7. Juni 2021
Projektentwicklung Kauf Baurechtschaffung
Corporate / M&A

Projektentwicklung – Bewertungsrisiko fehlendes Baurecht

Bewertungsunsicherheit und -risiko durch fehlendes Baurecht spielen beim Kauf einer Projektentwicklung eine große Rolle. Wie kann eine Absicherung gelingen?

Immobilientransaktionen erfordern meist, einen in der Zukunft liegenden Zeitraum vertraglich abzubilden. Beim Kauf einer Bestandsimmobilie (im Share Deal) spielt das Verhalten des Verkäufers zwischen Signing und Closing eine große Rolle. Aufwendungen (z.B. Instandhaltungsmaßnahmen) können den Cashbestand der Zielgesellschaft und somit den Kaufpreis mindern. Die vertraglich festzulegende „Agenda″ wird so zur Gratwanderung. 

Wir widmen uns dem Kauf einer Projektentwicklung, also um den Kauf von Immobilien (im Share Deal), die mitten in der Entwicklung stecken und bei denen noch kein Baurecht geschaffen wurde. Städtebauliche Verträge, Nachbarschaftsverträge, Bebauungsplan, Bauanträge und Baugenehmigung sind Meilen- und manchmal auch Stolpersteine auf dem Weg dahin. Wann und wie Baurecht geschaffen werden kann, hat großen Einfluss auf die Bewertung der Projektentwicklung. Unsicherheiten hierbei erschweren die Kaufpreisfindung und sind mit hohen Risiken verbunden.

Risiko der Baurechtsschaffung kann vom Käufer übernommen werden

Weshalb sollte ein Käufer das Risiko der Baurechtsschaffung übernehmen? Und weshalb sollte der Verkäufer die Immobilie nicht erst mit Baurecht oder gar nach Fertigstellung veräußern, um einen höheren Kaufpreis und Gewinn zu erzielen?

Die Gründe hierfür können vielfältig sein. Die Möglichkeit des Käufers, bei der aktuellen Marktsituation zu einem günstigen Preis und zu günstigen Finanzierungskonditionen eine Immobilie zu erwerben sowie die Unsicherheit für den Verkäufer, wie sich der Markt im Zeitraum bis zur Baurechtsschaffung entwickelt, dürften die wichtigsten Gründe für den Kauf bzw. Verkauf einer Projektentwicklung sein. 

Doch oftmals geht jede Chance mit einem gewissen Risiko einher. Eben diese möglichen Chancen und Risiken führen zu Bewertungsunsicherheiten auf beiden Seiten. Sie in Einklang zu bekommen und somit Bewertungsrisiken zu begrenzen, bedarf entsprechender vertraglicher Regelungen.

Immobilienwert ist keine Allroundlösung

Der auf den ersten Blick vermeintlich einfachste Weg der Risikoverteilung ist der Immobilienwert, der dem Kaufpreis zugrunde gelegt wird. 

Auf den zweiten Blick entpuppt sich dieser jedoch als zu unflexibel, um sämtliche Risikofaktoren und Fallkonstellationen abzubilden. Wie zum Beispiel sollte das Risiko, dass die Baugenehmigung nicht erteilt wird oder nur mit solchen Auflagen erteilt wird, dass das Projekt für den Käufer weniger wirtschaftlich wird, fest eingepreist werden? Alternativen müssen also her, um in der Risikoabbildung flexibler zu sein.

Kaufpreisfälligkeit als Teil der Lösung

Eine weitere Möglichkeit ist es, die Fälligkeit des Kaufpreises für die Projektentwicklung zum Beispiel an die Erteilung der Baugenehmigung zu knüpfen. Der Verkäufer wird während der Transaktion zu 99 % davon überzeugt sein, dass die Baugenehmigung (wie beantragt) erteilt wird. Doch geht es darum, dass andernfalls der Kaufpreis nicht – bzw. nicht vollständig – fällig wird, reicht meist 1 % für ernsthafte Zweifel. 

Eine Möglichkeit in solchen Konstellationen dennoch die Fälligkeit als Korrektiv einzubeziehen ist, die Fälligkeit des Kaufpreises von der Erteilung einer – und gerade nicht exakt dem Bauantrag entsprechenden – Baugenehmigung abhängig zu machen. Sicherlich ist dies allein nicht die Lösung aller Probleme, sollte jedoch als möglicher Teil der Lösung verstanden werden.

Ausgleich von „unerwarteten″ Abweichungen beim Kauf einer Projektentwicklung

Die Vereinbarung eines Earn-outs – also eines zusätzlichen Kaufpreises – kann dazu dienen, den Verkäufer zu incentivieren, die Baugenehmigung möglichst so zu erlangen, wie sie beantragt wurde.

Ob und in welchem Umfang ein Earn-out zu zahlen ist, kann an verschiedene Parameter geknüpft werden. So kann ein Earn-out verdient sein, wenn überhaupt ein Bebauungsplan erlassen oder eine Baugenehmigung erteilt wird oder wenn bestimmte, für den Käufer wirtschaftlich interessante Planungen innerhalb der Bauanträge genehmigt werden. 

Denkbar wäre aber auch, dass ein Earn-out dann verdient ist, wenn die Baugenehmigung nur mit Einschränkungen einer bestimmten Größenordnung erteilt wird. Auch der Höhe nach kann der Earn-out an verschiedene Parameter gebunden werden.

Die flexibelste Möglichkeit der Risikoverteilung beim Kauf einer Projektentwicklung ist jedoch eine nachträche Kaufpreiserhöhung bzw. Kaufpreisreduzierung. Letzteres ist für den Käufer meist nicht wirklich interessant, da er in Vorleistung geht und im Zweifel mehrere Monate später seinem zu viel gezahlten Geld hinterherlaufen muss. Andererseits möchte der von seinem Projekt überzeugte Verkäufer ebenfalls nicht Monate auf einen Teil des Kaufpreises warten.

Um diesen Konflikt aufzulösen hat es sich bewährt, diese Kaufpreisanpassung (also die Möglichkeit der Erhöhung und Senkung) so auszugestalten, dass einem „Anpassungsrisiko″ eine „Anpassungschance″ gegenübergestellt wird. Als Beispiel dient folgender Sachverhalt: Kommt es dem Käufer auf eine möglichst hohe Quadratmeterzahl an Brutto-Grundfläche (BGF) an, kann vereinbart werden, dass pro Quadratmeter BGF, der über einen bestimmten Wert genehmigt wird, der Kaufpreis entsprechend erhöht wird. Ist es für den Käufer hingegen risikobehaftet, wenn eine hohe Zahl an mietpreisgebundener Fläche oder Stellplätze in der Baugenehmigung festgesetzt wird, so kann eine entsprechende Kaufpreisreduzierung vereinbart werden. In diesem Beispiel können die jeweiligen Risiken der Kaufreisanpassung durch entsprechende Chancen ausgeglichen werden.

Bestimmung der Abweichungen und (monetären) Nachteile beim Kauf einer Projektentwicklung

Trotz jeglichem Versuch, die (Anpassungs-)Mechanismen so präzise wie möglich vertraglich abzubilden, sollte beim Kauf einer Projektentwicklung eine Regelung dazu vorgesehen werden, wer im Fall des Auseinanderfallens der einzelnen Auffassungen der Beteiligten die Höhe des Earn-outs oder der Kaufpreisanpassung verbindlich festlegt.

In der Regel macht die Partei, die Erstzugriff auf die Baugenehmigung erhält, den ersten Aufschlag. Im Anschluss wird der anderen Partei das Recht eingeräumt, die Unterlagen und die Abrechnung innerhalb einer Frist zu prüfen und Einwendungen geltend zu machen. Geschieht dies nicht, so gilt die Abrechnung als verbindlich. Werden jedoch Einwendungen geltend gemacht, muss, soweit sich die Parteien diesbezüglich nicht einigen können, ein neutraler Sachverständiger über das verbindliche Ergebnis entscheiden. Können sich die Beteiligten auf keine neutrale Person einigen, wird in der Praxis der Weg über den Vorsitzenden einer Architektenkammer (o.ä.), der wiederrum einen neutralen Dritten bestimmt, gehen.

Verkäufer kann durch Zustimmungsvorbehalt oder Vollmacht ermächtigt werden, das Baugenehmigungsverfahren fortzuführen 

Die Kaufpreisanpassung bzw. Earn-out-Berechnung findet in der Regel erst nach dem Vollzug der Transaktion statt. Das bedeutet, der Verkäufer gibt das Ruder aus der Hand. Er hat jedoch ein Interesse daran, sich einen höheren Kaufpreis oder Earn-out selbst zu verdienen. Wie kann man daher den Verkäufer zur Wahrung seiner Interessen in das weitere Baugenehmigungsverfahren (Gespräche mit Behörden, Antragsstellung, Klagen) einbinden, ohne als Käufer selbst das Ruder zu sehr aus der Hand zu geben?

Die einfachste Möglichkeit ist sicher die Vollmachtslösung. Dem Verkäufer wird eine Vollmacht erteilt, das Baugenehmigungsverfahren in – vertraglich genau auszugestaltendem – zeitlich und inhaltlich beschränktem Umfang fortzuführen. Vorteil dieser Lösung ist, dass die Behörden ihre bekannten Ansprechpartner behalten und somit im Zweifel das Genehmigungsverfahren beschleunigt wird. Alternativ zur vertraglich festgelegten, inhaltlichen Beschränkung ist es, bestimmte Handlungen von der vorherigen Zustimmung des Käufers abhängig zu machen. Es muss jedoch beachtet werden, dass dies bei Nichtbefolgung oft weitreichende Probleme nach sich ziehen kann und die Grenzen der Vollmacht genau gewählt werden müssen, um den Prozess nicht zu lähmen und gleichzeitig das Risiko für den Käufer zu minimieren. Bei der Vollmachtslösung stellt sich zudem die Frage nach der Kostentragung. Auch hier sind der Phantasie der Beteiligten keine Grenzen gesetzt. Oftmals wird der Verkäufer seine Kosten über die Kaufpreiserhöhung oder durch eine Kostenübernahme gedeckt haben wollen. In diesem Fall eignet es sich, eine Obergrenze einzuziehen, um zu vermeiden, dass der Verkäufer durch ineffizientes Handeln den Kaufpreis indirekt in die Höhe treibt.

Eine andere Lösung ist die reine Zustimmungslösung. Dem Verkäufer wird keine Vollmacht erteilt, er hat jedoch bei bestimmten Maßnahmen (z.B. Anträge) ein Mitspracherecht. Dieses Mitspracherecht kann in Form eines Widerspruchsrechts oder als Anweisungsrecht ausgestaltet werden. Auch hier müssen die konkreten Maßnahmen, Schwellen und Ausgestaltung des Mitspracherechts detailliert vereinbart werden.

Wenn die Projektentwicklung unwirtschaftlich wird

Da nicht ausgeschlossen ist, dass sich verwirklichte Risiken in der Realität nicht kompensieren lassen, ist es wichtig, die Kaufpreisanpassung – insbesondere die Kaufpreisreduzierung – zu begrenzen. Dies kann zum einen schlicht durch eine „Anpassungsgrenze″ geschehen. Das bedeutet, der Verkäufer trägt nur ein gewisses Anfangsrisiko, der Käufer trägt das darüber hinausgehende Risiko. Die zweite Möglichkeit ist, den Ausgleich erst ab einer bestimmten Schwelle (entweder als Freigrenze oder Freibetrag) zur Anwendung kommen zu lassen. Hierdurch trägt der Käufer das Anfangsrisiko und der Verkäufer das darüber hinausgehende Risiko.

Wer an dieser Stelle feststellt, dass es doch einen eklatanten Unterschied macht, wer nach dem Anfangsrisiko unbeschränkt „ins Verderben″ läuft, liegt vollkommen richtig. Dies kann zum Beispiel durch eine Kombination der beiden Beschränkungen aufgelöst werden. In der Realität ist dies jedoch schwierig, weil jede Partei dann gezwungen ist, die Nachteile auch zu tragen. Der Königsweg aus diesem Dilemma ist die Möglichkeit zum Rücktritt.

Der Rücktritt an sich ist für die Parteien bei einer Projektentwicklung auf den ersten Blick nicht vorstellbar. Wie soll eine Transaktion vernünftig zurück abgewickelt werden, die bereits mehrere Wochen und Monate fortgeschritten ist? Finanzierungen, Sicherheiten und Planungen sind hier nur einige der zu bedenkenden Parameter.

Auf den zweiten Blick ist die Möglichkeit zum Rücktritt jedoch oftmals die Notbremse, bei der zwar alle hoffen, dass sie zu ziehen nie erforderlich wird, die jedoch Ängste vor nicht abschätzbaren Folgen reduzieren kann. Wer bei der Frage der Kaufpreisanpassung das größere Risiko trägt, wird im Zweifel eben eine solche Notbremse haben wollen. Ist der Verkäufer bei einer negativen Kaufpreisanpassung durch eine Anpassung geschützt, kann bei Eintreten bestimmter Faktoren (z.B. Auflagen, Minderanzahl BGF, Mehranteil mietpreisgebundener Fläche), deren wirtschaftliche Nachteile über die „Anpassungsgrenze″ hinausgehen, die Transaktion ab einer bestimmten Grenze für den Käufer unwirtschaftlich werden. Bei einer Freigrenze hingegen, kann die Transaktion umgekehrt für den Verkäufer irgendwann unwirtschaftlich werden. Ein Rücktritt ist daher die ultima ratio, dient jedoch der Absicherung der Partei, die bei einer entsprechenden Kaufpreisreduzierung das höhere Risiko trägt.

Kauf einer Projektentwicklung: Weitsicht und Balance als Lösung

Wer die genannten Parameter und Mechanismen sowie deren Zusammenspiel frühzeitig beachtet, ist auch beim Kauf einer Projektentwicklung Bewertungsrisiken nicht ungeschützt ausgeliefert.

Tags: Baurechtsschaffung Immobilie Kauf Kaufpreisfälligkeit Projektentwicklung