10. Juli 2020
Investitionskontrolle
Corporate / M&A International

Deutsche Investitionskontrolle zeigt Zähne – neue Hürden für Transaktionen

Die Investitionskontrolle wird scharfgestellt. Viele M&A Transaktionen werden nun länger dauern und haben einen weiteren Unsicherheitsfaktor.

Im Zuge des weltweit anhaltenden Trends zu mehr Protektionismus nahm die Kontrolle ausländischer Beteiligungserwerbe in den vergangenen Jahren stetig zu. Dies wird in den Mitgliedstaaten der EU durch die Umsetzung der Verordnung (EU) 2019/452 (FDI-Screening Regulation) vorangetrieben. Seit Beginn des Jahres wurden Reformvorschläge in Deutschland diskutiert (Verschärfungen der Investitionskontrolle in AWG und AWV). Die Corona-Krise beförderte hierbei bereits erste Änderungen. Die nun verabschiedete Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes macht die Investitionskontrolle zu einem festen Bestandteil in vielen Transaktionen – und droht zu einem echten Stolperstein zu werden. Die Änderungen treten nach der offiziellen Gesetzesverkündung in den nächsten Tagen in Kraft.

Vollzugsverbot: Durchsetzung mittels Strafandrohung

Für die M&A-Praxis wichtigste Änderung ist die Einführung eines Vollzugsverbots für meldepflichtige Investitionen (§ 15 Abs. 4 AWG n.F.). Bei vorsätzlichem Verstoß droht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, bei Fahrlässigkeit immerhin eine empfindliche Geldbuße. Verkäufer dürfen Erwerbern vor Freigabe durch das BMWi keine Möglichkeiten der Einflussnahme auf das Zielunternehmen einräumen. Im Kaufvertrag muss der Vollzug also unter die aufschiebende Bedingung der Freigabe durch das BMWi gestellt werden. Flankiert wird dies durch ein sehr unscharf gefasstes Verbot, dem Erwerber sensible unternehmensbezogene Informationen vor Freigabe offenzulegen. Diese Regelung ist so weit formuliert, dass im Rahmen der Due Diligence künftig schwierige Abgrenzungsfragen drohen, in welche Informationen Käufer Einsicht erhalten dürfen.

Mehr Transaktionen werden meldepflichtig

Immer mehr Wirtschaftssektoren fallen unter die Meldepflicht und sind damit vom neuen Vollzugsverbot erfasst. Ursprünglich war von der Meldepflicht nur ein Teil der Rüstungsindustrie betroffen (§ 60 AWV). Mittlerweile sind auch Betreiber kritischer Infrastrukturen oder Medienunternehmen erfasst, seit kurzem auch COVID-19 relevante Unternehmen (§ 55 Abs. 1 Satz 2 AWV). In diesem Jahr ist eine Ausweitung auf weitere Schlüsselsektoren absehbar. Die FDI-Screening Regulation verweist bereits auf künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Cybersicherheit, Luft- und Raumfahrt, Energiespeicherung, Quanten- und Nukleartechnologien sowie Nanotechnologien und Biotechnologien.

Die Meldepflicht besteht bei dem Erwerb solcher Unternehmen sobald dieser durch einen EU-fremden Investor erfolgt, der mindestens 10 % der Stimmrechtsanteile erwirbt. Das gilt nicht nur für den unmittelbaren Erwerb, sondern auch für rein mittelbare Beteiligungen. Gemeldet werden muss die Transaktion somit auch dann, wenn sowohl Käufer als auch Zielunternehmen inländisch sind, jedoch am Käufer ein EU-fremder Investor direkt oder über weitere Zwischengesellschaften mit mindestens 10 % der Stimmrechte beteiligt ist.

Gesenkter Untersagungsstandard = mehr Erwerbsbeschränkungen?

Künftig darf Berlin bereits in deutlich weniger kritischen Fällen Beschränkungen auferlegen oder den Erwerb untersagen. Außerdem sollen nicht nur nationale Interessen, sondern auch Interessen anderer EU-Mitgliedstaaten in die Bewertung einbezogen werden (§§ 4, 5 AWG n.F.). Es bleibt abzuwarten, ob das BMWi deswegen in der Praxis wirklich häufiger und stärker eingreift. Jedenfalls kann die Investitionskontrolle jetzt noch glaubhafter mit Untersagungen drohen und Investoren so zu noch weitergehenden Zugeständnissen bewegen. Die Berücksichtigung der Interessen von Drittstaaten droht dabei, das Verfahren für Unternehmen noch intransparenter und weniger vorhersehbar zu machen.

Mehr Planungssicherheit durch neue Fristenregelung

Die Verfahrensfristen wurden umfassend neugestaltet (§ 14a AWG n.F.).  Die Verfahrensdauer war bisher nicht vorhersehbar, denn mit jeder Informationsanfrage begann die Prüffrist von neuem. Nun gilt für das Vorverfahren eine Frist von zwei Monaten. Bei Eröffnung des eigentlichen Prüfverfahrens kommen vier Monate hinzu, in komplexen Fällen ist eine Verlängerung auf bis zu acht Monate möglich. Weitere Verzögerungen durch Verhandlungen oder Informationsanfragen sind nicht auszuschließen, lösen die Frist aber nicht neu aus, sondern unterbrechen diese nur. Ob die neuen Fristen damit im Schnitt zu einer kürzeren Verfahrensdauer führen, wird sich zeigen. So oder so droht also eine lange Hängepartie zwischen Signing und Closing – wenn auch nun das Ende absehbarer erscheint.

Fazit

Ausländer oder deutsche Unternehmen mit ausländischen Teilhabern, die einheimische Unternehmen erwerben, müssen die deutsche Investitionskontrolle im Auge behalten. Vollzugsverbot, lange Verfahrensdauern und das Risiko von Erwerbsbeschränkungen sollten bereits in der Vertragsanbahnung und allen weiteren Stufen im M&A-Prozess beachtet werden.

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