24. August 2017
Geschäftsgeheimnis
Gewerblicher Rechtsschutz

Geschäftsgeheimnisse: Ihre Rolle beim Innovationsschutz und neue Anforderungen an ihre Absicherung

Die Nutzung von Geschäftsgeheimnissen zum Schutz von Innovationen übertrifft die Nutzung von Patenten; gleichzeitig müssen Schutzkonzepte auf den Prüfstand.

Bis zum 9. Juni 2018 steht die Umsetzung der Richtlinie über Geschäftsgeheimnisse ((EU) 2016/943) in nationales Recht an, welche die Anforderungen an den Schutz von Geschäftsgeheimnissen erhöhen wird.

Die hohe Relevanz von Geschäftsgeheimnissen für den Schutz von Innovationen und das Zusammenspiel mit Patenten hat die beim Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) angesiedelte Europäische Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums aufgezeigt. Sie hat ihre Untersuchungen zum Innovationsschutz in 24 Mitgliedsstaaten in einem kürzlich veröffentlichten Report zusammengefasst.

Zentrale Ergebnisse des Reports bestätigen das Gewicht von Geschäftsgeheimnissen beim Schutz von Innovationen

Mit Hilfe von Geschäftsgeheimnissen können unterschiedlichste Informationen geschützt werden; seien sie technischer oder aber kaufmännischer Natur, wie beispielsweise Informationen über Kunden und Lieferanten, Preise und Kosten oder Geschäftspläne und Strategien. Angesichts dessen überrascht es kaum, dass Geschäftsgeheimnisse in der Praxis ein ganz wesentliches Instrument zum Schutz von Innovationen darstellen.

Die Verfasser der Studie veranschaulichen diesen Hauptunterschied des Informationsschutzes durch Geschäftsgeheimnisse gegenüber dem auch durch die Offenlegung der Information gekennzeichneten Patentschutz plastisch mit dem Bild eines Eisbergs: Während die verhältnismäßig wenigen patentrechtlich geschützten und offengelegten Informationen als Spitze des Eisberges aus dem Meer ragen, befindet sich dessen, um ein Vielfaches größerer Rumpf, – die Geschäftsgeheimnisse – unsichtbar unter Wasser.

Die wesentlichen Ergebnisse der Analyse des EUIPO bestätigen entsprechend das Gewicht von Geschäftsgeheimnissen beim Schutz von Innovationen. Als Innovation wurde dabei die Einführung von neuen oder wesentlich verbesserten Produkten oder Prozessen in ein Unternehmen definiert, die gegenüber den bisher vertriebenen Gütern oder verwendeten Prozessen neue oder verbesserte Eigenschaften oder Nutzen für das Unternehmen haben muss.

Im Ergebnis wurde festgestellt:

  1. Geschäftsgeheimnisse werden in den meisten Branchen und in allen Mitgliedsstaaten häufiger zum Schutz von Innovationen verwendet, als Patente.
  2. Wenn eine Innovation neu auf dem Markt ist, wird sie häufig sowohl durch Geschäftsgeheimnisse als auch durch Patente geschützt. Ist die Innovation für das Unternehmen neu, erfolgt regelmäßig der Schutz durch Geschäftsgeheimnisse.
  3. Besteht die Innovation in einem Produkt, wird vielfach Patentschutz durch Geheimnisschutz ergänzt.
  4. Besteht die Innovation in einem Prozess oder einer Dienstleistung, überwiegt die Nutzung von Geschäftsgeheimnissen klar die von Patenten.
  5. Bei Kooperationen mit Dritten steigt die Nutzung von Geschäftsgeheimnissen und Patenten, wenn der Kooperationspartner im außereuropäischen Ausland sitzt.
  6. Bei starkem Preiswettbewerb – häufig durch mangelnde Möglichkeit der Produktinnovation bedingt – werden Geschäftsgeheimnisse gegenüber Patenten bevorzugt.

Im Hinblick auf die untersuchten Branchen fällt auf, dass in den Feldern Ingenieurwesen, Architektur und technische Prüfungen und Analysen sowie Computerprogrammierung, und diesbezügliche Beratung und sonstige Dienstleistungen Geschäftsgeheimnisse sehr intensiv, Patente hingegen wesentlich weniger genutzt werden.

Eine gleichermaßen intensive Nutzung von Geschäftsgeheimnissen und Patenten konnte unter anderem bei der Herstellung von Computer-, Elektronik- und optischen Produkten, von Kraftfahrzeugen, grundlegenden pharmazeutischen Produkten und Zubereitungen und Chemikalien festgestellt werden.

Neues Geheimnisschutzrecht binnen Jahresfrist fällig

Zweck der Untersuchung soll sein, politischen Entscheidungsträgern eine Informationsbasis für Maßnahmen nach dem Erlass der Richtlinie über Geschäftsgeheimnisse ((EU) 2016/943) zu bieten.

Die Studie ist aber auch ein wertvoller Hinweis für Unternehmen darauf, dass die Nutzung von Geschäftsgeheimnissen neben klassischen Immaterialgüterrechten regelmäßig ein wesentlicher Teil des Rechteportfolios ist und entsprechend strategisch betrieben werden sollte. Dies gilt umso mehr, als die Richtlinie über Geschäftsgeheimnisse wesentliche Änderungen für den Geheimnisschutz in Deutschland mit sich bringt.

Zwar gilt die Richtlinie nicht unmittelbar in Deutschland, jedoch hat der deutsche Gesetzgeber nur noch bis zum 9. Juni 2018 Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen.

Wesentliche Neuerungen bei Geheimnisdefinition und Verletzungshandlungen

Insgesamt wird der Schutz von Geschäftsgeheimnissen durch die Richtlinie gestärkt, denn sie treibt erstmals die Rechtsangleichung der Schutzsysteme im Zusammenhang mit vertraulichem Know-how und vertraulichen Geschäftsinformationen voran.

Gegenüber der bisherigen Rechtslage in Deutschland ergeben sich jedoch insbesondere folgende Neuerungen, welche die Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen:

  • Bislang konnten sich Unternehmen prinzipiell darauf verlassen, dass vertrauliche geschäftsbezogene Informationen aufgrund ihres jeweiligen Bezugspunktes als Geschäftsgeheimnis galten und damit vor unbefugter Entwendung und Nutzung geschützt waren. Dies ändert sich mit der Umsetzung der Richtlinie. Denn diese sieht vor, dass Geschäftsgeheimnisse nur Informationen sind, (i) die geheim sind, (ii) deshalb einen kommerziellen Wert aufweisen und (iii) Gegenstand von den Umständen entsprechenden angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen des Geheimnisträgers sind. Dies führt dazu, dass im Streitfall nicht mehr eine Vermutung des Geheimhaltungswillens durch den Inhaber besteht, die durch den Verletzer widerlegt werden muss, sondern dass der Geheimnisinhaber nachweisen muss, dass er ausreichende Maßnahmen zur Geheimhaltung ergriffen hat.
  • Nach deutschem Recht war bislang das sog. Reverse Engineering bei Produkten in vielen Fällen verboten, da ein Geschäftsgeheimnis nur dann als offenkundig galt, wenn ein Fachmann ohne größeren Aufwand in der Lage war, das Geheimnis durch Untersuchung des in den Verkehr gebrachten Produktes aufzudecken. Die Richtlinie erlaubt nun den Erwerb von Geschäftsgeheimnissen durch „Beobachtung, Untersuchung, Rückbau oder Testen eines Produkts oder Gegenstands“, sofern Produkt oder Gegenstand öffentlich verfügbar sind bzw. sich im rechtmäßigen Besitz des Erwerbers befinden.

To-dos für innovative Unternehmen: Sicherungsmaßnahmen implementieren

Die durch die Rechtsvereinheitlichung bevorstehende teilweise Absenkung des Schutzniveaus sollten Unternehmen nicht unvorbereitet abwarten, sondern sie gewissermaßen als Arbeitsauftrag auffassen. Tatsächlich können sie bereits jetzt wichtige Schritte tun, um den Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse auch für die Zukunft sicher zu stellen.

So müssen zukünftig anhängig von der jeweils betroffenen Information „angemessene“ und „den Umständen entsprechende“ Maßnahmen ergriffen und dokumentiert werden, wie bspw. Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitsvereinbarungen sowie Zugangs- und Zugriffsabsicherungen. Zur Verringerung des Risikos von Reverse Engineering kann zumindest im Rahmen von Vertragsbeziehungen, bspw. bei Forschungs- und Entwicklungsverträgen, das Reverse Engineering untersagt werden.

Die bis zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht verbleibende Zeit sollte daher für eine Bestandsaufnahme der durch Geheimhaltung geschützten Assets und der vorhandenen rechtlichen, organisatorischen und technischen Sicherungsmaßnahmen genutzt werden.

Wie ist Ihr Know-how-Schutz aufgestellt?

Erster Schritt für eine Bestandsaufnahme in Sachen Geheimhaltungsmaßnahmen kann der CMS online „Stresstest“ zum Geheimnisschutz sein. Hier erfahren Sie mit wenigen Klicks, was die wesentlichen Faktoren beim Schutz gegen unberechtigten Abfluss von Know-how sind und ob Sie bereits ausreichend gewappnet sind. Weitere Hintergründe zum Thema Know-how-Schutz und Informationen zum Gesetzgebungsverfahren finden Sie unter Know-how-protect.de.

Tags: Geheimnisschutzrecht Geschäftsgeheimnis Innovationsschutz