Insbesondere der Kaufpreis ist aktuell schwer verhandelbar. Hilft hier ein Earn-out? Dies ist im Einzelfall und mit Vorsicht zu beantworten.
Die aktuelle COVID-19-Krise hat auch den M&A-Markt nachhaltig beeinflusst. Viele Unternehmen sind besonders betroffen, etwa im Luftfahrt-, Tourismus-, Veranstaltungs- und Hotelsektor. Damit einher geht zumeist eine enorme finanzielle Belastung. Diese kann es aus Sicht des Unternehmens erforderlich machen, sich nach einem neuen Investor umzuschauen oder weniger lukrative Unternehmensbereiche abzustoßen.
Oft steht aber der ursprünglich avisierte Kaufpreis, beispielsweise infolge von gravierenden Umsatzeinbußen, nun außer Verhältnis zum aktuellen Unternehmenswert.
Earn-out-Klauseln: Kaufpreis mit ergebnisabhängigem Bonus
Eine Lösung kann in einer Earn-out-Klausel liegen. Hier sagt der Käufer über einen fixen Kaufpreis hinaus einen variablen Betrag zu, der sich in Abhängigkeit von der künftigen Entwicklung des Zielunternehmens berechnet. Der Earn-out wird nur dann fällig, wenn innerhalb eines bestimmten Zeitraumes ein zuvor festgelegter Referenzstand erreicht wird. Anknüpfungspunkte können etwa bestimmte für das Unternehmen wichtige Milestones (z.B. Marktreife neuer Technologien oder Produkte, Erreichen eines vordefinierten Kundenstamms) oder das Erreichen bestimmter Finanzkennzahlen sein. In vorliegenden Fällen oft die alte Stärke des Unternehmens und dessen ursprünglicher Umsatz. Letzteres war 2019 in 40 Prozent der 466 von CMS in Europa betreuten Transaktionen der Fall.
Wird der Schwellenwert dagegen nicht erreicht, geht der Verkäufer häufig leer aus – auch wenn die vereinbarte Schwelle nur knapp verpasst wurde (sog. all-or-nothing-Klausel).
Im Jahr 2019 wurde in Europa in jeder fünften von CMS betreuten Transaktionen ein Earn-out vereinbart. In 60 Prozent der Fälle wurde dabei ein Referenzzeitraum von 12 bis 36 Monaten vorgesehen, in 17 Prozent von mehr als 36 Monaten.
Bei der Vertragsgestaltung ist stets ein besonderes Augenmerk auf die möglichst eindeutige Berechnung des Referenzwerts zu legen. Anderenfalls sind Post-M&A-Streitigkeiten vorprogrammiert.
Frage: Earn-out-Klauseln trotz oder gerade wegen COVID-19 als Ausweg?
Auf den ersten Blick mag eine Earn-out-Vereinbarung als die Antwort auf die durch die COVID-19-Pandemie ausgelöste Unsicherheit und die Umsatzeinbrüche vieler Unternehmen in M&A-Situationen erscheinen.
Neben der Überbrückung divergierender Kaufpreisvorstellungen kann der Verkäufer über das Closing hinaus an der erhofften positiven Entwicklung des Zielunternehmens auf dem Weg zurück zur Normalität partizipieren. Dies kann Anreize schaffen, wenn es wichtig ist, den Verkäufer an Bord zu halten. Insbesondere bei PE-Transaktionen, Teilverkäufen, Rückbeteiligungsmodellen, Joint Ventures oder dem Verkauf von Start-ups kann dies der Fall sein.
Antwort: Earn-out-Klauseln helfen nur bedingt
Es gilt aber immer zu beachten, dass der Verkäufer nach dem Closing zumeist keinen Einfluss mehr auf den weiteren Geschäftsgang des Targets hat. Dem Käufer ist es somit grundsätzlich möglich, die Schwellenwertberechnung zu beeinflussen (zu den Vor- und Nachteilen von Earn-out-Klauseln vgl. auch Meyding/Grau, NZG 2011, 41, 42).
Es drohen Manipulationen und Rechtsstreitigkeiten. Dem kann zwar mit bestimmten vertraglichen Vereinbarungen entgegengewirkt werden. Dies erfordert aber oftmals die Fortführung des Unternehmens auf stand-alone-Basis und erschwert eine Post-Merger-Integration in den Konzern des Käufers.
Zudem besteht das Risiko, dass der Verkäufer jeglicher Mitwirkungshandlungen nach dem Closing entsagt, wenn feststeht, dass der relevante Schwellenwert ohnehin nicht erreicht werden wird oder umgekehrt bereits erreicht wurde. Letzteres ist denkbar, wenn der Referenzstand zu niedrig angesetzt wurde, weil die Auswirkungen von COVID-19 unter- oder überschätzt wurden. Aus diesen Gründen sind insbesondere die oben angesprochenen all-or-nothing-Klauseln nicht unproblematisch.
Flexible Earn-out-Klauseln mit Schwellenwertleveln und stufenweiser Bonuszahlung
Um den im Zusammenhang mit Covid-19 gegebenen Unsicherheiten wirksam begegnen zu können, scheint in bestimmten Fällen jedenfalls eine flexible Earn-out-Klausel sinnvoll. Diese berücksichtigt die Unwägbarkeiten der COVID-19-Krise wie folgt:
Statt einer all-or-nothing-Klausel könnte eine Vereinbarung getroffen werden, die verschiedene Schwellenwerte berücksichtigt und den Earn-out gestaffelt fällig stellt. Durch die verschiedenen Schwellenwertlevel wird das Risiko der Transaktion, der künftigen Entwicklung der Zielgesellschaft und der gesamtwirtschaftlichen Lage adäquat auf beide Seiten aufgeteilt. Soll der Verkäufer zudem nach wie vor an das Unternehmen gebunden werden, wird hierdurch der Anreiz aufrechterhalten, dass sich dieser in der Integrationsphase weiterhin voll für das Target einsetzt.
Im Ergebnis gilt: Oft verhandelt, selten vereinbart
Angesichts der COVID-19-immanenten Unsicherheit und der Frage danach, wie lange die Pandemie anhält und in welchem Maße sich ihre Spätfolgen auf die Wirtschaft auswirken, wäre es dabei kaum verwunderlich, wenn sich die Earn-out-Zeiträume künftig verlängern würden.
Auch steht zu erwarten, dass die EBIT / EBITDA-basierten Earn-outs, wie auch im Zuge der Finanzkrise 2008, zugunsten von Turnover-basierten Earn-outs zurückgehen werden. Ob zudem Earn-out-Klauseln künftig generell stark zunehmen werden, was eine ähnliche Entwicklung wie während der Finanzkrise 2008 nachbilden würde, wird die Zukunft zeigen. Derzeit ist allenfalls ein moderater Anstieg zu beobachten. Dies liegt auch an den dargestellten Risiken und Nachteilen. Daher gilt: „oft verhandelt, selten vereinbart″. Für die Verhandlungen sollte man daher in jedem Fall gewappnet sein.