2018 war ein turbulentes M&A-Jahr. Der anhaltend hohe Investitionsdruck und die geopolitische Unsicherheit zwangen Käufer dazu, mehr Risiken zu übernehmen.
Am 27. März 2019 war es wieder soweit: CMS hat die mittlerweile elfte Auflage der CMS European M&A-Study vorgelegt. In der diesjährigen M&A-Study haben wir 458 Share- und Asset-Deals ausgewertet, die 2018 europaweit von CMS begleitet wurden.
Wir freuen uns, dass wir damit 5 % mehr Transaktionen als im Vorjahr und in absoluten Zahlen mehr Transaktionen als jemals zuvor in den 11 vorherigen Berichtsjahren betreut und ausgewertet haben. Diese 458 Transaktionen haben wir mit insgesamt über 3.650 Transaktionen aus den Jahren 2010 bis 2017 verglichen.
Hierbei untersuchen wir in anonymisierter Form die Regelungen des zwischen den Parteien geschlossenen Unternehmenskaufvertrags anhand vorher festgelegter Parameter. Von Bedeutung sind insbesondere die Häufigkeit bestimmter Formen der Kaufpreisanpassung oder ob eine Versicherung gegen Garantieansprüche (sog. W&I-Versicherung) abgeschlossen wurde.
Anhand der aus der Auswertung gewonnenen Erkenntnisse können wir den Lesern der M&A-Study einen guten Eindruck vermitteln, wie hoch die Chancen sind, bestimmte Positionen – sei es als Verkäufer oder als Käufer – durchzusetzen. Auch wenn es sich dabei naturgemäß um eine rückschauende Betrachtung handelt, gewährt diese einen guten Einblick auch in das laufende M&A-Jahr 2019. Die Erfahrung zeigt, dass sich mit der M&A-Study in der (Hinter-)Hand in Vertragsverhandlungen der Gegenseite oftmals eine Position besser vermitteln lässt. Durch die M&A-Study bekommt dabei insbesondere der häufig verwendete Begriff „marktüblich″ eine verlässlichere Zahlenbasis und gewinnt an Argumentationskraft.
Ergebnisse der M&A-Study 2018 im Überblick
Die anhaltende Unsicherheit, wann und vor allem wie der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (Brexit) ablaufen wird, hat den europäischen Transaktionsmarkt im zweiten Halbjahr des Jahres 2018 deutlich beeinflusst. Die Transaktionstätigkeit ging hierbei um mehr als die Hälfte im Vergleich zum ersten Halbjahr 2018 zurück. Insbesondere das letzte Quartal war so schwach wie seit Anfang 2013 nicht mehr.
Auch die protektionistische Wirtschaftspolitik von Donald Trump dürfte einen nicht unerheblichen Anteil an einem Rückgang der durchgeführten Transaktionen gehabt haben. Im Rückblick ist es dennoch erstaunlich, wie wenig diese Ereignisse die Anzahl der abgeschlossenen Transaktionen aus unserer Sicht beeinflusst haben. Der M&A-Markt hat sich über das Gesamtjahr betrachtet erstaunlich stabil gezeigt – CMS hat sogar mehr Transaktionen als jemals zuvor untersucht. Insgesamt bleibt es nach wie vor bei einem allgemeinen Trend zur „verkäuferfreundlichen“ Risikoverteilung.
Stärkerer Einsatz von Locked-Box-Regelungen und Rückgang der Kaufpreisanpassung
Entgegen dem Trend der letzten Jahre ging der Anteil der Deals mit Kaufpreisanpassungsmechanismen 2018 gegenüber 2017 von 48 % auf 44 % zurück. Demgegenüber konnten wir eine deutliche Zunahme von Locked-Box-Mechanismen verzeichnen. Während 2017 nur 49 % aller Transaktionen eine Locked-Box-Regelungen enthielten, waren es 2018 bereits 59 %; eine überproportionale Steigerung. Im Zeitraum von 2010 bis 2017 lag der Anteil durchschnittlich bei nur 44 %. Dieser deutliche Anstieg von Locked-Box-Regelungen belegt den langanhaltenden Trend, dass die Vereinbarung fester Kaufpreise für die Parteien von M&A- Transaktionen und insbesondere für die Verkäufer eine immer größere Rolle spielt.
Im Jahr 2017 verteilte sich die Anwendung von Kaufpreisanpassungsmechanismen noch gleichmäßig auf Transaktionen jeder Größenordnung. 2018 kam die Regelung bei größeren Transaktionen häufiger vor (52 %) als bei kleineren (41 %). Wurde keine Kaufpreisanpassung vereinbart, kam die Locked-Box-Regelung ebenfalls bei größeren Transaktionen häufiger zur Anwendung (63 %), als bei den kleineren Abschlüssen (56 %).
Absenkung der Haftungshöchstgrenzen
2018 wurde bei 58 % der M&A-Transaktionen eine Haftungshöchstgrenze von weniger als
50 % des Kaufpreises angewandt. 2017 lag der Anteil bei 60 %. Lediglich bei 11 % der Deals wurde keine Haftungshöchstgrenze vereinbart. Bei 27 % der Transaktionen galt eine Haftungshöchstgrenze in Höhe des Kaufpreises. Damit blieben beide Werte im Vergleich zu 2017 nahezu stabil.
Die Zahlen deuten darauf hin, dass die Höhe der Haftungshöchstgrenze zwischen den Vertragsparteien und ihren Beratern weiterhin intensiv verhandelt wird und dass sich die Verkäufer bei diesen Verhandlungen verstärkt durchsetzen können. Dies hängt auch mit dem häufigeren Abschluss von W&I-Versicherungen zusammen.
Zunahme von Earn-out-Regelungen
Earn-outs waren 2018 mit einem Anteil von 23 % beliebt wie noch nie. Im Vergleich zum Vorjahr (21 %) wurde damit mittlerweile in knapp jeder vierten Transaktion ein Earn-out-Mechanismus vereinbart. Auch der Trend zu längeren Earn-out-Fristen setzt sich fort. 2018 stieg der Anteil der Transaktionen mit Earn-out-Fristen von 24 bis 36 Monaten auf 30 %. In 23 % der Transaktionen wurden sogar Fristen von mehr als 36 Monaten vereinbart. Bei großen Transaktionen sind die Fristen am längsten. In 50 % der Fälle sind sie länger als drei Jahre und sie betragen in jedem Fall über 24 Monate.
Im deutschsprachigen Raum waren Earn-outs mit 29 % nach wie vor besonders beliebt. In Frankreich stieg der Anteil der Abschlüsse mit Earn-out-Komponente von 8 % auf 19 %. Besonders bemerkenswert war der Anstieg im Vereinigten Königreich (von 15 % auf 25 %). Dies weicht von der sonst üblichen britischen Norm ab, nähert sich aber dem europäischen Durchschnitt von 23 % an. Der Anteil der Abschlüsse mit Earn-out-Regelung ging in den Benelux-Ländern 2018 gegenüber dem Vorjahr deutlich zurück, und zwar von 30 % auf 21 %. Damit entsprach das Niveau auch hier nahezu dem europäischen Durchschnitt. Das Bestreben der Käufer, das Risiko der künftigen Entwicklung des Zielunternehmens und des Gesamtmarkts mit dem Verkäufer durch Vereinbarung eines Earn-outs zu teilen, war zuletzt in den Wachstumsbranchen Technologie, Medien & Kommunikation und Lifesciences besonders ausgeprägt.
W&I-Versicherungen weiter im Aufwind
Die Verwendung von W&I-Versicherungen hat erneut leicht zugenommen und zwar um insgesamt 8 Prozentpunkte im Vergleich zum Zeitraum 2011 bis 2017 und um 3 Prozentpunkte im Vergleich zum Jahr 2017. Der Anteil der Transaktionen, für die eine W&I-Versicherung abgeschlossen wurde, stieg damit auf ein Rekordhoch von 17 %. Mit 38 % waren W&I-Versicherungen in großvolumigen Deals im Wert von mehr als 100 Mio. EUR am häufigsten anzutreffen.
Besonders interessant waren wieder die regionalen Unterschiede: während in den deutschsprachigen Ländern und dem Vereinigten Königreich die Verwendung von W&I-Versicherungen bei nahezu jeder vierten bzw. dritten Transaktion zu sehen ist, sind solche Versicherungen in Frankreich (5 %) und in Südeuropa (6 %) eher die Ausnahme.
Leichter Anstieg bei der Verwendung von Schiedsklauseln
2018 wurden Schiedsklauseln in 33 % der Transaktionen als Streitlösungsmittel gewählt, 2017 waren es nur 29 %. Im Durchschnitt der vorherigen acht Jahre (2010 bis 2017) wurde in 34 % der Transaktionen eine Schiedsklausel vereinbart. In Mittel- und Osteuropa ist eine weitere Zunahme von Schiedsklauseln (von 66 % auf 71 %) zu verzeichnen. In allen anderen Regionen wurden Schiedsklauseln vergleichsweise selten vorgesehen: in Frankreich nur in 10 %, im Vereinigten Königreich sogar nur in 9 % der Transaktionen.
Innereuropäische Unterschiede
Die M&A-Study stellt Jahr für Jahr teils signifikante Unterschiede in der Marktpraxis in den europäischen Ländern fest. Hieraus wird deutlich, dass die Risikoallokation immer noch stark vom jeweiligen Land abhängt und gerade lokale Besonderheiten oft Einfluss darauf haben, ob sich Käufer oder Verkäufer besser in Verhandlungen durchsetzen konnten. Nachfolgend ein paar der spannendsten Entwicklungen:
Im Durchschnitt enthielten 44 % aller Transaktionen in Europa einen Kaufpreisanpassungsmechanismus, allerdings variiert deren Anwendung innerhalb der europäischen Länder. Während in den Benelux- Ländern und Mittel- und Osteuropa kaum eine Veränderung zum Vorjahr festzustellen war, wurden Kaufpreisanpassungen insbesondere in Frankreich und den deutschsprachigen Ländern deutlich seltener eingesetzt (jeweils 31 %). 2017 waren es noch 42 % in Frankreich und 39 % in deutschsprachigen Ländern. Auch in Südeuropa sanken die Anwendungsfälle von 67 % auf bloße 48 %. In absoluten Zahlen kamen damit Kaufpreisanpassungsmechanismen im Vereinigten Königreich am häufigsten vor (55 %).
Innerhalb Europas variiert die Vereinbarung von Haftungshöchstgrenzen von mehr als 50 % des Kaufpreises ebenfalls sehr stark. Während in den Benelux- Ländern lediglich 21 % der Transaktionen eine solche Vereinbarung enthalten, sind es in Südeuropa 67 %. Auch in Frankreich (26 %) werden Haftungshöchstgrenzen von mehr als 50 % des Kaufpreises weniger häufig vereinbart.
Was waren die Deal-Treiber?
Zum ersten Mal in der Geschichte der M&A-Study haben wir untersucht, was die Käufer dazu veranlasst hat, die Transaktion abzuschließen – mit interessanten Ergebnissen: Bei 32 % der Transaktionen stellte die Übernahme eines Lieferanten (sog. „Sicherung der Lieferkette″) den Grund zum Abschluss einer Transaktion dar.
Bei 23 % der Deals war der Erwerb von Know-how oder Fachkräften (Acqui-hire-Transaktionen) die treibende Kraft. Bei 20 % der Transaktionen wurde ein Wettbewerber übernommen.
Es wird spannend sein zu sehen, wie sich diese Zahlen in künftigen Ausgaben der M&A-Study entwickeln.
Fazit: Umfassender Rückblick mit aufgezeigten Tendenzen für künftige Transaktionen
Die M&A-Study 2019 basiert auf 458 Transaktionen, bei denen CMS 2018 beratend tätig war, eine Steigerung um 5 % gegenüber dem Vorjahr und die höchste Anzahl überhaupt in der Geschichte der M&A-Study. Die M&A-Study ist damit die wahrscheinlich tiefgreifendste und umfassendste Studie im Markt.
Die Risikoverteilung wird nach wie vor bei Transaktionen intensiv verhandelt. Die weiter stärker werdende Verhandlungsmacht der Verkäufer äußert sich insbesondere darin, dass Locked-Box-Transaktionen zunehmen, dass es seltener zu nachträglichen Kaufpreisanpassungen kommt, dass die Haftungshöchstgrenzen der Verkäufer sinken und dass beim Abschluss von W&I-Versicherungen, die den Verkäufer, wenn auch auf eigene Kosten, von seiner Haftung befreien, wieder Rekordzahlen erreicht wurden.
Es ist und bleibt ungewiss, wie sich die künftigen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Europa nach dem Brexit gestalten werden. Dies wird sich sicherlich auf die M&A-Aktivitäten mit Beteiligung britischer Unternehmen auswirken. Abzuwarten bleibt, welche Chancen und Möglichkeiten sich für Investoren ergeben, die unter anderem übergeordnete strategische Ziele verfolgen oder die anhaltende Schwäche des britischen Pfund für sich nutzen wollen.