16. November 2021
kriminelle Handelsplattform § 127 StGB
Gewerblicher Rechtsschutz

Eigener Straftatbestand für kriminelle Handelsplattformen

§ 127 StGB stellt seit dem 1. Oktober 2021 das Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet unter Strafe. Ein kurzer Überblick. 

Das Internet ist voll von Handelsplattformen: Eine äußerst praktische Sache sowohl für Händler als auch für Kunden. Denn hierüber können Waren und Dienstleistungen unterschiedlichster Art ortsungebunden und zu jeder Tages- und Nachtzeit angeboten und erworben werden.

Allerdings finden sich nicht nur legale Handelsplattformen im Internet, sondern auch diverse kriminelle Ausgestaltungen. So werden im Internet über entsprechende Portale beispielsweise gefälschte oder nicht zugelassene Arzneimittel und Betäubungsmittel gehandelt, zudem Falschgeld, Drogen, gefälschte Dokumente und sogar Menschen zum Zwecke der Ausbeutung.

Vollautomatisierung als Grund für einen eigenen Straftatbestand

Das deutsche Recht stellt den Handel mit verbotenen Waren oder Dienstleistungen und mit Menschen mittels entsprechender Strafnormen im StGB und diverser Spezialgesetze ohnehin unter Strafe. Außerdem bietet das Institut der Beihilfe die Möglichkeit, gegen Personen, die anderen zu deren vorsätzlicher und rechtswidriger Tat Hilfe leisten, strafrechtlich vorzugehen.

Aber warum braucht es dann überhaupt noch einer eigenen Norm zur Bestrafung des Betreibens krimineller Handelsplattformen? Dahinter steht das Ziel einer effektiven und konsequenten Strafverfolgung. Diese ist gerade bei im digitalen Raum begangenen Taten – ohne den neuen Straftatbestand – insbesondere dann schwer zu erreichen, wenn dem Betreiber kein Vorsatz in Bezug auf die konkreten illegalen Angebote auf der von ihm bereitgestellten Plattform nachgewiesen werden kann, weil er die Plattform vollautomatisiert betreibt. Die neue Strafnorm soll also Strafbarkeitslücken im Internet schließen, die sich in der Vergangenheit in gewissen Konstellationen aufgrund der Grenzen des Konstrukts von Täterschaft und Teilnahme gezeigt haben.

Strafrahmen für das Betreiben krimineller Handelsplattformen: Von Geldstrafe bis hin zu 10 Jahren Freiheitsstrafe 

Der Grundtatbestand des § 127 Abs. 1 StGB sieht für denjenigen, der

eine Handelsplattform im Internet betreibt, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten zu ermöglichen oder zu fördern

Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor, vorausgesetzt die Tat ist nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht.

Die von der Norm erfassten rechtswidrigen Taten werden in § 127 Abs. 1 S. 2 StGB abschließend aufgezählt. Darunter fallen neben sämtlichen Verbrechen – also rechtswidrigen Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr bedroht sind – auch zahlreiche Vergehen, wie unter anderem strafbare Marken- und Designverletzungen, strafbewehrte Verstöße gegen das Arzneimittel-, Betäubungsmittel- und Anti-Doping-Gesetz, Fälschung von unbaren Scheckkarten, sexueller Missbrauch von Kindern, Kinderpornographie, Ausspähen und Abfangen von Daten, Menschenhandel, Zwangsprostitution, Zwangsarbeit und Kinderhandel.

Was unter einer Handelsplattform im Sinne der Norm zu verstehen ist, definiert § 127 Abs. 2 StGB:

jede virtuelle Infrastruktur im frei zugänglichen wie im durch technische Vorkehrungen zugangsbeschränkten Bereich des Internets, die Gelegenheit bietet, Menschen, Waren, Dienstleistungen oder Inhalte (…) anzubieten oder auszutauschen.

Der Gesetzgeber hat zudem zwei Qualifikationstatbestände eingeführt: § 127 Abs. 3 StGB erhöht die Strafe für denjenigen, der gewerbsmäßig vorgeht oder als Mitglied einer Bande handelt, auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. § 127 Abs. 4 StGB sieht sogar Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren für denjenigen vor,

der bei der Begehung einer Tat nach Absatz 1 beabsichtigt oder weiß, dass die Handelsplattform im Internet den Zweck hat, Verbrechen zu ermöglichen oder zu fördern.

Auch Auslandstaten mit Inlandsbezug erfasst

Oftmals agieren die Betreiber krimineller Handelsplattformen aus dem Ausland. Sie können hierdurch jedoch nicht in jedem Fall der Strafbarkeit des § 127 StGB entgehen. Das deutsche Strafrecht gilt zwar grundsätzlich für Inlandstaten, also Taten, die im Inland begangen werden (§ 3 StGB). Es findet in bestimmten Konstellationen aber auch für Auslandstaten mit besonderem Inlandsbezug Anwendung (§ 5 StGB). So gilt nunmehr das deutsche Strafrecht, unabhängig vom Recht des Tatorts, wenn eine Straftat nach § 127 StGB im Ausland begangen wird,

wenn der Zweck der Handelsplattform darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten im Inland zu ermöglichen oder zu fördern und der Täter Deutscher ist oder seine Lebensgrundlage im Inland hat.

Ist der Betreiber einer kriminellen Handelsplattform also Deutscher bzw. hat seinen persönlichen und wirtschaftlichen Lebensmittelpunkt in Deutschland und will er über seine Plattform die Begehung rechtswidriger Taten in Deutschland ermöglichen, so kann er sich einer Strafbarkeit des § 127 StGB nicht dadurch entziehen, dass er die kriminelle Handelsplattform im Ausland betreibt.

Besondere Ermittlungsmöglichkeiten bei schweren Taten

Parallel zur Einführung der Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet hat der deutsche Gesetzgeber Änderungen der Strafprozessordnung vorgenommen, um die Aufklärungsmöglichkeiten so effektiv wie möglich zu gestalten. Insofern werden nunmehr die Qualifikationstatbestände § 127 Abs. 3 StGB (gewerbsmäßige oder bandenmäßige Begehung) und § 127 Abs. 4 StGB (gezielte Förderung von Verbrechen) als Katalogtaten (schwere bzw. besonders schwere Taten) aufgelistet, bei denen im Falle des Verdachts der Verwirklichung die Ermittlungsbehörden die Möglichkeit haben, eine Telekommunikationsüberwachung (§ 100a StPO), Online-Durchsuchung (§ 100b StPO) und Verkehrsdatenerhebung (§ 100g StPO) vorzunehmen. 

 § 127 StGB kriminalisiert allein Plattformen, die die Begehung von Katalogtaten bezwecken

Der neu geschaffene § 127 StGB kriminalisiert nicht bereits das Betreiben einer jeden Handelsplattform, über die unter anderem auch kriminelle Geschäfte abgewickelt werden. Vielmehr erfasst die Norm allein solche Plattformen, die zweckgerichtet zur Ermöglichung oder Förderung der aufgeführten Katalogstraftaten betrieben werden. Somit fallen Betreiber von Foren und Online-Marktplätzen, deren ausschließlicher Zweck der Handel mit legalen Waren und Dienstleistungen ist, nicht unter den Täterkreis, selbst wenn auf der von ihnen betriebenen Plattform Dritte im Einzelfall kriminelle Geschäfte tätigen. 

Die bei dem Verdacht der Begehung des qualifizierten Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet anwendbaren besonderen strafprozessualen Maßnahmen ermöglichen den Behörden die effektive Ermittlungstätigkeit und letztlich konsequente Strafverfolgung.

Mit der Einführung von verschiedenen Regelwerken in Deutschland und der EU wird der gesamte Bereich der digitalen Dienste grundlegend reformiert. Vom neuen Rechtsrahmen werden beinahe sämtliche Anbieter von digitalen Diensten erfasst, Adressaten sind insbesondere Plattformen wie Media PlatformsUser Interface Provider und Media Intermediaries als auch Market Places. Eine Übersicht über unser Beratungsangebot zum Bereich „Digital Regulation“ finden Sie hier.

Tags: Ermittlung Katalogtat kriminelle Handelsplattform § 127 StGB