17. Oktober 2018
Einziehung GmbH-Geschäftsanteile
Corporate / M&A

Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen

Der BGH bestätigt seine Rechtsprechung zur Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen - Nichtigkeit des Einziehungsbeschlusses trotz stiller Reserven

Der BGH bestätigt mit seinem Urteil vom 26. Juni 2018 – II ZR 65/16 die Grundsatzentscheidung von 2012 (Urteil v. 24. Januar 2012 – II ZR 109/11) und die Entscheidung von 2016 (Urteil v. 10. Mai 2016 – II ZR 342/14) zur Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen. Die Entscheidung des BGH dient nicht nur der Rechtssicherheit, da die Voraussetzungen eines wirksamen Einziehungsbeschlusses bei einer schwierigen Finanzlage der Gesellschaft noch einmal bestätigt und konkretisiert werden. Vor allem Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH verhilft sie zu Klarheit, wann ein Einziehungsbeschluss nichtig ist und wann mit einer persönlichen Haftung der Gesellschafter für die Abfindungsansprüche der ausscheidenden Gesellschafter zu rechnen ist.

Gesellschafterin verlangte Abfindung wegen Einziehung ihrer Geschäftsanteile

Die ausscheidende Gesellschafterin einer GmbH verlangte eine Abfindung, nachdem die Gesellschafterversammlung beschlossen hatte, ihren Geschäftsanteil wegen Verletzung der Gesellschafterpflichten einzuziehen (1. Einziehungsbeschluss). Die ausscheidende Gesellschafterin erklärte drei Monate später ihrerseits die Kündigung der Gesellschaft. Die Gesellschafter beschlossen zwar die Fortsetzung der Gesellschaft, jedoch ohne einen weiteren Beschluss über die Einziehung oder Abtretung des Geschäftsanteils zu fassen. Die ausgeschiedene Gesellschafterin erhielt eine Abfindungszahlung in Höhe von DM 60.500,00 (EUR 30.933,16).

Sechs Jahre später fasste die Gesellschafterversammlung erneut einen Beschluss über die Einziehung des Geschäftsanteils der Gesellschafterin (2. Einziehungsbeschluss) und auch darüber, den noch zu zahlenden Abfindungsbetrag durch ein Sachverständigengutachten ermitteln zu lassen. Die ausscheidende Gesellschafterin klagte erfolgreich gegen die Gesellschaft auf Zahlung einer weiteren Abfindung in Höhe von EUR 167.680,84. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Vorinstanzen verlangten die Auflösung stiller Reserven

In der ersten Instanz wurde der Klage der ausscheidenden Gesellschafterin auf Zahlung einer weiteren Abfindung in Höhe von EUR 167.680,84 stattgegeben. Die von der Gesellschaft eingelegte Berufung wurde vom OLG Dresden (Urteil v. 9. März 2016 – 13 U 135/15) zurückgewiesen.

Das Berufungsgericht entschied, dass die Gesellschaft sich hinsichtlich der Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses nicht auf das unzureichende freie Vermögen berufen könne. Sie sei gehalten, stille Reserven zu realisieren, die sich nach den Feststellungen des Sachverständigen auf insgesamt EUR 393.251 belaufen hätten. Es ging daher davon aus, dass der erste Einziehungsbeschluss der Gesellschaft vom 26. Juni 2000 wirksam sei, auch wenn zu diesem Zeitpunkt feststand, dass das Einziehungsentgelt nicht aus freiem, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigendem Vermögen gezahlt werden kann. Das freie Vermögen der Gesellschaft betrug laut einem Sachverständigen EUR 82.829, 00 und damit nur knapp die Hälfte des von der ausscheidenden Gesellschafterin geforderten Einziehungsentgelts in Höhe von EUR 167.680,84.

Das Berufungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass die nach der Entscheidung des BGH von 2012 bestehende Verpflichtung der Gesellschafter, zur Vermeidung einer persönlichen Haftung gegebenenfalls stille Reserven aufzulösen, auf die Gesellschaft entsprechend zu übertragen sei. Nicht nur die Gesellschafter seien verpflichtet, sondern auch die Gesellschaft selbst, die stillen Reserven zu realisieren oder sogar die Gesellschaft aufzulösen, um ausreichend Vermögen für die Auszahlung des Einziehungsentgelts zur Verfügung zu haben. Denn der ausscheidende Gesellschafter wäre somit nicht auf einen zeit- und kostenintensiven Klageweg gegen die übrigen Gesellschafter verwiesen. Im Übrigen würde sich die finanzielle Situation der Gesellschaft nicht verschlechtern, da es keinen Unterschied darstelle, ob die Gesellschaft die stillen Reserven realisiere oder erst die verbliebenen Gesellschafter diesen Schritt vornehmen würden.

Argumentation des BGH – keine Verpflichtung zur Auflösung stiller Reserven

Der BGH erteilt dieser Ansicht und Auslegung der vorangegangenen Grundsatzentscheidung von 2012 eine Absage. Für einen wirksamen Einziehungsbeschluss sei die Gesellschaft nicht zur Auflösung stiller Reserven verpflichtet. Der BGH hält in der Revisionsentscheidung an seiner bisherigen Rechtsprechung fest und bestätigt den in der Grundsatzentscheidung von 2012 zu den Anforderungen an einen wirksamen Einziehungsbeschluss und im Urteil von 2016 weiter entwickelten folgenden Grundsatz:

Für die Bestimmung der Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses der Gesellschaft ist die bilanzielle Betrachtungsweise der Vermögenslage zum Zeitpunkt der Beschlussfassung maßgeblich.

Entscheidender Zeitpunkt: Beschlussfassung über die Einziehung von Geschäftsanteilen

Wenn bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Einziehung feststeht, dass die Zahlung des Einziehungsentgelts an den ausscheidenden Gesellschafter nur unter Verletzung von §§ 34 Abs. 3, 30 GmbHG möglich ist, ist der Einziehungsbeschluss analog § 241 Nr. 3 AktG wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Kapitalerhaltung nichtig. In diesem Fall bleibt der Geschäftsanteil des betroffenen Gesellschafters bestehen und geht nicht unter. Es wird von vornherein keine Einziehungsvergütung geschuldet.

Wenn im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch nicht feststeht, dass die Zahlung des Einziehungsentgelts an den ausscheidenden Gesellschafter die Kapitalerhaltungsvorschriften nach §§ 34 Abs. 3, 30 GmbHG verletzt und sich das freie Vermögen erst später als unzureichend herausstellen wird, kann der Einziehungsbeschluss wirksam gefasst werden. Das Kapitalerhaltungsgebot nach §§ 30, 34 GmbHG steht jedoch dann der eigentlichen Auszahlung entgegen, wenn sie nicht aus freiem Vermögen möglich ist.

Bilanzielle Betrachtung der Vermögenslage

Ein Verstoß gegen §§ 34 Abs. 30 GmbHG ist dann anzunehmen, wenn Auszahlungen an (ausgeschiedene) Gesellschafter nicht aus freiem, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigenden Vermögen der Gesellschaft vorgenommen werden können und zur Entstehung oder Vertiefung einer Unterbilanz führen.

Das Vorliegen der Unterbilanz bestimmt sich dabei nicht nach den Verkehrswerten der Gesellschaft, sondern nach den Buchwerten einer stichtagsbezogenen Handelsbilanz. Stille Reserven, die nicht aus der Bilanz ersichtlichen Bestandteile des Eigenkapitals, finden also keine Berücksichtigung und berechtigen die Gesellschaft nicht zur Auszahlung eines Einziehungsentgelts.

Gläubigerschutz versus Abfindungsinteresse des Altgesellschafters

Die vorstehenden Grundsätze des BGH dienen der Kapitalerhaltung in der Gesellschaft und damit den Interessen und dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger. Der Kapitalerhaltungsgrundsatz gilt jedoch nur unmittelbar im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem ausscheidenden Gesellschafter. Im Verhältnis der Gesellschafter untereinander haben diese eine gegenseitige Treuepflicht zu beachten. Die Treuepflicht greift in der folgenden Konstellation. Der Einziehungsbeschluss ist wirksam, weil bei Beschlussfassung noch ausreichend freies Vermögen vorhanden ist, die finanzielle Situation der Gesellschaft verschlechtert sich nach Fassen des Beschlusses jedoch so, dass die Auszahlung des Einziehungsentgelts an sich gegen §§ 34 Abs. 3, 30 GmbHG verstößt.

Für diesen Fall hat der BGH in seinem Urteil von 2016 eine subsidiäre anteilige persönliche Haftung der übrigen Gesellschafter angenommen, um die Vermögensinteressen des ausgeschiedenen Gesellschafters zu schützen. Die Haftung der Gesellschafter, die den Einziehungsbeschluss gefasst haben, entsteht in dem Zeitpunkt, ab dem die Fortsetzung der Gesellschaft unter Verzicht auf Maßnahmen zur Befriedigung und Auszahlung des ausgeschiedenen Gesellschafters als treuwidrig anzusehen ist. Beispielsweise weil die Gesellschafter eine Auflösung stiller Reserven treupflichtwidrig unterlassen haben. Denn andernfalls würden sich die verbliebenen Gesellschafter den Mehrwert des eingezogenen Anteils bei Fortsetzung der Gesellschaft nach Fassen des Einziehungsbeschlusses treuwidrig einverleiben.

Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen: Bedeutung in der (Unternehmens-)Praxis

Vorbeugend sollten Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH vor jedem Einziehungsbeschluss die aktuelle Handelsbilanz prüfen. Die Gesellschafter können dann gegebenenfalls vor Beschlussfassung dafür sorgen, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung ausreichend Vermögen vorhanden ist. Beispielsweise durch tatsächliche Auflösung der stillen Reserven oder durch Ausstattung des Unternehmens mit ausreichend Eigenkapital durch Gesellschaftermittel.

Die Gesellschafter sollten zwischen dem eigenen Interesse, eine persönliche Haftung zu vermeiden, und den Interessen der Gesellschaft abwägen. Denn mit der Auflösung stiller Reserven im Vorfeld der Beschlussfassung können im Einzelfall wirtschaftliche und steuerliche Nachteile für das Unternehmen verbunden sein.

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