13. Mai 2024
Squeeze-out
Corporate / M&A

Verhinderung einer Sonderprüfung durch Squeeze-out

An die Missbräuchlichkeit eines Squeeze-out werden von der Rechtsprechung auch bei der faktischen Blockade einer Sonderprüfung hohe Anforderungen gestellt.

Die Übertragung von Aktien der Minderheitenaktionäre* auf den Hauptaktionär gegen Barabfindung gem. § 327a AktG (sog. Squeeze-out) ist ein beliebtes Mittel in der Praxis, um eine effiziente Unternehmensführung zu ermöglichen. Dabei sollen insbesondere Behinderungen von unternehmerischen Maßnahmen durch Minderheitenaktionäre vermieden werden. Voraussetzung für einen aktienrechtlichen Squeeze-out ist, dass der Hauptaktionär mindestens 95 % des Grundkapitals hält. Bei dem verschmelzungsrechtlichen Squeeze-Out gem. § 62 Abs. 5 UmwG ist es sogar ausreichend, wenn der Hauptaktionär 90 % des Grundkapitals auf sich vereint. Zudem ist für die Übertragung ein Übertragungsbeschluss der Hauptversammlung sowie dessen Eintragung in das Handelsregister erforderlich. 

Gegen den Übertragungsbeschluss können die Minderheitenaktionäre Anfechtungsklage erheben. Gemäß § 243 Abs. 1 AktG ist eine Anfechtung wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung möglich. Wird eine solche Klage erhoben, darf der Übertragungsbeschluss erst bei Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung in das Handelsregister eingetragen werden. Die der Klage zugrunde liegenden Bewertungsfragen werden auf das Spruchverfahren nach dem SpruchG ausgelagert und dort behandelt.

Schutz der Minderheitenaktionäre gegen Squeeze-out durch gerichtliches Verfahren

Da der Squeeze-out nicht durch unbegründete Klagen verzögert werden soll, kann die Gesellschaft die Eintragungsfreigabe des Beschlusses in das Handelsregister nach §§ 327e, 319 Abs. 5, Abs. 6 AktG erwirken (sog. Freigabeverfahren). Das zuständige Gericht erlässt den Freigabebeschluss gem. § 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 3 AktG, wenn das unverzögerte Wirksamwerden des Übertragungsbeschlusses gegenüber dem Suspensivinteresse der Minderheitsaktionäre gewichtiger erscheint. Die Vorrangigkeit wird im Rahmen einer Interessenabwägung beurteilt. Nach Überzeugung des Gerichts müssen die wesentlichen Beeinträchtigungen für die Gesellschaft und ihre Aktionäre die Nachteile für die antragstellenden Minderheitenaktionäre überwiegen. Eine Freigabe ist hingegen bei einem besonders schweren Rechtsverstoß gemäß § 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 3 AktG a.E. ausgeschlossen. Dies gilt uneingeschränkt und ohne eine Abwägungsentscheidung des Gerichts. Besonders schwere Rechtsverstöße sind der Vornahme einer Interessenabwägung nicht zugänglich.

Strenger Maßstab für das Vorliegen eines besonders schweren Rechtsverstoßes

Die Anforderungen an die besondere Schwere des Rechtsverstoßes sind hoch. Selbst ein Rechtsverstoß, der zur Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses nach § 241 AktG führt, rechtfertigt die Schwere nicht allein. Erforderlich ist eine massive Verletzung elementarer Aktionärsrechte. Dabei wird unter anderem die Art und Weise des Verstoßes berücksichtigt. Der Verstoß muss so schwerwiegend sein, dass seine Kompensation durch Leistung von Schadenersatz nicht mehr möglich ist (KG Berlin, Urteil v. 16. Oktober 2023 – 2 AktG 1/23 m.w.N.).

Die Rechtsmissbräuchlichkeit eines Übertragungsbeschlusses kann im Einzelfall einen besonders schweren Rechtsverstoß darstellen (OLG München, Beschluss v. 28. Juli 2021 – 7 AktG 4/21; OLG Köln, Beschluss v. 14. Dezember 2017 – 18 AktG 1/17).

Rechtsprechung verfolgt klare Linie zur Missbräuchlichkeit

Seit der Einführung des Squeeze-out im Jahr 2002 sieht sich die Rechtsprechung immer wieder mit Fällen unterstellten Missbrauchs konfrontiert. Das dürfte darauf zurückzuführen sein, dass bei dem Ausschluss von Minderheitenaktionären eine Missbrauchsabsicht naheliegend erscheinen mag.

Allein die Durchführung eines Squeeze-out begründet noch keinen Rechtsmissbrauch (OLG Köln, Urteil v. 23. Juni 2022 – 18 U 213/20). Der Squeeze-out trägt seine Rechtfertigung in sich selbst (BGH, Urteil v. 16. März 2009 – II ZR 302/06). Die Missbräuchlichkeit kann sich auch nicht aus einer fehlenden Wirtschaftlichkeit ergeben. Die unternehmerische Entscheidung für die Durchführung eines Squeeze-out unterliegt nicht der gerichtlichen Prüfung. Ein Missbrauch des Squeeze-out besteht nur bei einer bewussten Zweckentfremdung des Verfahrens. Auch das deutliche Hinausgehen der Benachteiligung der Minderheit über das gesetzlich vorgesehene Maß durch den geplanten Ausschluss kann einen Missbrauch rechtfertigen. Die Minderheitenaktionäre treffen hohe Anforderungen, einen solchen Rechtsmissbrauch darzulegen und nachzuweisen (OLG Köln, Urteil v. 23. Juni 2022 – 18U 213/20).

In der Vergangenheit ist der behauptete Vorwurf des Rechtsmissbrauchs immer wieder an der restriktiven Rechtsprechungslinie gescheitert (beispielsweise OLG Stuttgart, Beschluss v. 3. Dezember 2008 – 20 W 12/08). Das KG Berlin hielt in der Entscheidung vom 16. Oktober 2023 (2 AktG 1/23) an dieser Linie fest und lehnte einen Rechtsmissbrauch auch in dem dortigen Fall ab.

Verhinderung einer Sonderprüfung durch Squeeze-out möglich

Eine Besonderheit des Verfahrens vor dem KG Berlin war, dass seit 2022 eine Sonderprüfung durch die Minderheitenaktionäre angestrengt wurde. Gegenstand einer Sonderprüfung nach §§ 142 ff. AktG ist die Überprüfung von Vorgängen im Rahmen der Gründung oder der Geschäftsführung durch den Vorstand oder den Aufsichtsrat. Für die Bestellung eines Sonderprüfers ist grundsätzlich eine einfache Mehrheit erforderlich. Lehnt die Hauptversammlung den Beschluss ab, ist eine gerichtliche Bestellung möglich. Nach § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG bedarf es für die gerichtliche Entscheidung eines Antrags von Aktionären, die mindestens 1 % des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von EUR 100.000 halten. Dabei haben die Aktionäre bis zur Entscheidung über den Antrag ihren Aktienbesitz nachzuweisen (§ 142 Abs. 2 Satz 2 AktG). Können die Minderheitenaktionäre den Nachweis aufgrund des Squeeze-out nicht mehr führen, wird der Antrag unzulässig. Der Squeeze-out kann somit genutzt werden, um die gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers zu verhindern. Von dieser Grundannahme ging auch das Gericht aus.

Kein glaubhafter Zusammenhang zwischen Sonderprüfung und Squeeze-out

Einen absichtlichen Verstoß gegen die Treuepflicht und damit einen besonders schweren Rechtsverstoß sah das Gericht nicht. Es sprach nach Einschätzung des Gerichts keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Hauptaktionärin den Squeeze-out zur Verhinderung der Sonderprüfung durchgeführt hatte. Ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der beantragten Bestellung des Sonderprüfers und dem Squeeze-out könnte zwar für eine zweckwidrige Absicht der Hauptaktionärin sprechen (OLG Köln, Beschluss v. 14. Dezember 2017 – 18 AktG 1/17). Eine solche konnte das KG Berlin den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung jedoch nicht entnehmen. Das Übertragungsverlangen der Hauptaktionärin wurde erstmals am 23. Juni 2022 geäußert – die fragliche Sonderprüfung wurde erst am 31. August 2022 beantragt. Darüber hinaus konnte das Gericht auch die bisherigen Zwischenergebnisse des Verfahrens nach § 142 Abs. 2 AktG bei der Gesamtschau berücksichtigen (KG Berlin, Urteil v. 16. Oktober 2023 – 2 AktG 1/23). Danach waren die Vorwürfe nur zu einem geringen Teil erfolgreich.

Unternehmerische Entscheidungen bedürfen keiner Rechtfertigung nach Squeeze-out

Die Alleinaktionärin kann nach dem Squeeze-out den weiteren Weg der Aktiengesellschaft frei bestimmen. Die Minderheitenaktionäre behaupteten, die Hauptaktionärin würde die Liquidation anstreben, ohne dies offenzulegen. Das KG Berlin stellte jedoch fest, dass eine Absicht der Liquidation des Unternehmens einen Missbrauch nicht rechtfertigt. Durch den Squeeze-out sollen gerade Behinderungen bei der Unternehmensführung durch Minderheitenaktionäre verhindert werden. Das Gericht stellte sich damit der Ansicht der Minderheitenaktionäre entgegen. Der Alleinaktionärin ist auch die Liquidation der Gesellschaft nicht verwehrt. Sie kann nach dem Squeeze-out das Unternehmen ohne Mitsprache der Minderheitenaktionäre führen.

Schadenersatzansprüche werden bei der Höhe der Barabfindung berücksichtigt

Auch die Squeeze-out bedingte Erledigung der Bestellung eines besonderen Vertreters rechtfertigt einen Missbrauch nicht. Ein besonderer Vertreter kann gem. §§ 147 f. AktG zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen der Gesellschaft aus der Gründung oder der Geschäftsführung bestellt werden. Nach § 148 Abs. 1 AktG kann sich auch ein Minderheitenaktionär bestellen lassen. Wenn dieser allerdings als Aktionär ausscheidet, endet auch das entsprechende Antragsrecht. Etwaige Schadenersatzansprüche der Gesellschaft gegen die Organe werden jedoch im Rahmen der Festlegung der Höhe der Barabfindung durch das Spruchgericht bereits umfassend berücksichtigt. Dies gilt unabhängig davon, ob ein besonderer Vertreter bestellt ist.

Welche weiteren Faktoren für die Höhe des Barabfindungsgebotes eine Rolle spielen, wurde bereits in einem früheren Blog-Beitrag beleuchtet: Link

Weiterhin keine positiven Fälle der Missbräuchlichkeit von Squeeze-out Verfahren

Es bleibt dabei, dass der Squeeze-out nur in eklatanten Fällen rechtsmissbräuchlich ist. Soweit ersichtlich, hat die Rechtsprechung bisher keinen Sachverhalt tatsächlich als derart missbräuchlich eingestuft. Es wurden in der Vergangenheit lediglich mögliche Missbrauchskonstellationen in der Rechtsprechung diskutiert. So gehen die Gerichte davon aus, dass ein Squeeze-out Beschluss treuwidrig bzw. missbräuchlich sein kann, wenn damit ein Verstoß gegen Absprachen zwischen den Haupt- und Minderheitenaktionären verbunden ist (OLG Stuttgart, Beschluss v. 1. Dezember 2008 – 20 W 12/08). Auch soll eine Treuwidrigkeit angenommen werden können, wenn das Verfahren zum Ausschluss bestimmter Aktionäre missbraucht wird und sodann der Aktionärskreis neu zusammengesetzt werden soll (KG Berlin, Beschluss v. 10. Dezember 2009 – 23 AktG 1/09).

KG Berlin sichert die Effizienz des Squeeze-Out Verfahrens

Werden Aktien der Minderheitenaktionäre durch einen Squeeze-out zwangsweise auf die Hauptaktionärin übertragen, ist Widerstand nicht überraschend. Die Gerichte müssen bei der Beurteilung der Argumente die gesetzgeberische Entscheidung für die Möglichkeit eines Squeeze-out berücksichtigen. Die Entscheidung des KG Berlin reiht sich in die bestehende Rechtsprechungslinie ein. Es bedarf hoher Anforderungen, um den grundsätzlich zulässigen Squeeze-out zu unterbinden.

Das KG Berlin hat sich erstmals zu der Missbräuchlichkeit durch faktisches Verhindern einer Sonderprüfung geäußert. Die Regelung des § 142 Abs. 2 AktG dient dem Minderheitenschutz. Zwischen § 142 Abs. 2 AktG und der Gewährleistung effektiver Führung der Gesellschaft durch § 327a AktG besteht ein Spannungsverhältnis. Das Gericht hat dieses im hiesigen Fall zugunsten der effektiven Unternehmensführung entschieden. Abzuwarten bleibt, wie ein Gericht entscheiden würde, wenn die tatsächlichen Umstände anders lägen. Sollte der Squeeze-out nach dem Streit um die Bestellung eines Sonderprüfers beschlossen werden und das Sonderprüfungsbegehren im gerichtlichen Verfahren nach § 142 Abs. 2 AktG zu einem großen Teil der Vorwürfe bereits erfolgreich sein, sprechen gute Argumente dafür, die Missbräuchlichkeit anzunehmen.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Für die leichtere Lesbarkeit wird im Beitrag das generische Maskulinum verwendet.

Tags: Corporate / M&A Minderheitenschutz Missbrauch Sonderprüfung SQUEEZE-OUT Übertragungsbeschluss