Ausländische Direktinvestitionen (FDI) werden mit einem gewissen Misstrauen betrachtet. In Europa ist die Überzeugung gewachsen, dass eine staatliche Kontrolle notwendig ist. Dieser Beitrag unserer Serie beleuchtet die Rechtslage in Russland.
Nach unserem ersten Beitrag zum Thema Investitionskontrollen soll hier die Situation in der Russischen Föderation dargestellt werden. Anders als in den bereits behandelten Jurisdiktionen Polen, Tschechien, Rumänien und Ungarn spielen europäische Regelungen keine unmittelbare Rolle. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die neuen europäischen Regelungen bisher zu Reaktionen des russischen Gesetzgebers geführt hätten.
Keine gesetzgeberischen Aktivitäten erforderlich
Derzeit sind in der Russischen Föderation (RF) keine verstärkten Tendenzen hin zu einer Beschränkung des Marktzugangs für ausländische Unternehmen zu beobachten. Allerdings ist das entsprechende Instrumentarium bereits vorhanden, so dass aktuell keine weitere Notwendigkeit für den Gesetzgeber besteht, aktiv zu werden. Die Zielrichtungen der Beschränkungen sind vielfältig: neben wirtschaftlichen Gründen spielen Aspekte der nationalen Sicherheit ebenso eine Rolle wie politische Aspekte. Der Schutz von Technologie, der in der EU meist im Vordergrund steht, wird weniger verfolgt.
Zentrale Bedeutung für die Regulierung des Marktzugangs hat das Gesetz über strategische Investitionen (Gesetz Nr. 57-FZ vom 29. April 2008), wonach Investitionen in strategisch für die Sicherheit und Verteidigung der RF bedeutsame Unternehmen einer staatlichen Kontrolle unterliegen. Strategisch bedeutsam in diesem Sinne sind Unternehmen, die bestimmte, im Gesetz aufgezählte Tätigkeiten ausüben. Die Aufzählung enthält 46 Tätigkeitsarten. Insbesondere sind Tätigkeiten erfasst;
- in Zusammenhang mit strahlenden Materialien,
- Tätigkeiten in der Verteidigungsindustrie, Luft- und Raumfahrt,
- Tätigkeiten in der Verbreitung von Informationen (Funk, Fernsehen, Presse),
- Aktivitäten in der Rohstoffgewinnung sowie
- speziell gefährliche Tätigkeiten wie die Arbeit mit Krankheitserregern.
Kontrolle über strategisch bedeutsame Unternehmen erfordert staatliche Erlaubnis
Die Kontrolle greift ein, wenn der Investor durch seine Beteiligung oder in anderer Weise die Kontrolle über das strategisch bedeutsame Unternehmen erwirbt. Dabei wird angenommen, dass ein ausländischer Investor ein Unternehmen kontrolliert, wenn er einen Anteil von mindestens 25% am stimmberechtigten Kapital der Gesellschaft erwirbt. Daneben kontrolliert ein Investor eine Gesellschaft auch dann, wenn er die Möglichkeit hat, das Exekutivorgan einer Gesellschaft oder mindestens die Hälfte des Aufsichtsorgans einer Gesellschaft einzusetzen. Ist das der Fall, muss eine staatliche Erlaubnis der Beteiligung beantragt werden. Über den Antrag entscheiden in einem zweistufigen Verfahren in der ersten Stufe die Antimonopolbehörde FAS und in der zweiten Stufe eine Regierungskommission unter Vorsitz des Premierministers.
Bisher ungenutzt: Erlaubnisvorbehalt bei jeglicher Beteiligung
Die Regierungskommission ist darüber hinaus bevollmächtigt, jegliche Beteiligung ausländischer Investoren an russischen Unternehmen unter Erlaubnisvorbehalt zu stellen, soweit dies zur Landesverteidigung oder Sicherheit des Staates erforderlich ist. Rechtsgrundlage dafür ist das Gesetz über ausländische Investitionen (Gesetz Nr. 160 FZ vom 09.07.1999). Bislang hat die Regierungskommission von dieser Befugnis allerdings nicht Gebrauch gemacht.
Ebenfalls aufgrund des Gesetzes über ausländische Investitionen unterliegt eine Beteiligung an einem russischen Unternehmen von mehr als 25% durch einen ausländischen Staat oder internationale Organisation der Genehmigungspflicht.
Absolute Beschränkungen ausländischer Beteiligungen gibt es in einigen Sektoren der Wirtschaft, ohne dass über ein Genehmigungsverfahren eine direkte staatliche Kontrolle ausgeübt würde. So ist in der Versicherungswirtschaft eine ausländische Beteiligung nur bis in Höhe von 49% am Kapital der jeweiligen Gesellschaft zulässig. Ist die Beteiligungsquote höher, darf eine solche Gesellschaft die wichtigsten Versicherungsarten nicht mehr anbieten. Will ein Gesellschafter einer Versicherungsgesellschaft seine Anteile ins Ausland verkaufen, bedarf er dafür einer Genehmigung.
Im Bankensektor gilt eine Quote von 50% ausländischen Kapitals im Sektor, die nicht überschritten werden darf. Wird die Quote erreicht, wird die Zentralbank keine Banklizenzen mehr erteilen und keine Kapitalerhöhungen in ausländischen Banken mehr zulassen.
Ausländische Beteiligung an Massenmedien bereits seit 2014 eingeschränkt
Im Bereich der Massenmedien gilt das Gesetz FZ Nr. 2147-1 „über Massenmedien″ vom 27. Dezember 1991. Nachdem anfänglich eine liberale Regelung galt, wird mittlerweile durch dieses Gesetz die Möglichkeit ausländischer Beteiligung an Massenmedien erheblich eingeschränkt. Eine Beteiligung eines ausländischen Investors ist seit der Novelle von 2014 nur noch bis in Höhe von 20% am stimmberechtigten Kapital eines Massenmediums zulässig. Die Beschränkungen hinsichtlich der Beteiligung ausländischer Unternehmen waren ursprünglich in der Gesetzgebung nicht enthalten und sind erst nachträglich in verschiedenen aufeinander folgenden Novellen eingeführt worden. Über diese Bestimmungen sind in den vergangenen Jahren praktisch alle ausländischen Investoren in russische Massenmedien außer Landes gedrängt worden.
Ebenfalls über das Gesetz „Über Massenmedien″ können ausländische Organisationen, die Informationen an eine unbestimmte Anzahl Personen (insbesondere über das Internet) zur Verfügung stellen, als ausländische Agenten eingestuft werden. Gleiches gilt für Personen und Organisationen, die sich über Zahlungen aus dem Ausland finanzieren. Als ausländische Agenten sind sie verpflichtet, die von ihnen verbreiteten Informationen entsprechend zu kennzeichnen. Weiterhin müssen sie halbjährlich über ihre Tätigkeit durch Internetpublikation Rechenschaft ablegen. In der Praxis werden diese Bestimmungen häufig auf politisch abweichende Personen angewandt.
Andere Beschränkungen existieren im Immobiliensektor. Hier können seit jeher Ausländer nicht Eigentümer von Agrarflächen sein. Miete und Pacht sind allerdings zulässig.
Gemäß Präsidialukaz Nr. 26 vom 9. Januar 2011 dürfen Ausländer nicht Eigentümer sogenannter grenznaher Grundstücke sein. Als grenznah gelten dabei sämtliche Grundstücke, die in entsprechende Listen aufgenommen sind. Seit 2019 gehören dazu sämtliche Grundstücke auf der Krim. Ausländische Eigentümer dieser Grundstücke sind gehalten, diese innerhalb einer Frist von einem Jahr zu veräußern.