4. Juli 2025
Ergebnisverwendung Gesellschafterversammlung
Corporate / M&A

Die Ergebnisverwendung im Gesellschafterstreit

Ein guter Gesellschaftsvertrag macht klare Vorgaben zur Verwendung des Jahresgewinnes. In allen anderen Fällen entscheidet die Gesellschaftermehrheit – was nicht selten zu Konflikten führen kann. Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Regelungen.

Viele reden von der Familienverfassung – ich sage immer, macht Euch doch erst mal Gedanken über Eure Ausschüttungspolitik.

Diese Äußerung einer erfahrenen Familienunternehmerin im Rahmen einer Podiumsdiskussion hat sich dem Verfasser ins Gedächtnis eingebrannt. Tatsächlich entzünden sich Auseinandersetzungen im Gesellschafterkreis häufig an der Frage der Gewinnverwendung: Während geschäftsführende Gesellschafter* häufig für eine Thesaurierung plädieren, sind ihre Mitgesellschafter, die rein vermögensmäßig an dem Unternehmen beteiligt sind, eher an einer Ausschüttung interessiert. Beide haben gute Argumente auf ihrer Seite: Die Geschäftsführer verweisen auf den Liquiditätsbedarf des Unternehmens, die nur vermögensmäßig beteiligten Gesellschafter fürchten eine Austrocknung und Entwertung ihrer Beteiligung. Gesetz und Rechtsprechung lassen den Gesellschaftern viel Entscheidungsfreiheit. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten Vorgaben aus Gesetz und Rechtsprechung.

Grundprinzip: Die Mehrheit entscheidet

Die gesetzlichen Gewinnverwendungsregelungen variieren je nach Rechtsform. Gesellschafter einer GmbH haben nach § 29 GmbHG grundsätzlich Anspruch auf den Jahresüberschuss zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags aus früheren Geschäftsjahren. Allerdings bedarf die Gewinnausschüttung zwingend eines Gesellschafterbeschlusses, § 46 Nr. 1 GmbHG, der gemäß § 47 Abs. 1 GmbHG mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu fassen ist; die Satzung kann ein höheres Quorum bestimmen. Wird kein Beschluss gefasst oder erhält ein Beschlussantrag auf Gewinnausschüttung nicht die erforderliche Mehrheit, so verbleibt der Gewinn in der Gesellschaft. Ein Auszahlungsanspruch entsteht – entgegen dem missverständlichen Wortlaut des § 29 Abs. 1 GmbHG – erst mit der Beschlussfassung. 

Eine ähnliche Regelung sieht § 58 AktG für die Aktiengesellschaft vor. Auch hier entscheidet die Hauptversammlung durch Mehrheitsbeschluss, ob der Gewinn ausgeschüttet, in Gewinnrücklagen eingestellt oder vorgetragen werden soll. Anders als in der GmbH steht der Hauptversammlung indes nicht die volle Entscheidungshoheit über die Gewinnverwendung zu: Zum einen sieht § 150 AktG eine zwingende Rücklagenbildung vor; zum anderen können Vorstand und Aufsichtsrat im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses bis zu 50% des Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen einstellen. 

Für Personengesellschaften – GbR, oHG und (GmbH & Co.) KG – sieht das Gesetz dagegen vor, dass die Gesellschafter mit der Feststellung des Jahresabschlusses (bzw., bei der GbR, des Rechnungsabschlusses) automatisch einen grundsätzlichen Anspruch auf Auszahlung des ihnen zustehenden Gewinnanteils haben (§ 122 HGB). Dies gilt im Grundsatz auch für den Kommanditisten, sofern sein Kapitalanteil nicht unter den Betrag seiner Einlageverpflichtung gemindert wurde oder durch die Auszahlung entsprechend gemindert würde (§ 169 HGB). Indes machen die allermeisten Gesellschaftsverträge – zulässigerweise – die Auszahlung von Gewinnanteilen davon abhängig, dass die Gesellschafterversammlung einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss gefasst hat. Weiterhin sehen die Gesellschaftsverträge regelmäßig – abweichend von dem gesetzlichen Prinzip der Einstimmigkeit – vor, dass für die Beschlussfassung die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen oder ein anderes Quorum ausreichend ist. In solchen Fällen entspricht die Entscheidung über die Gewinnverwendung in der Personengesellschaft faktisch derjenigen in der GmbH.

Gesellschafter können Beschlussfassung erzwingen

Demnach müssen in der GmbH und in der AG zwingend und in der Personengesellschaft regelmäßig zwei Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Gesellschafter eine Gewinnausschüttung von seiner Gesellschaft erhält:

  • Die Gesellschafterversammlung (bzw. Hauptversammlung) muss einen Beschluss über die Gewinnverwendung fassen.
  • Dieser Beschluss muss eine (teilweise) Ausschüttung des Gewinnes an die Gesellschafter vorsehen, darf sich mithin nicht auf eine Thesaurierung des Gewinnes beschränken.

Nach allgemeiner Auffassung steht jedem Gesellschafter ein Anspruch darauf zu, dass die Gesellschafterversammlung zusammen mit der Beschlussfassung über die Feststellung des Jahresabschlusses auch einen Beschluss über die Gewinnverwendung fasst. Dabei kann der Gesellschafter nach einer (allerdings umstrittenen) Ansicht sogar die Vollausschüttung des Jahresgewinnes einklagen. Die Gesellschaft ist dadurch hinreichend geschützt, dass sie jederzeit der gerichtlichen Entscheidung über die Klage zuvorkommen und einen Gewinnverwendungsbeschluss fassen kann – der im Rahmen der Treuepflicht (hierzu sogleich) auch eine (teilweise) Thesaurierung der Gewinne vorsehen kann. Tatsächlich sind Rechtsstreitigkeiten, in denen ein Gesellschafter auf Fassung eines Gewinnverwendungsbeschlusses klagt, daher auch höchst selten.

Gesellschafterversammlung hat bei Beschlussfassung Treuepflicht zu beachten

Ein Streit über die Ergebnisverwendung dreht sich mithin meist weniger über das „Ob“ als über das „Wie“ der Beschlussfassung. Typisch ist die Konstellation, dass die Mehrheit für eine vollständige oder zumindest ganz überwiegende Thesaurierung des Gewinnes votiert, während die Minderheit eine höhere Ausschüttung fordert. Dabei hat die Minderheit zumindest das Argument auf ihrer Seite, dass eine Einbehaltung von Gewinnen in der Gesellschaft nur beschlossen werden soll, soweit dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich ist. Versuche in der Literatur, eine Höchstquote für Thesaurierungen oder eine Mindestdividende für Ausschüttungen zu begründen, haben in der Rechtsprechung jedoch bislang keinen Niederschlag gefunden. 

Stattdessen nehmen die Gerichte weitestgehend eine Einzelfallbetrachtung vor. Auf Seiten der Gesellschaft sollen dabei ihre wirtschaftliche Lage, ihre Ausstattung mit Eigenkapital, die Höhe und Verfügbarkeit schon vorhandener Rücklagen, ihre Kreditfähigkeit sowie Höhe der Laufzeit von Verbindlichkeiten, die allgemeine Wirtschaftslage und die Zukunftsprognose für den betroffenen Wirtschaftszweig berücksichtigt werden. Nur wenn die Gesamtschau dieser Umstände keine Notwendigkeit einer weitergehenden Thesaurierung erkennen lässt, wird der Gewinnverwendungsbeschluss für unwirksam erklärt. Nach einer Entscheidung des OLG Nürnberg vom 9. Juli 2008 soll ein Thesaurierungsbeschluss darüber hinaus sogar nur unwirksam sein, wenn er sittenwidrig willkürlich und allein von sachfremden Erwägungen getragen ist. Damit haben Klagen gegen einen Gewinnverwendungsbeschluss eher selten Erfolg.

Sofern sich die Gesellschafter für eine Ausschüttung des gesamten oder zumindest eines großen Teils des Jahresgewinns entscheiden, haben sie ihre Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft zu beachten. Die Gewinnverwendungsentscheidung darf nicht dazu führen, dass die Gesellschaft zahlungsunfähig wird. Dies wäre der Fall, wenn die Gesellschaft unter Berücksichtigung des (sofort fälligen) Auszahlungsanspruchs der Gesellschafter nicht mehr in der Lage wäre, 90% ihrer fälligen Verbindlichkeiten in den kommenden drei Wochen zu bezahlen. Die Gesellschafter können eine Zahlungsunfähigkeit indes auch dadurch verhindern, dass sie zwar eine Gewinnausschüttung beschließen, die Fälligkeit ihres Auszahlungsanspruchs jedoch bis auf Weiteres stunden.

Eine vertragliche Regelung vermeidet Streit

Nach alledem steht der Gesellschaftermehrheit bei der Beschlussfassung über die Ergebnisverwendung ein sehr weites Ermessen zu – ein Ermessen, das jedoch zu nicht unerheblichen Konflikten mit der Gesellschafterminderheit führen kann. Und damit kommen wir zurück zum Ausgangspunkt unserer Betrachtung: Ein Streit lässt sich vermeiden, wenn der Gesellschaftsvertrag klare Angaben über die Gewinnverwendung macht.

Eine mögliche Regelung kann beispielsweise so aussehen, dass ein Gewinn bis zur Höhe eines bestimmten Betrags stets voll thesauriert wird. Darüber hinaus findet bis zu einer weiteren Höhe eine 50%ige Thesaurierung statt. Der weitergehende Gewinn wird in voller Höhe (oder zu 75% etc.) ausgeschüttet. In der Personengesellschaft ist zu beachten, dass die Gesellschafter die auf ihren Gewinnanteil entfallenden Steuern selbst zu zahlen haben. Daher sollte die Gewinnverwendungsregelung jedenfalls ein Entnahmerecht in Höhe der Steuerlast vorsehen, wobei sich eine abstrakte Berechnung der Steuerlast anbietet. Darüber hinaus sind der Gestaltungsfreiheit jedoch keine Grenzen gesetzt.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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