8. November 2021
Übertragung Token Eigentum Auseinanderfallen
Gewerblicher Rechtsschutz TMC – Technology, Media & Communications

Auseinanderfallen von Token und Eigentum

Token und Eigentum sind durch Gesetz nicht verbunden – Dieses Problem muss durch Vertragsgestaltung gelöst werden, bis der Gesetzgeber tätig wird.

Die Tokenisierung von Eigentum ist insbesondere für Wertanlagen interessant. In rechtlicher Hinsicht jedoch besteht keine Verknüpfung zwischen dem Eigentum und dem NFT, der die Inhaberschaft des Eigentums dokumentiert. Die Übertragung des Token lässt die rechtliche Eigentumslage unberührt.

Das Auseinanderfallen von Token und Eigentum kann in zwei Varianten auftreten: Übertragung des Token, aber nicht des Eigentums – oder die Übertragung des Eigentums, nicht des Token.

Übertragung des Token ohne (ausdrückliche) Übertragung des Eigentums

Es wäre denkbar, dass jemand seinen Token überträgt und dabei davon ausgeht, dass er auch das Eigentum auf den Käufer überträgt. Neben der Übertragung des Token müsste der Käufer dafür aber eine Erklärung abgeben, die die Übertragung des Eigentums beinhaltet. Da der Verkäufer unter Umständen davon ausgeht, dass die Übertragung des Token ausreichend ist, wird eine solche Erklärung in ausdrücklicher Form regelmäßig nicht vorliegen. Die Erklärung über die Übertragung des Eigentums muss aber nicht zwingend ausdrücklich vorliegen, sondern kann auch konkludent, also durch schlüssiges Verhalten erfolgen. 

Ob eine solche konkludente Erklärung vorliegt, wird durch Auslegung ermittelt (§§ 133, 157 BGB) und dabei auf den Parteiwillen und den objektiven Empfängerhorizont abgestellt. Es wird regelmäßig davon auszugehen sein, dass der Verkäufer nicht nur den Token, sondern auch das Eigentum übertragen will. Nach dem objektiven Empfängerhorizont ist davon auszugehen, dass niemand ein Angebot, einen Token ohne den durch ihn verkörperten Vermögenswert zu kaufen, annehmen will. Dies kann durch entsprechende Vertragsklauseln im NFT-Kaufvertrag untermauert werden.

Vorbehaltlich eines ausdrücklich geäußerten anderweitigen Parteiwillens kann man daher regelmäßig davon ausgehen, dass Eigentum und Token übertragen werden sollen.

Übertragung des Eigentums ohne Übertragung des Token

Weitaus problematischer ist der Fall, dass jemand das Eigentum überträgt, aber den Token, der die Inhaberschaft des Eigentums dokumentiert, für sich behält – etwa wenn der potentielle Käufer nichts von der Existenz des Token weiß. Bei einem solchen Vorgehen besteht die Gefahr eines Auseinanderfallens der tatsächlichen und der in der Blockchain dokumentierten Lage. Die dabei entstehenden Risiken liegen auf der Hand. Der bisherige Eigentümer könnte die Sache erneut übertragen, ohne dass die fehlende Berechtigung auf der Blockchain ersichtlich ist. Darüber hinaus könnte er seine Berechtigung durch die Inhaberschaft des Token vortäuschen. Dem Verkehrsschutz, der durch die Dokumentation auf der Blockchain gewährleistet werden soll, würde das zuwiderlaufen und Missbrauchsmöglichkeiten eröffnen.

Tatsächlich und rechtlich besteht daher ein Bedürfnis nach einer Verknüpfung von Token und Eigentum.

Rechtliche Verknüpfung von Token und Eigentum durch Vertragsgestaltung

Für elektronische Wertpapiere regelt § 25 Abs. 2 eWpG, dass das Recht aus dem Wertpapier mit der Übereignung des elektronischen Wertpapiers übertragen wird. Eine solche Regelung gibt es für tokenisiertes Eigentum aber (noch) nicht Der Gleichlauf von Inhaberschaft am Token und der materiellen Rechtslage kann deshalb nur durch Vertragsgestaltung erreicht werden. Dabei sind verschiedene zivilrechtliche Konstruktionen denkbar.

Schuldrechtlich wirkendes Veräußerungsverbot

Ein schuldrechtlich wirkendes Veräußerungsverbot ist eine Vertragsklausel, nach der der Käufer über seinen Eigentumsanteil nur gemeinsam mit dem NFT verfügen darf. Problematisch ist hierbei aber die Regelung des § 137 BGB, nach der die Verfügungsbefugnis eines anderen nicht mit Wirkung für die Allgemeinheit ausgeschlossen werden kann. Die Klausel beschränkt den Käufer als zukünftigen Eigentümer in seiner Verfügungsbefugnis – zumindest dem Wortlaut nach (§ 137 S. 1 BGB). Möglich ist allerdings gemäß § 137 S. 2 BGB, einen Käufer im Verhältnis zu dem Verkäufer zu verpflichten, sein Eigentum nur gemeinsam mit dem NFT zu übertragen. Setzt sich ein Käufer über dieses Verbot hinweg, wäre die Übertragung seines Anteils an Dritte zwar wirksam, dem Verkäufer ständen aber verschiedene Ansprüche gegen den Käufer zu. Vor einem Weiterverkauf hätte der Verkäufer einen Unterlassungsanspruch, der ggf. gerichtlich mithilfe einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden kann. Nach der Übertragung an Dritte können Schadensersatzansprüche gegen den Käufer entstehen.

Das stellt für den Käufer zwar einen starken Anreiz dar, NFT und Eigentum nicht auseinanderfallen zu lassen, mangels dinglicher Wirkung des Veräußerungsverbots kann das aber nicht verhindert werden.

Bei der Verwendung einer solchen Klausel im Rahmen Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) besteht außerdem die Gefahr, dass Gerichte diese als unwirksam ansehen, da die Beschränkung der Weiterveräußerung dem verkehrstypischen Leitbild des Kaufvertrages widerspricht. Anderseits wird durch die Klausel keine der Vertragsparteien unangemessen benachteiligt, sondern vielmehr der Verkehrsschutz gefördert.

Bedingungszusammenhang

Eine andere Möglichkeit wäre die Vereinbarung eines Bedingungszusammenhangs zwischen dem Kausalgeschäft (beispielsweise einem Kaufvertrag), der dinglichen Einigung und der bestätigten Tokentransaktion. Die Veräußerung an den Ersterwerber stünde dann unter der Bedingung einer im Netzwerk bestätigten Tokentransaktion (§185 Abs. 1 BGB) und ein Weiterverkauf an einen Zweiterwerber unter der auflösenden Bedingung einer nicht bestätigten Tokentransaktion (§ 158 Abs. 2 BGB). 

Dadurch wird die Abgabe einer dinglichen Einigungserklärung ohne eine entsprechende Tokentransaktion verhindert, die Übertragung des Token ohne Eigentum hingegen nicht. Wie bereits dargestellt, wird man von einer Übertragung des Token ohne Eigentum in der Regel zwar nicht ausgehen können, im Einzelfall ist diese Möglichkeit bei einem ausdrücklichen Parteiwillen aber durchaus denkbar.

Auch hier ist die Wirksamkeit einer solchen Klausel im Rahmen von AGB fraglich, könnte aber zum Schutze berechtigter Interessen des Verwenders angemessen sein. 

Vereinbarung einer Blockchain Form

Die Parteien könnten anstelle einer Schriftform vereinbaren, dass die Eigentums- und Tokenübertragung in der Blockchain dokumentiert wird. Die dingliche Einigung steht dann ebenfalls unter dem Vorbehalt, dass eine im Netzwerk bestätigte Tokentransaktion vorliegt. 

Bei einer AGB-Kontrolle könnte hier aber § 309 Nr. 13 b) BGB greifen, nach dem eine strengere Form als die Textform bei Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder Dritten gegenüber abzugeben sind, unzulässig sind. Eine dingliche Einigung wäre eine Erklärung im Sinne dieser Norm. Unklar ist aber, ob Gerichte die Blockchain-Form als eine strengere Form ansehen. Selbst wenn das der Fall wäre, könnte man die Norm vor dem Hintergrund ihrer Zielsetzung – keine Barrieren für die Rechtsdurchsetzung zu errichten – teleologisch reduzieren, d. h. sie in diesem Einzelfall unangewendet lassen. Das Formerfordernis dient lediglich dem Gleichlauf der auf der Blockchain abgebildeten und der materiellen Rechtslage, erleichtert die Rechtsdurchsetzung und dient damit sowohl den Interessen des Vertragspartners als auch dem Verkehrsschutz. 

Vertragliche Pflicht zur Nutzung der Blockchain

Denkbar wäre es außerdem, die Nutzung einer Blockchain als eine vertragliche Pflicht des Ersterwerbers festzulegen, die er an einen Zweiterwerber und dieser an einen Dritterwerber usw. weiterzugeben verpflichtet ist, um eine lückenlose Dokumentation auf der Blockchain zu gewährleisten. Der Verstoß gegen diese schuldrechtliche Verpflichtung hat aber ebenfalls keine dingliche Wirkung und berührt die Wirksamkeit einer Verfügung nicht, sondern hätte lediglich Schadensersatzansprüche zur Folge. 

Wahl der „passenden“ Lösung

Welche der vorgestellten Möglichkeiten für das Rechtsgeschäft am sinnvollsten ist, um einen Gleichlauf zwischen Eigentum und Inhaberschaft am Token zu erreichen, und wie genau ein Vertrag ausgestaltet werden kann, muss im Einzelfall geprüft werden. Je nach Art der Sache, die tokenisiert werden soll, der Interessenlage der Parteien und rechtlichen Vorgaben kann die „passende“ Lösung ganz unterschiedlich ausfallen. 

Weiterverkauf

Um eine lückenlose Dokumentation der Eigentümerstellung auf der Blockchain zu gewährleisten, muss außerdem der Vertragspartner dazu verpflichtet werden, für den Fall eines Weiterverkaufs die gewählte Lösung für die Verknüpfung von Token und Eigentum an einen Zweitkäufer weiterzugeben und diesen vertraglich dazu zu verpflichten etc. Auch hier kann man durch eine entsprechende Vertragsvereinbarung, deren Verletzung Schadensersatzansprüche mit sich ziehen würde, nur einen Anreiz schaffen. 

Tokenisierung des Eigentums an Immobilien 

Die vorangehenden Ausführungen erstrecken sich ausschließlich auf bewegliche Sachen. Für die Übereignung von Immobilien gelten nicht die §§ 929 ff. BGB, sondern das Immobiliarsachenrecht (§§ 873 ff. BGB), dessen Vorschriften die Tokenisierung des Eigentums an Immobilien erheblich erschweren. Für die dingliche Einigungserklärung wird zum einen die notarielle Form angeordnet (§ 925 Abs. 1 S. 1 BGB) und zum anderen ist die dingliche Einigung unter einer Bedingung unwirksam (§ 925 Abs. 2 BGB). Darüber hinaus ist für die Übereignung des Eigentums an Immobilien eine Eintragung in das Grundbuch erforderlich (§ 873 Abs. 1 BGB). 

Ein Erwerb von Token, die das Eigentum an Immobilien repräsentieren, ist daher nicht ohne weiteres möglich – wenn nicht gar nach geltender Rechtslage derzeit unmöglich.

Rechtliches Neuland mit Handlungsbedarf für den Gesetzgeber

Bei der Tokenisierung von Eigentum oder anderen Vermögenswerten handelt es sich um rechtliches Neuland – welche Vertragsgestaltungen einer gerichtlichen Kontrolle standhalten und welche nicht, wird sich zeigen. Die Tokenisierung stößt aber jedenfalls dann an ihre rechtlichen Grenzen, wenn für das Rechtsgeschäft – wie bei Immobilien – eine bestimmte Form vorgeschrieben ist. 

Das Recht an den tokenisierten Positionen sollte dem Recht am Token folgen. Es ist unbedingt notwendig, dass eine dem § 25 eWpG vergleichbare Regelung eingeführt wird, die die Rechteinhaberschaft an die Inhaberschaft am Token knüpft. 

Darüber hinaus sollte der Blockchain ein „öffentlicher Glaube“ zugeschrieben werden, vergleichbar mit § 26 eWpG bei elektronischen Wertpapieren und § 892 BGB bei Immobilien. Im Interesse des Verkehrsschutzes, insbesondere für den Fall des Erwerbs vom Nichtberechtigten, wäre das jedenfalls zu begrüßen. 

Wem die rechtlichen Klippen bei der Tokenisierung von Eigentum doch zu gefährlich sein sollten, dem bleibt als Alternative die (recht sichere) Tokenisierung von Inhaberschuldverschreibungen nach dem eWpG, wobei die Inhaberschuldverschreibungen beispielsweise in Form von qualifizierten Nachrangdarlehen von einem SPV (special purpose vehicle) ausgegeben werden, welches dann Alleineigentum an einer Sache hält.

Fest steht in jedem Fall, dass die Tokenisierung sowohl der digitalen als auch der realen Welt in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen wird.

In dem ersten Teil haben wir uns mit der Verknüpfung von Token und Eigentum beschäftigt. Im zweiten Teil sind wir auf das Auseinanderfallen von Token und Eigentum eingegangen.

Tags: Auseinanderfallen blockchain Eigentum Token Übertragung