8. August 2012
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Markenrecht

Als das Internet beschloss, kompliziert zu werden

Bislang war im Internet zwar nicht alles klar, die Orientierung war jedoch dem Grunde nach einfach: Es gab bestimmte generic Top-Level Domains (gTLD) wie z.B. .com oder .org. Daneben gab es die country code Top-Level Domains wie z.B. .de oder .eu. Damit war allerdings die Anzahl der verfügbaren Domains beschränkt. Viel zu wenig für ein digitales Zeitalter!

Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) entschied daher, Bewerbungen für neue gTLDs zuzulassen. Eine Liste mit den eingegangenen Bewerbungen für 1.930 neue gTLDs wurde am 13.06.2012 veröffentlicht. Bis zu Internetadressen wie z. B. www.london.hyatt  oder www.golf.volkswagen  wird zwar noch ein wenig Zeit vergehen. Aber welche Auswirkungen werden diese neuen gTLDs auf z. B. markenrechtliche Widerspruchsverfahren haben? Verlegen wir einmal hypothetisch die Entscheidung des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (HABM) vom 10.07.2012 (Widerspruchsnummer B 1769358) in die Zukunft der neuen gTLDs:

Im Widerspruchsverfahren standen sich die Marken „made solar“ (ältere Marke) und „made.com“ (angegriffene Marke) gegenüber. Nach Auffassung des HABM umfassten die beiden Marken ähnliche Waren und Dienstleistungen.

Das HABM nahm – wenig überraschend – an, dass die sich gegenüber stehenden Zeichen aufgrund des übereinstimmenden Bestandteiles „made“ über visuelle und phonetische Ähnlichkeiten verfügen.

Im Rahmen der umfassenden Beurteilung einer möglichen Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Zeichen ging das HABM dann auch auf die unterschiedlichen Endungen der beiden Marken ein. Der Bestandteil „solar“ der Widerspruchsmarke fand bei der angegriffenen Marke mit „.com“ keine Übereinstimmung. Doch sollten die abweichenden Bestandteile „solar“ und „.com“ ausreichend sein, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen?

Das HABM kam zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall sei. Der Bestandteil „.com“ der angegriffenen Marke würde im Wesentlichen als eine gTLD (so das HABM sinngemäß) aufgenommen werden. Insofern könne die Endung „.com“ als Hinweis auch auf die „made solar“-Website verstanden werden. Daher bestünde das Risiko, dass die angesprochenen Verkehrskreise selbst bei einem hohen Aufmerksamkeitsgrad davon ausgehen  könnten, dass die mit „made solar“ und „made.com“ gekennzeichneten Produkte von demselben oder zumindest von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen könnten. Vor diesem Gesamthintergrund ging das HABM also von Verwechslungsgefahr aus und ordnete die Löschung der Gemeinschaftsmarkenanmeldung „made.com“ im Umfang des Widerspruchs an.

Derzeit mag man der Argumentation des HABM folgen. Schaut man allerdings in die Liste der Bewerbungen für neue gTLDs, stößt man dort auch auf eine Bewerbung für „solar“. Die Ruby Town, LLC. hat eine entsprechende Bewerbung abgegeben.

Sofern dieses Unternehmen mit der Bewerbung erfolgreich ist, sind also in Zukunft auch auf Internetadressen wie www.made.solar möglich. Für die Argumentation des HABM in der vorliegenden Entscheidung würde dies bedeuten, dass auch in der älteren Marke „made solar“ durch den Bestandteil „solar“ ein Hinweis auf eine Internet-Domain gesehen werden könnte. Gleiches würde dann auch für andere generische Begriffe wie z. B. „Sport“, „Beauty“, „Kinder“ oder „Versicherung“ gelten, für die ebenfalls Bewerbungen für neue gTLDs abgegeben worden sind.

Alles also nicht so einfach. Vielleich wäre vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen im World Wide Web die Verwechslungsgefahr zwischen Zeichen wie „made solar“ und „made.com“ in ein paar Jahren anders zu beurteilen. Die Bildung von der Marke nach dem Muster einer Domain („made.com″) ist nach der Entscheidung der HABM jedenfalls nicht ganz ungefährlich, wenn man die Verwechslungsgefahr im Auge hat.

Tags: .com generic Top-Level Domains gTLD ICANN Unterscheidungskraft Verwechslungsgefahr Widerspruch