7. Oktober 2016
Abschlussprüferreform
Corporate / M&A

Die Neuerungen der Abschlussprüferreform im Überblick

Die Abschlussprüfung wurde reformiert: Für die Hauptversammlungen ab dem Kalenderjahr 2017 gibt es die dargestellten Veränderungen zu beachten.

Seit dem 17. Juni 2016 gilt die EU-Verordnung 537/2014 zur Abschlussprüfung („AP-VO„) und ein entsprechendes nationales Abschlussprüfungsreformgesetz („AReG„) trat in Kraft. Diese neuen Vorschriften reihen sich in eine Vielzahl von anderen Maßnahmen zur Aufarbeitung der Ursachen der Finanzkrise von 2007/2008 ein.

In diesem Beitrag werden nur die für die Vorbereitung der nächsten Hauptversammlung zu beachtenden Aspekte dargestellt. Das betrifft insbesondere Vorschläge zur Wahl des Abschlussprüfers und für neue Aufsichtsratsmitglieder an die Hauptversammlung.

Nur bestimmte Unternehmen von AReG betroffen

Adressaten der gesetzlichen Neuregelungen sind Unternehmen von öffentlichem Interesse, sogenannte public interest entities („PIE„), darunter fallen:

  • kapitalmarktorientierte Unternehmen im Sinne von § 264d HGB (z.B. börsennotierte Gesellschaften);
  • CRR-Kreditinstitute im Sinne des Kreditwesengesetzes (Banken mit Ausnahme z.B. der Bundesbank und der KfW);
  • Versicherungsunternehmen im Sinne des Art. 2 der Richtlinie 91/674/EWG (u.a. abhängig von der Art der vertriebenen Versicherungen).

Die PIE Eigenschaft ist für jede Gesellschaft und insbesondere auch für jede Konzerngesellschaft einzeln zu prüfen. Teilweise erfüllt nur die Tochter- oder nur die Muttergesellschaft die PIE Kriterien.

Vorschlag zur Wahl des Abschlussprüfers

Im Rahmen der Vorbereitung der kommenden Hauptversammlung muss der Aufsichtsrat oder – sofern eingerichtet – der Prüfungsausschuss vor der Abgabe des Wahlvorschlags für den Abschlussprüfer folgendes beachten:

  • Soll das Mandat erstmalig an einen neuen Abschlussprüfer erteilt werden, muss zwingend eine öffentliche Ausschreibung zur Vergabe des Abschlussprüfermandats durchgeführt werden („Erstbestellung″ / „Prüferwechsel);
  • Soll erneut der gleiche Abschlussprüfer vorgeschlagen werden, muss im Rahmen einer Vorabprüfung festgestellt werden, ob eine erneute Mandatierung ohne vorherige öffentliche Ausschreibung zulässig ist („Wiederbestellung).

Eine Ausschreibung ist bei Wiederbestellung gesetzlich zwingend, wenn die Höchstlaufzeit des Prüfungsmandats erreicht wird (sogenannte „Externe Rotation„). Demnach muss der Abschlussprüfer spätestens nach 10 Jahren wechseln („Höchstlaufzeit„). Nach dieser Höchstlaufzeit ist die erneute Mandatierung für vier Jahre verboten („Cooling-Off Phase„).

Verlängerung des Mandats möglich

Es gibt jedoch die Möglichkeit der Verlängerung des Mandats mit dem gleichen Abschlussprüfer um weitere 10 bzw. 14 Jahre auf insgesamt 20 bzw. 24 Jahre. Zur Inanspruchnahme der Verlängerungsoption auf 20 Jahre muss eine öffentliche Ausschreibung durchgeführt werden und der bisherige Abschlussprüfer als Sieger aus dem Ausschreibungsverfahren hervorgehen. Werden mit der Abschlussprüfung mehrere Wirtschaftsprüfer zusammen beauftragt („Joint Audit„), dann ist eine Verlängerung auf insgesamt bis zu 24 Jahre möglich.

Die Verlängerung des Mandats ist nur wirksam, wenn die Ausschreibung nach Ablauf der Höchstlaufzeit durchgeführt wird. Eine zuvor durchgeführte Ausschreibung hat keinen Verlängerungseffekt. Die Verlängerungsoption steht Kreditinstituten und Versicherungen nicht offen. Hier ist die Höchstlaufzeit und eine anschließende Cooling-Off Phase zwingend.

Bestandsaufnahme des Prüfungsmandats notwendig

Entsprechend der Empfehlung der Generaldirektion Binnenmarkt der EU-Kommission sollen die Regelungen der AP-VO, bei dem Kalenderjahr entsprechenden Geschäftsjahren, ab dem Geschäftsjahr 2017 beachtet werden. Dem Aufsichtsrat bzw. dem Prüfungsausschuss obliegt es zu prüfen, ob eine Ausschreibung notwendig ist, wenn eine Wiederbestellung für das 11. Jahr in Folge beabsichtigt wird. Hierfür ist für das kommende Geschäftsjahr 2017 zunächst eine Bestandsaufnahme durchzuführen und festzustellen, seit wann der Abschlussprüfer sein Prüfungsmandat für die Gesellschaft ausübt.

Für die Ermittlung der Höchstlaufzeit ist neben dem Beginn des Mandatsverhältnisses zu ermitteln, ab wann die Gesellschaft die Kriterien einer PIE erfüllt. Für die Ermittlung der Höchstlaufzeit sind nur die Jahre, in denen die Gesellschaft eine PIE war, maßgeblich. Unterbrechungen führen zu einem Neubeginn der Zählung.

Grenzen und Übergangsregelungen

Unter Berücksichtigung der Übergangsregelungen aus der AP-VO und dem EGHGB ergibt sich folgendes für PIE (deren Geschäftsjahr dem Kalenderjahr entspricht):

  • Erstbestellung vor dem Geschäftsjahr 1994: letztmalige Bestellung ohne Ausschreibung für das Geschäftsjahr 2019. Für eine Bestellung für das Geschäftsjahr 2020 muss eine öffentliche Ausführung durchgeführt werden, von der der bisherige Abschlussprüfer ausgeschlossen ist;
  • Erstbestellung zwischen Geschäftsjahr 1995 und Geschäftsjahr 2003: letztmalige Bestellung ohne Ausschreibung für das Geschäftsjahr 2022. Für eine Bestellung für das Geschäftsjahr 2023 muss eine öffentliche Ausschreibung durchgeführt werden, von der der bisherige Abschlussprüfer ausgeschlossen ist;
  • Erstbestellung im Geschäftsjahr 2004, 2005 oder 2006: Für das Geschäftsjahr 2017 ist zwingend eine öffentliche Ausschreibung notwendig, da die Höchstdauer von 10 Jahren deutlich überschritten ist. Es wurde eine spezielle Übergangsregelung für diese Fälle geschaffen. Der bisherige Abschlussprüfer darf sich im Rahmen der Ausschreibung um eine Verlängerung des Mandats um weitere 10 bzw. 14 Jahre bewerben;
  • Erstbestellung im Geschäftsjahr 2007: Die Höchstdauer würde überschritten, bei einer Wiederbestellung für das Geschäftsjahr 2017. Für das Geschäftsjahr 2017 ist zwingend eine öffentliche Ausschreibung notwendig. Der bisherige Abschlussprüfer darf sich im Rahmen der Ausschreibung um eine Verlängerung des Mandats um weitere 10 bzw. 14 Jahre bewerben;
  • Erstbestellung im Geschäftsjahr 2008 und später: Für das Geschäftsjahr 2017 bzw. jeweils für das 10. Geschäftsjahr in Folge kann letztmalig das Mandat verlängert werden. Im darauffolgenden Geschäftsjahr ist eine öffentliche Ausschreibung durchzuführen, bei der sich der bisherige Abschlussprüfer um eine Verlängerung des Mandats um weitere 10 bzw. 14 Jahre bewerben darf.

Kleine Gesellschaften von Ausschreibungspflicht befreit

Das Unterlassen einer gesetzlich zwingenden Ausschreibung ist eine Ordnungswidrigkeit. Kleine und mittlere Gesellschaften und Gesellschaften mit geringer Marktkapitalisierung (Marktkapitalisierung der letzten drei Jahre < 100 Millionen Euro), sind von der Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung sowohl nach Ablauf der Höchstlaufzeit als auch bei einem Prüferwechsel befreit. Diese Gesellschaften können das Mandat auf bis zu 20 Jahre verlängern. Danach folgt die Cooling-Off Phase.

Auf Antrag der Gesellschaft kann das Prüfungsmandat ausnahmsweise noch bis zu zwei weitere Geschäftsjahre nach Ablauf der Höchstlaufzeit ohne Ausschreibung verlängert werden. Der Antrag muss bei der neu eingerichteten Abschlussprüferaufsichtsstelle gestellt werden.

Die öffentliche Ausschreibung

Die Durchführung der öffentlichen Ausschreibung richtet sich nach in der AP-VO genau festgelegten Regeln. Sie ist nicht mit einem Vergabeverfahren bei öffentlichen Aufträgen zu verwechseln. Die Federführung obliegt grundsätzlich dem Prüfungsausschuss. Sofern keiner eingerichtet ist, obliegt sie dem gesamten Aufsichtsrat. Es gibt auch weiterhin keine grundsätzliche gesetzliche Pflicht, einen Prüfungsausschuss einzurichten. Nachfolgend wird die öffentliche Ausschreibung dennoch für eine Gesellschaft mit einem eingerichteten Prüfungsausschuss beschrieben:

Erheblicher Aufwand der Durchführung

Zur Vorbereitung der öffentlichen Ausschreibung hat der Prüfungsausschuss zunächst Leitlinien und transparente, diskriminierungsfreie Kriterien für das Auswahlverfahren festzulegen. Das Unternehmen kann die Organisation des Auswahlverfahrens frei gestalten. Dies darf jedoch nicht zum Ausschluss kleinerer Wirtschaftsprüfungsgesellschaften führen. Nach Durchführung des Auswahlverfahrens spricht der Prüfungsausschuss dem Aufsichtsrat eine Empfehlung mit mindestens zwei Vorschlägen sowie eine sachlich begründete Präferenz aus. Der Prüfungsausschuss muss erklären, dass seine Empfehlung frei von ungebührlicher Einflussnahme Dritter ist und die Auswahl nicht auf bestimmte Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beschränkt war.

Der Aufsichtsrat ist nicht an die Empfehlung des Prüfungsausschusses gebunden, sofern die Abweichung sachlich begründet wird. Der Aufsichtsrat muss der Hauptversammlung, sofern kein Joint Audit beabsichtigt ist, aber lediglich einen Abschlussprüfer zur Wahl vorschlagen und die Empfehlung des Prüfungsausschusses erläutern.

Der Aufwand dieses Prozesses sollte vor der erstmaligen Durchführung der Ausschreibung nicht unterschätzt werden. Es empfiehlt sich, einen großzügigen Zeitplan vorzusehen.

Sanktionierung von Verstößen gegen die AP-VO

Es sind umfangreiche Sanktionen für Verstöße von Aufsichtsrat oder Prüfungsausschuss gegen die AP-VO erlassen worden. Verstöße gegen wesentliche Pflichten sind nun bußgeldbewehrt (Bußgeldrahmen bis zu EUR 50.000). Bußgeldbewehrte Verstöße sind z.B.:

  • Vorlage einer Empfehlung für die Bestellung des Abschlussprüfers, die nicht den Anforderungen der AP-VO entspricht;
  • Unterlassen einer gesetzlich zwingenden öffentlichen Ausschreibung;
  • Unterlassen der Mitteilung an die Hauptversammlung, welche Abschlussprüfer in der engeren Auswahl standen und aus welchen Gründen die Empfehlung zugunsten des vorgeschlagenen Abschlussprüfers gefallen ist;
  • Unterlassen der Erläuterung der Hauptversammlung, dass der Vorschlag zur Wahl des Abschlussprüfers frei von ungebührlicher Einflussnahme Dritter ist und dem Aufsichtsrat keine unzulässigen Vertragsklauseln auferlegt wurden.

Lässt sich ein Aufsichtsratsmitglied zusätzlich noch einen Vermögensvorteil versprechen, dann kann der Tatbestand einer Straftat erfüllt sein. Die Abschlussprüferaufsichtsstelle veröffentlicht alle verhängten Sanktionen („naming & shaming„).

Neues Anforderungsprofil von Aufsichtsratsmitgliedern

Das AReG sieht ein neues Anforderungsprofil von Aufsichtsratsmitgliedern vor. Der Gesetzgeber hat das Gebot der Unabhängigkeit des Finanzexperten im Aufsichtsrat aus dem Aktiengesetz gestrichen. Im aktuellen Deutschen Corporate Governance Kodex wird aber weiterhin die Wahl von unabhängigen Mitgliedern in angemessener Form empfohlen. Das neue Anforderungsprofil fordert, dass der Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit über Sektorenkenntnis verfügt, in dem die Gesellschaft tätig ist. Dieses Merkmal ist zwar sehr unbestimmt, es gilt jedoch im Sinne einer guten Governance, diesem neuen Kriterium bei der Besetzung künftiger Aufsichtsräte gebührend Rechnung zu tragen.

Der Beitrag basiert auf einem Text der Autorin, der zuerst bei www.armid.de veröffentlicht wurde.

Tags: Abschlussprüferreform