15. Juli 2019
Geschäftsgeheimnis klau
Gewerblicher Rechtsschutz

Angeschwärzt: Info über Geschäftsgeheimnisklau zulässig?

BGH: Unter diesen Voraussetzungen dürfen Unternehmen die unberechtigte Nutzung ihrer Geschäftsgeheimnisse gegenüber potentiellen Kunden öffentlich machen.

Kundenlisten, Ideen zu Innovationen, Unternehmensstrategien und Know-how – all dies können Geschäftsgeheimnisse sein, die ein Unternehmen geschützt wissen möchte. Einfacher wird das Sicherstellen des Schutzes mit dem im April 2019 in Kraft getretenen Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen sicherlich nicht. Was aber, wenn es tatsächlich einmal zum Verletzungsfall kommt?

Gelangt ein Geschäftsgeheimnis erst einmal unrechtmäßig in die Hände eines Mitbewerbers, kann man den entstandenen Schaden oft nicht wieder rückgängig machen. Eine Genugtuung, aber auch Abschreckung vor unseriösen Geschäftspraktiken, kann es dann schon sein, wenn man den rechtswidrigen Abzug von Geschäftsgeheimnissen durch den Mitbewerber gegenüber den (potentiellen) Kunden offenlegt. So besteht zumindest die Chance, dass diese sich aufgrund seiner unseriösen Vorgehensweise gerade nicht dem Verletzer zuwenden.

Doch dürfen sich die Verletzten überhaupt so einfach über den unberechtigten Abzug öffentlich äußern oder (potentielle) Kunden des Verletzers gar gezielt darüber informieren? Und wenn ja, wo liegen die Grenzen? Der Bundesgerichtshof hat sich nun zu diesen Fragen geäußert (Urteil v. 7. März 2019 – I ZR 254/16).

Konkreter Fall vor dem BGH: Streit zwischen zwei ehemaligen Geschäftspartnern

Es stritten zwei Unternehmen, die einstmals Geschäftspartner waren und zwischenzeitlich als Mitbewerber im Bereich des Knochenzementvertriebs für die Zahnmedizin tätig waren.

Die Klägerin hatte nach der geschäftlichen Trennung von der Beklagten einen Knochenzement vertrieben, für dessen Herstellung sie unerlaubterweise Betriebsgeheimnisse der Beklagten eingesetzt hatte, die sie aus der früheren Kooperation erlangt hatte. Die Beklagte hatte daraufhin aufgrund der Verletzung ihrer Geschäftsgeheimnisse vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main ein rechtskräftiges gerichtliches Unterlassungsurteil gegen die Klägerin erwirkt.

In der Folge dieses Unterlassungsurteils hatte die Beklagte eine Pressemitteilung herausgegeben, in der sie in zutreffender Weise den Inhalt des Unterlassungstenors des Urteils sowie eine Zusammenfassung des zugrunde liegenden Sachverhalts und Auszüge aus der Urteilsbegründung wiedergab.

Gegen diese Pressemitteilung wendete sich die Klägerin in dem nunmehr vom BGH entschiedenen Verfahren mit der Begründung, die Beklagte habe durch die Veröffentlichung die angebotenen Waren und die geschäftlichen Verhältnisse der Klägerin in unlauterer Weise herabgesetzt.

Pressemitteilung bzgl. unberechtigter Geschäftsgeheimnis-Nutzung ist kein Verstoß gegen § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG

Der Bundesgerichtshof betrachtete den Sachverhalt – wie auch bereits das Berufungsgericht – unter dem Aspekt einer möglicherweise unzulässigen vergleichenden Werbung gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG. Es handele sich richtigerweise bei der beschriebenen Pressemitteilung um eine (zumindest auch) produktbezogene vergleichende Werbung im Sinne von § 6 Abs.1 UWG.

Im Gegensatz zu den Vorinstanzen sah der BGH in der Pressemitteilung der Beklagten jedoch keine unlautere geschäftliche Handlung und wies die Klage ab.

Nach dem BGH bedarf die Beurteilung der Frage, ob eine Werbeaussage eines Wettbewerbers einen Mitbewerber herabsetze, einer Gesamtwürdigung. Sämtliche Umstände des Einzelfalls, wie insbesondere Inhalt und Form der Äußerung, ihr Anlass, der Zusammenhang, in dem sie erfolgte sowie die Verständnismöglichkeit des angesprochenen Verkehrs seien zu berücksichtigen.

Gegen das Vorliegen einer unlauteren Herabsetzung könne sprechen, dass der Verletzte ein Interesse daran habe, seine potentiellen Kunden darüber zu informieren, dass der Mitbewerber seine Marktstellung nicht durch eigene Leistung, sondern durch die gerichtlich bestätigte Verletzung von Geschäftsgeheimnissen erlangt hat.

Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die Kundeninformation inhaltlich richtig und in sachlicher Weise eine für die Nachfrageentscheidung des maßgeblichen Verkehrskreises wichtige Informationen enthalte.

Insbesondere im Bereich von sicherheitsrelevanten Produkten sei es für potentielle Kunden im Hinblick auf eine informierte Nachfrageentscheidung maßgeblich, ob der Anbieter seine Marktstellung durch Eigenleistung in Forschung und Entwicklung oder durch die Verletzung von fremden Geschäftsgeheimnissen erreicht hat (Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit des Anbieters).

Schlussfolgerungen für zukünftige Kundeninformationen

Bei der Frage nach der Zulässigkeit des gezielten Informierens von Kunden über die Verletzung eigener Geschäftsgeheimnisse durch einen Dritten kommt es nach dem BGH auf eine Abwägung im Einzelfall an.

Im vorliegenden Fall hat der BGH zur Begründung der Zulässigkeit die Sicherheitsrelevanz der konkret betroffenen Produkte und deren Einfluss auf die Nachfrageentscheidung der potentiellen Kunden hervorgehoben. Das Abwägungsergebnis kann daher nicht ohne Weiteres verallgemeinert werden.

Dennoch lassen sich für die Zulässigkeit des Informierens von Kunden eines Mitbewerbers über dessen Verletzung von Geschäftsgeheimnissen wohl nachstehende Schlussfolgerungen ableiten:

  • Das Informieren von Kunden über die rechtswidrige Nutzung von Geschäftsgeheimnissen ist in aller Regel an den lauterkeitsrechtlichen Grundsätzen über die vergleichende Werbung (§ 6 UWG) zu messen.
  • Die Verteidigung, dass ein derartiges Informieren rein unternehmensbezogen und in keiner Weise produktbezogen erfolgt, dürfte nach den rechtlichen Ausführungen des BGH, zukünftig nur noch in seltenen Ausnahmefällen erfolgsversprechend sein.
  • Das Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung über die rechtswidrige Nutzung von Geschäftsgeheimnissen sowie die sonstige inhaltliche Richtigkeit und die Sachlichkeit der Kundeninformation sind Grundvoraussetzungen für deren lauterkeitsrechtliche Zulässigkeit.
  • Eine Kundeninformation wird immer dann zulässig sein, wenn durch sie zutreffende Informationen vermittelt werden, die für die Nachfrageentscheidung des maßgeblichen Verkehrskreises von wesentlicher Bedeutung sind.
  • Hieraus folgt auch, dass die Art der betroffenen Waren oder Dienstleistungen zukünftig eine größere Rolle bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der Zulässigkeit von Kundeninformationen spielen wird, da von dieser ganz wesentlich abhängt, welche Informationen für die Nachfrageentscheidung des maßgeblichen Verkehrskreises im Vordergrund stehen.
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