Soll ein Berater an einer Gesellschafterversammlung teilnehmen, ist entscheidend, welche Rolle ihm zukommen soll. Der Beitrag gibt hierzu einen Überblick.
Die Gesellschafter* einer GmbH oder einer Personengesellschaft treffen die in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Regelungen durch Beschlussfassung in Gesellschafterversammlungen. Bei Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern kann es im Interesse eines Gesellschafters liegen, eine/n Rechtsanwalt/Rechtsanwältin, Steuerberater/-in, Sachverständige/n oder sonstige Berater/-innen hinzuzuziehen. Zur Vorbereitung einer Gesellschafterversammlung ist dies sinnvoll und unproblematisch möglich. Darüber hinaus kann auch ein Interesse an der Teilnahme des Beraters an einer Gesellschafterversammlung bestehen.
Hier ist genau zu differenzieren, in welcher Rolle ein Berater an der Gesellschafterversammlung teilnehmen soll.
Regelung im Gesellschaftsvertrag / Fassung eines Gesellschafterbeschlusses
Entscheidend ist grundsätzlich, ob eine entsprechende Regelung in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen wurde. Denn die Teilnahme eines Beraters an einer Gesellschafterversammlung ist gesetzlich nicht vorgesehen und daher grundsätzlich nicht möglich. In Gesellschaftsverträgen kann jedoch eine Regelung getroffen werden, wonach die Teilnahme eines Beraters an der Gesellschafterversammlung generell, durch Mehrheitsbeschluss oder durch Entscheidung des Versammlungsleiters zugelassen werden kann. Es kann auch vorgesehen werden, dass ein Berater zugelassen wird, wenn er bestimmte Voraussetzungen erfüllt, z.B. von Berufs wegen zur Verschwiegenheit verpflichtet ist oder einer bestimmten Berufsgruppe angehört. Darüber hinaus können die Gesellschafter – auch ohne Regelung im Gesellschaftsvertrag – durch Gesellschafterbeschluss mit satzungsändernder Mehrheit einen Berater zur Gesellschafterversammlung zulassen.
Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht
Unabhängig von der gesellschaftsvertraglichen Regelung kann aber auch die Treuepflicht den Mitgesellschaftern gebieten, Berater als Teilnehmer der Gesellschafterversammlung zuzulassen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das konkrete Beratungsbedürfnis des betroffenen Gesellschafters das Geheimhaltungs- oder Privatinteresse der Mitgesellschafter überwiegt, etwa weil ein Beschlussgegenstand von erheblicher Bedeutung ist (für die GmbH vgl. OLG Dresden, Urteil vom 25. August 2016 – 8 U 347/16), schwerwiegende Entscheidungen zu treffen sind, dem betroffenen Gesellschafter die Sachkunde fehlt (für die GmbH vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2009 – II ZR 167/07) oder die persönlichen Verhältnisse eines Gesellschafters dies gebieten. Dann aber führt die Gleichbehandlung der Gesellschafter dazu, dass auch die übrigen Gesellschafter einen Anspruch auf Teilnahme eines Beraters an der Gesellschafterversammlung haben. Es kann auch sinnvoll sein, die Zulassung eines Dritten zu einer Gesellschafterversammlung auf einzelne Tagesordnungspunkte zu beschränken.
Umgekehrt kann aber auch die konkrete Gefährdung der Interessen der Gesellschaft oder berechtigter Interessen der Mitgesellschafter dazu führen, dass die Zulassung von Beratern zu einer Gesellschafterversammlung unzulässig ist.
Anfechtung / Heilung einer rechtswidrigen Zulassung
Ist ein Berater unzulässigerweise zu einer Gesellschafterversammlung zugelassen worden, liegt in der Regel kein Anfechtungsgrund für die in dieser Versammlung gefassten Beschlüsse vor. Eine Ausnahme gilt nur in Extremfällen, etwa wenn die Mitgesellschafter durch den anwesenden Dritten in ihrem Abstimmungsverhalten unter Druck gesetzt wurden (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 27. Juni 2018 – 14 U 33/17). Wird die Anwesenheit eines an sich unzulässigen Dritten in der Gesellschafterversammlung jedoch nicht gerügt, muss dies zur Heilung des Mangels führen.
Rechte des teilnehmenden Beraters in der Gesellschafterversammlung
Die Teilnahme eines Beraters ist kein originäres Recht des Beraters selbst, sondern ein Recht des Gesellschafters, der die Beratung in Anspruch nimmt. Der Gesellschaftsvertrag kann jedoch alle Mitwirkungsmöglichkeiten eines Gesellschafters auch für einen Berater vorsehen, mit Ausnahme des Stimmrechts. Denn die Aufgabe eines Beraters ergibt sich aus dem Auftragsverhältnis zu dem Gesellschafter, den der Berater unterstützt, und ist jedenfalls nicht darauf gerichtet, auf den Meinungsbildungsprozess der Gesellschafter einzuwirken.
Diese Grundsätze gelten sowohl für die Gesellschafterversammlung einer GmbH als auch für die Gesellschafterversammlung einer Personengesellschaft.
Der Berater als Vertreter eines Gesellschafters
Der Berater eines Gesellschafters ist von einem Vertreter eines Gesellschafters zu unterscheiden. Die Teilnahme eines zugelassenen Beraters ist nicht gleichzusetzen mit der Teilnahme eines Gesellschafters selbst an einer Gesellschafterversammlung. Der zugelassene Berater begleitet den Gesellschafter, die Gesellschafterrechte werden aber in vollem Umfang vom Gesellschafter selbst ausgeübt. Der Vertreter eines Gesellschafters vertritt den Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung und übt dessen Gesellschafterrechte an seiner Stelle aus.
Ein gesetzlicher oder organschaftlicher Vertreter kann jederzeit als Vertreter eines Gesellschafters an der Gesellschafterversammlung teilnehmen. Dies ist in der Praxis insbesondere für den Fall relevant, dass ein Gesellschafter eine Gesellschaft ist, z.B. eine GmbH, die dann in der Gesellschafterversammlung durch ihre Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl vertreten wird.
Die höchstpersönliche Ausübung des Stimmrechts
Die Zulassung eines rechtsgeschäftlichen Vertreters eines Gesellschafters kann im Gesellschaftsvertrag der GmbH eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, ist aber grundsätzlich zulässig. Denn das Recht der GmbH geht davon aus, dass sich die Gesellschafter – auch ohne gesellschaftsvertragliche Grundlage – vertreten lassen können (vgl. § 47 Abs. 3 GmbHG). Entsprechendes gilt für das Aktienrecht (vgl. § 134 Abs. 2 Satz 1 AktG). Der Gesellschaftsvertrag einer GmbH – nicht aber die Satzung einer AG – kann auch vorsehen, dass die Gesellschafterrechte höchstpersönlich auszuüben sind. Dies kann insbesondere bei Familiengesellschaften sinnvoll sein, bei denen es auf die persönliche Anwesenheit der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung ankommt. Der Wille der Gesellschafter zur Höchstpersönlichkeit der Stimmrechte kann auch dadurch zum Ausdruck kommen, dass die Teilnahme eines Beraters und die rechtsgeschäftliche Vertretung eines Gesellschafters im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich ausgeschlossen werden.
Bei personalistisch geprägten GmbHs, die die höchstpersönliche Stimmrechtsausübung im Gesellschaftsvertrag geregelt haben, und bei Personengesellschaften, deren Stimmrechte nach der Rechtsprechung stets höchstpersönlicher Natur sind, sind an die Zulassung eines Vertreters zur Gesellschafterversammlung sehr hohe Hürden zu stellen und nur in Extremfällen mit der mitgliedschaftlichen Treuepflicht zu begründen. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht kann es dabei gebieten, dass die Mitgesellschafter der Vertretung eines Gesellschafters zustimmen müssen (z.B. bei Hochrisikoschwangerschaft oder mehrjähriger Bettlägerigkeit).
Einvernehmlich können die Gesellschafter den Vertreter – auch bei fehlender Regelung im Gesellschaftsvertrag – durch Gesellschafterbeschluss mit satzungsändernder Mehrheit zur Gesellschafterversammlung zulassen.
Bei Personengesellschaften ist das Stimmrecht aufgrund der personalistisch geprägten Struktur höchstpersönlicher Natur, so dass es grundsätzlich nicht durch einen rechtsgeschäftlich Bevollmächtigten ausgeübt werden kann (OLG München, Urteil vom 7. März 2012 – 7 U 3453/11 und LG Darmstadt, Urteil vom 04.03.2024 – 18 O 34/21, noch nicht rechtskräftig).
In einer Entscheidung aus April 2024 hat das Landgericht Darmstadt diese Grundsätze dahingehend angewendet, dass die höchstpersönliche Mitwirkung aller Gesellschafter an der Beratung eines Beschlussantrags und der anschließenden Abstimmung Voraussetzung für eine wirksame Beschlussfassung ist, wenn der Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft folgende Regelung enthält:
Gesellschafterbeschlüsse können […] gefasst werden, wenn alle Gesellschafter daran mitwirken.
Dies sei insbesondere bei einer personalistisch geprägten Familiengesellschaft sachgerecht, da bei einem persönlichen Meinungsaustausch unmittelbar vor einer Abstimmung über einen Beschlussvorschlag auch nicht-geschäftliche Aspekte mit einfließen könnten und mitunter erst die offene Diskussion im Familienkreis zu einer sachgerechten Lösung führe. Auch für einen Vertreter der rechtsberatenden Berufe ergibt sich nach Ansicht des LG Darmstadt keine Ausnahme, da ein sachlicher Grund nicht ersichtlich sei. Denn gerade bei personalistisch geprägten Familiengesellschaften haben die Gesellschafter die berechtigte Erwartung, dass die Angelegenheiten der Gesellschaft im persönlichen Gespräch erörtert und diskutiert werden und dass gerade die Mitgesellschafter in der Gesellschafterversammlung in einen persönlichen Austausch miteinander treten. Bei fehlendem Sachverstand könne immer noch ein Berater hinzugezogen werden, ohne dass es insoweit einer vollständigen Übertragung der Ausübung der Gesellschafterrechte bedürfe.
Die Teilnahme eines Rechtsanwalts an der Gesellschaftsversammlung einer Familien-oHG
Sowohl an die Vertretung als auch an die Begleitung eines Gesellschafters durch einen Rechtsanwalt werden durch die Entscheidung des Landgerichts Darmstadt bei personalistisch geprägten Personengesellschaften, die über keine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag verfügen, hohe Hürden gestellt. Denn das Gericht führt aus, dass kein sachlicher Grund ersichtlich sei, von dem Erfordernis der höchstpersönlichen Rechtsausübung grundsätzlich deshalb abzusehen, weil der Bevollmächtigte über eine besondere Qualifikation verfüge. Dies gelte auch für Begleitpersonen, die wie ein Rechtsanwalt von Berufs wegen zur Verschwiegenheit verpflichtet seien.
Praxistipp
Soll die Begleitung oder Vertretung eines Gesellschafters in einer Gesellschafterversammlung ermöglicht werden, was zu empfehlen ist, sollte in den Gesellschaftsvertrag einer GmbH und einer Personengesellschaft eine Regelung aufgenommen werden, die die Begleitung und Vertretung zulässt und die Voraussetzungen hierfür klarstellt. Zur Wahrung der Vertraulichkeit empfiehlt es sich, eine Vertretung nur für bestimmte Bevollmächtigte (Mitgesellschafter, Verwandte oder gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtete Berater) zuzulassen.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.