Marktteilnehmer haben zwölf Monate länger Zeit, um sich auf die neue Rechtslage vorzubereiten – Die neue EU-Öko-VO gilt erst ab dem 1. Januar 2022.
Der europäische Gesetzgeber hat mit der Verordnung (EU) 2018/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen (die „neue EU-Öko-VO“) das Bio-Recht auf EU-Ebene neuen Regeln unterworfen.
Anlass der Neuregelung war u.a. die Erkenntnis, dass aufgrund der Dynamik des ökologischen/biologischen Sektors eine Überarbeitung der bisherigen EU-Regeln für die ökologische/biologische Produktion unter Berücksichtigung der damit gemachten Erfahrungen erforderlich sei. Ziel der Überarbeitung ist es, die Vorschriften an die hohen Erwartungen der Verbraucher anzupassen und den Adressaten ausreichende Klarheit zu bieten. Bisher war vorgesehen, dass die neue EU-Öko-VO die alte Verordnung (EG) Nr. 834/2007 mit Stichtag zum 1. Januar 2021 ablöst.
Pandemie erschwert den Betrieben die Anpassung an neue Vorschriften
Somit war jedenfalls seit Mitte 2018 bekannt, dass die neuen Regelungen eigentlich mit Beginn des Jahres 2021 hätten Geltung erlangen sollen. Trotzdem dürfte der ursprünglich geplante Geltungsbeginn für viele Branchenteilnehmer dann aber doch schneller näher gerückt sein als erwartet: Anfang des Jahres nämlich waren auch die von der neuen EU-Öko-VO betroffenen Betriebe plötzlich vor – im Jahr 2018 noch nicht vorhersehbare – Herausforderungen gestellt. Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie hat die Unternehmen wirtschaftlich stark belastet und tut dies auch derzeit noch. In diesem Szenario werden viele der Marktteilnehmer ihre Anstrengungen primär darauf fokussieren, die bisherige biologische/ökologische Produktion aufrechtzuerhalten.
Eine Anpassung und Umstellung des Betriebes auf möglicherweise relevante Änderungen durch die neue EU-Öko-VO war und ist daher mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Diese Umstände hatte auch die EU-Kommission erkannt und Anfang September 2020 den Vorschlag für eine Verschiebung des Geltungsbeginns um ein Jahr ins Parlament eingebracht. Diesen Vorschlag haben das Parlament und der Rat nun in erster Lesung gebilligt und ihre Präsidenten das Gesetz am 11. November 2020 unterzeichnet. Damit steht die Verschiebung des Geltungsbeginns nun also auch formell fest.
Gnadenfrist nutzen!
Unternehmer aus der Branche sollten diese Gnadenfrist nicht ungenutzt verstreichen lassen. Zwar bleibt Vieles im Vergleich zur bisherigen Rechtslage beim Alten, in manchen Bereichen kann es aber durchaus – auch bereits zum Geltungsbeginn der EU-Öko-VO, d.h. ohne Übergangsfrist – zu Anpassungsbedarf kommen. Betroffen sind beispielsweise folgende Bereiche:
- Die Anwendung von Ionentauschern und Adsorberharzen bei der Herstellung ökologischer Lebensmittel ist nach der neuen EU-Öko-VO grundsätzlich verboten. Betroffen hiervon ist beispielsweise insbesondere das in vielen Bio-Lebensmitteln enthaltene Maltodextrin. Wird dieses unter Verwendung von Ionentauschern hergestellt, darf es nicht eingesetzt werden.
- Künftig werden Mittel zur Reinigung und Desinfektion in Verarbeitungs- und Lagerstätten von der Kommission zugelassen.
- Es muss zukünftig auf Lebensmittel, die technisch hergestellte Nanomaterialien enthalten oder aus solchen bestehen, verzichtet werden.
- Außerdem ergeben sich Änderungen in Bezug auf den Einsatzbereich und die Kennzeichnung von Aromen.
Wünschenswert wäre, dass daneben auch die Kommission die Fristverlängerung nutzt, um noch erforderliche Durchführungsverordnungen rechtzeitig zu erlassen.