29. April 2021
Eilrechtsschutz Ausschluss Gesellschafter
Corporate / M&A

Eilrechtsschutz gegen Ausschluss als Gesellschafter

Eine Entscheidung des OLG München wirft die Frage auf, unter welchen Umständen ein ausgeschlossener Gesellschafter gerichtlichen Eilrechtsschutz gegen seine Ausschließung in Anspruch nehmen kann.

Wird in einer GmbH ein Beschluss über die Ausschließung eines Gesellschafters gefasst und von der Versammlungsleitung festgestellt, ist der Ausgeschlossene auf einstweiligen Rechtsschutz angewiesen, wenn er gegen seine Ausschließung vorgehen möchte. Nur so kann der Ausgeschlossene erwirken, in der Zwischenzeit (bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über seine Anfechtungsklage) weiterhin als Gesellschafter behandelt zu werden.

Anderenfalls reicht die Geschäftsführung der GmbH eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister ein, in welcher der Ausgeschlossene nicht mehr als Gesellschafter ausgewiesen ist. Dies hat zur Folge, dass der Ausgeschlossene (selbst wenn der Ausschluss gar nicht wirksam ist) als Nicht-Gesellschafter zu behandeln wäre.

Gesellschafter einer Zwei-Personen-Gesellschaft sollte ausgeschlossen werden und wehrte sich mit einstweiliger Verfügung vorsorglich gegen Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste 

Die Entscheidung des OLG München (Urteil vom 2. Dezember 2020 – 7 U 4305/20 = GWR 2021, 164 m. abl. Anm. Dietlein/Schubert) betraf die Konstellation einer Zwei-Personen-Gesellschaft, deren Satzung über den Ausschluss von Gesellschaftern / die Einziehung von Geschäftsanteilen keine Regelung vorsah. Für einen wirksamen Gesellschafterausschluss wäre daher erst ein gerichtliches Gestaltungsurteil nach erfolgreich erhobener Ausschlussklage erforderlich gewesen.

Im Nachgang der streitigen Gesellschafterversammlung und der erlassenen einstweiligen Verfügung wurde der Ausgeschlossene zu weiteren Gesellschafterversammlungen eingeladen; bei einer solchen wurde auch die Erhebung einer Ausschließungsklage durch die Gesellschaft beschlossen.

Die Entscheidung des OLG München ist in zahlreichen Urteilsanmerkungen aus der Praxis dahingehend (miss)verstanden worden, in einer solchen Konstellation seien die Hürden für einen Verfügungsgrund generell hoch. Dieser Eindruck ergibt sich auch aus den sehr allgemein formulierten, redaktionellen Leitsätzen der Entscheidung. Bei genauerem Hinsehen kann diese Schlussfolgerung aus der Entscheidung des OLG München allerdings nicht gezogen werden.

Das OLG München hob die einstweilige Verfügung auf, weil der Kläger einen Verfügungsgrund nicht glaubhaft gemacht habe. Seine Entscheidung stützte das OLG auf zwei Haupt- und zwei Hilfsargumente:

  • Der Kläger habe die Gefahr der Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste weder behauptet noch glaubhaft gemacht. Vielmehr sei der Gesellschaft bewusst gewesen, dass der Kläger weiterhin ihr Gesellschafter sei, was sich daraus ergebe, dass er zu weiteren Gesellschafterversammlungen eingeladen wurde.
  • Ein solches Bewusstsein der Gesellschaft folge auch daraus, dass die Gesellschafter nunmehr auch eine Ausschlussklage erhoben hätten. Offenbar respektiere die Gesellschaft die Gesellschafterposition des Klägers bis zu einem rechtskräftigen Ausschließungsurteil.
  • Jedenfalls sei die Gefahr der Aufnahme einer geänderten Gesellschafterliste ja „auch schon deshalb derzeit nicht erheblich“, weil das Registergericht die Satzung der Gesellschaft, das Fehlen einer Satzungsregelung über den Ausschluss und auch den Gesellschafterbeschluss kenne und daher die Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste verweigern müsste. 
  • Schließlich müsste die Geschäftsführung dem Ausgeschlossenen vor Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste noch Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Sobald dies ansteht, könne der auszuschließende Gesellschafter gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen.

OLG München setzt praxisferne Kriterien für den Verfügungsgrund gegen die Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste 

Letztlich überzeugt keines der Argumente des OLG München.

Die Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung ergab sich in der Konstellation einer Zwei-Personen-Gesellschaft bereits daraus, dass die Mitgesellschafterin (50 %) nach Aufnahme einer geänderten Gesellschafterliste wesentliche Entscheidungen der Gesellschaft (auch Satzungsänderungen) im Alleingang hätte treffen können. Ist ein Gesellschafter nicht mehr in der beim Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen, ist er auch nicht mehr als Gesellschafter zu behandeln (negative Legitimationswirkung der Gesellschafterliste, § 16 Abs. 1 GmbHG).

Die weiteren Einladungen des Klägers zu Gesellschafterversammlungen hat das OLG in ihrem Bedeutungsgehalt verkannt. Diese erfolgten nämlich nur, weil die Geschäftsführung der Gesellschaft hierzu durch die einstweilige Verfügung des Landgerichts verpflichtet worden war.

Auch lässt sich aus der Beschlussfassung der Gesellschafter über die Erhebung der Ausschlussklage nicht ableiten, dass die Geschäftsführung der Gesellschaft die Gesellschafterstellung des Klägers respektiere. Zum einen waren Geschäftsführung und Gesellschafter nicht personenidentisch. Zum anderen hätte die Mitgesellschafterin (Zwei-Personen-Gesellschaft) die Ausschlussklage auch allein erheben können. Der Gesellschafterbeschluss über die Erhebung der Ausschlussklage dürfte weniger in Anerkennung der fortdauernden Gesellschafterstellung des Klägers erfolgt sein als mit dem Zweck, die Anwalts- und Gerichtskosten der Klage auf die Gesellschaft zu verlagern.

Den Registergerichten kommt nach h.M nur ein formelles Prüfungsrecht der Gesellschafterliste zu. Die Gründe der Änderung in der Gesellschafterliste müssen gar nicht angegeben werden, so dass sich die Prüfung des schlicht verwahrenden Registergerichtes schon nicht auf die Satzungsgrundlage bezieht. In jedem Fall ist die Einschätzung des OLG, ein Registergericht werde die geänderte Gesellschafterliste wegen positiver Kenntnis der Unwirksamkeit des Ausschlusses schon nicht aufnehmen, sehr optimistisch (und wenig praxisnah).

Auch der Verweis des OLG auf die Pflicht der Geschäftsführung zur Anhörung des zu löschenden Gesellschafters ist nicht zutreffend. Eine solche grundsätzliche Pflicht zur Anhörung lässt sich aus § 40 GmbHG nicht ableiten. Selbst bei Verletzung einer solchen Pflicht wäre die Gesellschafterliste wirksam eingereicht; nach seiner eigenen Löschung könnte der Ausgeschlossene eine Pflichtverletzung noch nicht einmal effektiv sanktionieren.

Auswirkungen auf Gesellschafterstreitigkeiten: Erhöhte Glaubhaftmachungslast für Verfügungsgrund

Das Urteil des OLG München vom 2. Dezember 2020 wird in Gesellschafterstreitigkeiten künftig eine Rolle spielen. 

Die Entscheidung darf allerdings nicht dahingehend missverstanden werden, die Anforderungen für gerichtlichen Eilrechtsschutz gegen die Ausschließung als Gesellschafter seien grundsätzlich hoch. Bereits ein (vorläufig verbindlicher) Ausschließungsbeschluss indiziert das Vorliegen eines Verfügungsgrundes. Ist der Ausschließungsbeschluss einmal gefasst, ist er unverzüglich durch Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste zu „vollziehen″. Dies gilt auch, wenn nur die Ausschließung, nicht aber die Einziehung beschlossen worden ist. Bereits durch den Ausschluss verliert der Ausgeschlossene seine Gesellschafterrechte (mit Ausnahme des Abfindungsanspruchs). Der Einziehungsbeschluss kann auch erst zu einem späteren Zeitpunkt gefasst werden (BGH, Urteil vom 4. August 2020 – II ZR 171/19 = EWiR 2021, 103 m. Anm. Otte/Dietlein).

Es ist gleichwohl davon auszugehen, dass eine Vielzahl von Gerichten die (missglückte) Entscheidung des OLG München in Zukunft als Prüfungsmaßstab heranziehen wird, wenn über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung von Mitgliedschaftsrechten zu befinden ist. Neben dem Verfügungsanspruch (Unwirksamkeit des Gesellschafterausschlusses) muss daher auch der Verfügungsgrund des Gesellschafters sorgfältig herausgearbeitet werden. Den Einwänden des OLG München, warum ein solcher Verfügungsgrund im Einzelfall nicht bestehe, sollte bereits in der Antragsschrift antizipierend begegnet werden.

Neben dem Einreichungsverbot ist auch die Weiterbehandlung als Gesellschafter durch die Gesellschaft zu beantragen. So ist der Gesellschafter nämlich auch dann geschützt, wenn die Geschäftsführung bereits eine geänderte Gesellschafterliste beim Handelsregister eingereicht hat.

Tags: Ausschluss Eilrechtsschutz Gesellschafter Gesellschafterliste Verfügungsgrund