist es unabdingbar, eine enge Abstimmung mit dem zuständigen Registergericht im Fall eines geplanten Herein-Formwechsels zu suchen.

Sollte dies nicht möglich sein, so ist zu empfehlen, eher mehr als weniger Regelungen aus den Bereichen der SE und der grenzüberschreitenden Verschmelzung zusätzlich zu den Regelungen in den §§ 190 ff. UmwG in analoger Anwendung zu beachten.

Unsere Beitragsreihe stellt wichtige Aspekte rund um das Umwandlungsrecht nach dem UmwG vor. Hier zeigen wir die Möglichkeiten einer Unternehmensumstrukturierung auf, stellen einzelne Aspekte heraus, schildern Herausforderungen und skizzieren die ein oder andere Lösungsidee. Bisher erschienen ist ein Überblick über die umwandlungsrechtliche Verschmelzung, ein Beitrag zum Verschmelzungsvertrag sowie zum Formwechsel. Weiter haben wir die Möglichkeiten im Rahmen einer Unternehmensspaltung, die partielle Gesamtrechtsnachfolge sowie den Ablauf einer Spaltung erläutert. Weiter sind wir auf die Schlussbilanz, die Besteuerung von Umwandlungen und die arbeitsrechtlichen Besonderheiten bei Umwandlungen sowie die grenzüberschreitende Verschmelzung aus gesellschaftsrechtlicher sowie aus arbeitsrechtlicher Sicht eingegangen. Zuletzt haben wir den rechtlichen Rahmen eines grenzüberschreitenden Formwechsels erläutert.

Tags: Dokumentation grenzüberschreitender Formwechsel Umwandlungsrecht