Empfiehlt sich eine grundlegende Reform des Personengesellschaftsrechts? Hierüber wurde auf dem 71. Deutschen Juristentag in Essen kontrovers diskutiert.
In der vergangenen Woche fand der 71. deutsche Juristentag in Essen statt. Die Abteilung Wirtschaftsrecht beschäftigte sich mit der Frage „Empfiehlt sich eine grundlegende Reform des Personengesellschaftsrechts?“.
Das Gutachten wurde in diesem Jahr durch Herrn Prof. Dr. Carsten Schäfer von der Univ. Mannheim erstellt. Es beinhaltete zusammengefasst folgende Reformvorschläge:
- Gesetzliche Konstituierung der Rechtsfähigkeit der Außen-GbR,
- Unterscheidung zwischen Innen- und Außen-GbR im Gesetzestext,
- Einführung eines besonderen Registers für Außen-GbRs mit fakultativer Anmeldung und Publizitätsschutz entsprechend § 15 HGB,
- Gesetzliche Regelung der persönlichen Haftung der Gesellschafter unter Ausschluss einer Haftung für deliktisches Handeln der Geschäftsführer,
- Ausschluss der Gesamthandseigenschaft der Innen-GbR.
Eine grundlegende Neufassung des Rechts der oHG und der KG sowie der PartG empfiehlt das Gutachten nicht.
Zu dem Inhalt des Gutachtens referierten Frau Rechtsanwältin Dr. Gabriele Roßkopf (GleissLutz, Stuttgart), Herr Notar Dr. Hartmut Wicke (München) und Herr Prof. Dr. Martin Henssler (Univ. Köln).
Roßkopf: Haftungsprivileg des § 708 BGB abschaffen
Frau Dr. Roßkopf sprach sich in Ergänzung zu dem Gutachten dafür aus, das Haftungsprivileg des § 708 BGB abzuschaffen und das Beschlussmängelrecht an die Regelungen des Aktienrechts anzugleichen. Statt einer automatischen Nichtigkeit von Beschlüssen bei Gesetzesverstößen sollte eine befristete Anfechtungsklage möglich sein.
Die Regelungen über die Gewinn- und Verlustverteilung (§§ 722 Abs. 1 BGB, 121 Abs. 3 HGB) sollten entsprechend der Praxis von der Kapitalbeteiligung der Gesellschafter abhängig gemacht werden. Bei Tod oder Kündigung eines Gesellschafters sollte die Gesellschaft nach dem dispositiven Gesetzesrecht nicht mehr aufgelöst, sondern von den verbleibenden Gesellschaftern unter Ausscheiden des verstorbenen bzw. kündigenden Gesellschafters fortgesetzt werden. Schließlich sollte das Gesetz ausdrücklich vorsehen, dass im Fall der Einheits-GmbH & Co. KG die Rechte der KG in der Gesellschaftersammlung der GmbH nicht durch diese, sondern durch die Kommanditisten wahrgenommen werden.
Wicke: Rechtsfähigkeit der GbR von ihrer Registereintragung abhängig machen
Nach der Ansicht von Herrn Dr. Wicke sollte die Registereintragung zur zwingenden Voraussetzung für die Rechtsfähigkeit der GbR werden. Alle nicht im Register eingetragenen GbRs sollten demnach nicht rechtsfähige und nicht vermögenstragende Innen-GbRs sein. Für registrierte Außen-GbRs sollte auch die Möglichkeit gegeben werden, die Haftung einzelner (nicht aller) Gesellschafter auf eine bestimmte Vermögensanlage zu beschränken.
Abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des BGH sollten die sog. „Hinauskündigungsklauseln“ nicht generell für unzulässig erachtet werden. Ferner sollte das Recht der Kapitalgesellschaft & Co. KG erweitert werden, sodass Rechtsfragen, die derzeit auf der Ebene der Komplementärin durch Ausdehnung des GmbH-Rechts gelöst würden, auch im Fall der Auslands-Kapitalgesellschaft und Co. KG einer interessengerechten Lösung zugeführt werden könnten.
Henssler: Neuorganisation des Personengesellschaftsrechts
Herr Prof. Dr. Henssler forderte, über das Gutachten hinausgehend, eine vollständige Neuorganisation des Personengesellschaftsrechts. Diese solle grundsätzlich vier Gesellschaftsformen vorsehen:
- eine rechtsfähige, nicht registerpflichtige Grundform der Personengesellschaft,
- eine rechtsfähige und registerpflichtige Außengesellschaft mit unbeschränkter und gesamtschuldnerischer Gesellschafterhaftung (entsprechend der unternehmenstragenden GbR und OHG),
- eine für sämtliche Marktteilnehmer (mithin auch Freiberufler) geöffnete KG,
- eine transparent besteuerte, rechtsfähige und registerpflichtige Gesellschaft ohne persönlich haftenden Gesellschafter (entsprechend der anglo-amerikanischen LLP). Die Partnerschaftsgesellschaft solle vollständig abgeschafft werden; die freien Berufe sollten sich künftig ebenfalls in den Handelsgesellschaften organisieren.
Die Partnerschaftsgesellschaft solle dagegen ersatzlos abgeschafft werden.
Ergebnisse der Beschlussfassung
In der Diskussion wurden zahlreiche Einzelaspekte des Gutachtens und der Referate aufgegriffen und fortgeführt. Die abschließende Beschlussfassung führte u.a. zu folgenden Ergebnissen:
- Die Teilnehmer sprachen sich mehrheitlich für eine fakultative Registereintragung der GbR aus, von der aber die Rechtsfähigkeit der GbR nicht abhängig sein sollte.
- Die Teilnehmer sprachen sich mehrheitlich für eine Anpassung der Geschäftsführungs- und Vertretungsregelungen der GbR an die oHG
- Die Teilnehmer sprachen sich mehrheitlich dafür aus, den Haftungsmaßstab der eigenüblichen Sorgfalt im Innenverhältnis (§ 708 BGB) im Recht der Personenhandelsgesellschaften (nicht jedoch im GbR-Recht) abzuschaffen und durch die verkehrsübliche Sorgfalt zu ersetzen.
- Die Teilnehmer sprachen sich mehrheitlich dafür aus, das Beschlussmängelrecht im Personengesellschaftsrecht an das geltende Kapitalgesellschaftsrecht anzupassen, insb. die (zeitlich beschränkte) Anfechtbarkeit mangelhafter Beschlüsse als gesetzliche Grundregel zu normieren.
- Die Teilnehmer sprachen sich mehrheitlich für eine Öffnung der Personenhandelsgesellschaften für Freiberufler und eine Streichung der Partnerschaftsgesellschaft Das Verbot der reinen Kapitalbeteiligung an Berufsausübungsgesellschaften solle jedoch erhalten bleiben.
Ob und inwieweit das Thema einer Reform des Personengesellschaftsrechts durch den Gesetzgeber aufgegriffen wird, bleibt freilich unklar. Nach Beobachtungen der Teilnehmer steht dieses Thema aktuell nicht auf der Agenda des Gesetzgebers.
Dennoch ist es aus meiner Sicht notwendig und sinnvoll, sich dieses Themas auch aus der anwaltlichen Perspektive zu widmen, um eine praxisorientierte Neuregelung des Personengesellschaftsrechts zu gewährleisten.