Mit Blick auf den geplanten Beitritt des seit 2006 unabhängigen Staates zur EU steht das montenegrinische Gesellschaftsrecht vor grundlegenden Änderungen. Diese sollen nachfolgend kurz skizziert werden.
Vor kurzem wurden durch eine Gesetzesreform (nachfolgend kurz das „Reformgesetz„) neue und umfassende Änderungen im montenegrinischen Gesellschaftsrecht eingeführt. Das Reformgesetz trat erstmals im Jahr 2002 in Kraft und nach einer Reihe von Änderungen im Laufe der Jahre zielt das nun in Kraft getretene Änderungspaket darauf ab, dem Reformgesetz einen stärkeren pro-europäischen Ansatz zu geben, der näher an der Rechtstradition der EU liegt.
An Europa ausgerichtete Reformen
Einer der offensichtlichen Gründe für die jüngsten Änderungen bestand darin, die im Laufe der Jahre in der Praxis offenbar gewordenen Gesetzeslücken zu schließen. Außerdem erleichtern die Änderungen die Integration Montenegros in den Binnenmarkt der Europäischen Union (EU) und tragen zur steigenden Attraktivität des montenegrinischen Anteils am Binnenmarkt für ausländische Investitionen und verschiedene Unternehmen aus der EU bei. Der Gesetzgeber hat offensichtlich auch die Bedürfnisse von Unternehmern verstanden, indem er die Verantwortlichkeiten der Hauptgeschäftsführer von Unternehmen spezifiziert und weiterentwickelt und ein Qualitätskonzept zum Schutz von Rechten, einschließlich des Schutzes der Kapitaleigentümer und insbesondere von Minderheitsaktionären, geschaffen hat.
Einführung der Zweigniederlassung und weitere Änderungen
Das Konzept der Zweigniederlassung wurde nun zum ersten Mal eingeführt. Das Reformgesetz legt ausdrücklich fest, dass Unternehmen ihre Tätigkeit auch durch Zweigniederlassungen ausüben können und zwar als separate Organisationseinheiten des Unternehmens ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Geschäftsadresse außerhalb des Firmensitzes liegt. Die Bestimmung, Bildung und Beendigung von Zweigniederlassungen ist somit erstmalig geregelt.
Darüber hinaus gibt es weitere Änderungen, die für das Tagesgeschäft von Unternehmen wichtig erscheinen, darunter:
- Unternehmen müssen eine E-Mail-Adresse beim Handelsregister registrieren;
- Das Reformgesetz beseitigt jede Verpflichtung für Unternehmen, Briefmarken zu verwenden. Diese Verpflichtung kann ihnen weder von Behörden noch von Einrichtungen wie Banken, Versicherungsgesellschaften, Makler- und Händlerfirmen auferlegt werden;
- Das Reformgesetz schreibt vor, dass Gesellschaften neben ihren eigentlichen den Hauptgegenstand der Unternehmung bestimmenden vorherrschenden Geschäftstätigkeiten (die, wie bisher, während des Gründungsprozesses registriert werden muss) auch weitere Tätigkeiten, also Nebentätigkeiten ausüben darf, soweit diese nicht gesetzlich verboten oder ausschließlich Gesellschaften anderer Rechtsform vorbehalten sind, vorausgesetzt diese Tätigkeiten sind ausdrücklich durch den Gründungsakt oder die Satzung vorgesehen.
Das Konzept spezifischer Pflichten z.B. von Geschäftsführern gegenüber dem eigenen Unternehmen war bislang im Gesetz nur vereinzelt geregelt, einige der Pflichten waren unzureichend ausgearbeitet, und einige gab es in der derzeitigen Fassung des Gesetzes nicht. Ihre Ergänzung und präzise Ausarbeitung haben eine der wichtigsten qualitativen Änderungen in diesem Reformgesetz bewirkt, vor allem im Hinblick auf die Verhinderung verschiedener Formen des Missbrauchs von Schlüsselpositionen in Unternehmen.
Darüber hinaus betont das Reformgesetz das Konzept der Transparenz. Pflichten zur Führung von Geschäftsaufzeichnungen und Dokumentationen (das Reformgesetz listet die Dokumente und Aufzeichnungen, zu deren Aufbewahrung Gesellschaften künftig verpflichtet sind, erschöpfend auf), sowie die Art und Weise der Ausübung des Rechts auf Einsicht in Aufzeichnungen und Dokumentationen durch die Gesellschafter werden nunmehr erstmalig konkret aufgeführt.
Was Aktiengesellschaften betrifft, führte das Reformgesetz ein zweistufiges System ein. Die Struktur des zweistufigen Systems besteht aus der Aktionärsversammlung sowie dem Aufsichtsrat und dem Vorstand wie dies zum Beispiel auch bei deutschen Aktiengesellschaften üblich ist im Gegensatz zu dem im Anglo-Amerikanischen Raum weit verbreiteten so genannten monistischen Board-System, bei dem Mitglieder der Exekutive und Aufsichtsratsmitglieder Teil eines einheitlichen Boards sind.
Auch grenzüberschreitende Verschmelzungen sollen bald möglich sein
Der 7. Abschnitt des Reformgesetzes führt das Modell grenzüberschreitender Verschmelzungen ein, das mit der Aufnahme Montenegros in der EU in Kraft treten soll. Diese Regeln beinhalten: Vereinfachte Regeln für grenzüberschreitende Verschmelzungen im Wege der Übernahme durch den Alleingesellschafter, eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der grenzüberschreitenden Verschmelzung und die Sicherung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer.
Die Änderungen implementieren viele EU-Empfehlungen, die zwar rechtlich nicht bindend sind, aber als Basis für das Reformgesetz von erheblichem Wert waren. Ferner implementiert das Reformgesetz Empfehlungen zu Vergütungsregelungen für Vorstandsmitglieder in börsennotierten Aktiengesellschaften sowie zur Unabhängigkeit von Vorstandsmitgliedern und Aufsichtsratsmitglieder in börsennotierten Unternehmen. Dadurch wird die Harmonisierung des montenegrinischen Rechtssystems mit EU-Recht erheblich verbessert und es wird hierdurch für ein investitionssichereres rechtliches Umfeld in Montenegro gesorgt.