Wenn Sie das an den Murmeltiertag erinnert, liegen Sie goldrichtig: Der Goldhase ist nicht zum ersten Mal Gast beim BGH.
Die Mitglieder des für Marken- und Wettbewerbsrecht zuständigen I. Zivilsenats müssen Naschkatzen sein. Nicht anders ist es zu erklären, dass viele Leitentscheidungen der letzten Jahre aus der Welt der Süßigkeiten stammen. So haben wir unter anderem über „Russisches Schaumgebäck“ gelesen (GRUR 2005, S. 414), mehr über das „Geschmackerlebnis“ beim Verkosten von Rocher aufgrund der raspeligen Oberfläche erfahren (GRUR 2010, S. 138) und auch, warum der „kinder kram“ von Haribo als Marke nicht verwechslungsfähig ist mit dem Wortbestandteil „kinder“ der Ferrero-Marken.
Und nun also wieder einmal der Hase.
Für die Klägerin ist eine dreidimensionale Gemeinschaftsmarke eingetragen. Sie zeigt das sitzende goldene Tier mit rotem Halsband, goldenem Glöckchen und der Aufschrift „Lindt-Goldhase“:
Der Hase der Beklagten sieht so aus:
Die Klägerin sieht hierdurch ihre Markenrechte verletzt.
Ein Rückblick:
Der erste Gang durch die Instanzen: Eher Riegelein als der Hase maßgeblich
Er gestaltete sich für unseren Protagonisten zunächst schwierig. Denn sowohl das Landgericht (LG) als auch das Oberlandesgericht (OLG)Frankfurt a.M. (GRUR-RR 2004, S. 136 – Goldhase) wiesen die Klage im ersten Durchgang ab.
Es sei bei dreidimensionalen Marken von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass sich der Verkehr eher an deren Wort- als an ihrem Bildbestandteil orientiere. Mit dem Aufdruck „Riegelein Confiserie“ wahre die Beklagte einen so großen Abstand zum „Lindt-Goldhasen der Klägerin, dass keine markenrechtliche Verwechslungsgefahr bestehe.
An dieser Bewertung störte, dass sie zu wenig beachtete, dass die Klägerin zur Untermauerung ihrer Ansprüche eine Verkehrsumfrage durchgeführt hatte, bei der den Befragten lediglich ein in goldene Folie verpackter sitzender Hase ohne Aufschrift und ohne rotes Halsband mit Glöckchen gezeigt worden war. Trotzdem äußerten 65% der Befragten, dass dieser Hase aus einem bestimmten Unternehmen komme. 58% von ihnen äußerten auf Nachfrage „Lindt“ als den Hersteller.
Es ist deutlich zu erkennen, dass unter anderem dies den BGH in der ersten Runde dazu motivierte, das Urteil des OLG Frankfurt a.M. aufzuheben, zumal sich aus einer früheren Befragung, bei der der Hase mit dem roten Halsband, dem Glöckchen und der Lindt-Beschriftung gezeigt wurde, keine signifikant besseren Werte für die Klägerin ergeben hatten (GRUR 2007, S. 235 – Goldhase).
Der BGH verhinderte das K.O.
Er führte weiter aus, der vom Berufungsgericht herangezogene Erfahrungssatz des im Zentrum stehenden Wortbestandteils nur für die Beurteilung der klanglichen Verwechslungsgefahr gelte, nicht aber für die der visuellen.
An einer eigenen Entscheidung sah sich der I. Zivilsenat aber gehindert, weil das OLG noch nicht geprüft hatte, ob Form und Farbe des Klagezeichens tatsächlich kennzeichnenden Charakter hätten und so keine ausreichende Prüfungsgrundlage existiere.
Außerdem sei vom Berufungsgericht zu prüfen, ob die Beklagte die Gestaltung ihres Hasen auch markenmäßig verwende, was Voraussetzung für die Zuerkennung markenrechtlicher Ansprüche ist.
So wanderte unser Hase zurück nach Frankfurt a.M.
Die zweite Runde: Die edle Zurückhaltung des Hasen macht ihn unverwechselbar
Zum Auftakt der zweiten Runde musste er sich dort erneut geschlagen geben (GRUR-2008, 191 – Goldhase II). Das OLG Frankfurt hielt an seiner Auffassung fest, dass keine Verwechslungsgefahr bestehe. Dieses Mal erkannte es unter Bezugnahme auf die von der Klägerin vorgelegten und sogar noch ergänzten Studien eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Klagemarke an. Diese bestehe auch isoliert für die bloße Form und Farbe des Hasen.
Doch ergebe sich aus dem Ergebnis der Verkehrsbefragung nicht, dass das aufgemalte Gesicht und das rote Bändchen mit dem goldenen Glöckchen für die Kennzeichnungskraft der Marke völlig ohne Bedeutung wären. Gerade das rote Halsband mit der Glocke werde von der Klägerin in ihrer Werbung besonders herausgestellt und führe so zu einem weiteren Herkunftshinweis.
Unter Beachtung der Prämisse, dass bei der Feststellung der Verwechslungsgefahr nur solche Merkmale maßgeblich seien, die herkunftshinweisend seien, ergebe sich, dass Ansprüche ausschieden. Denn durch den Wortbestandteil „Riegelein Confiserie“, die eher bronzene als goldene Folie, die braune Schleife anstelle des roten Halsbands mit Glöckchen und das „fröhliche“ statt dem „eher zurückhaltend edel“ gehaltenen Gesicht sei eine Ähnlichkeit zu verneinen.
Ein Herz für Goldhasen: BGH lässt die Revision zu
Einiges spricht dafür, dass dies den BGH erneut nicht überzeugt hat. Darauf deutet bereits hin, dass der I. Zivilsenat auf die Beschwerde der Klägerin die Möglichkeit der Revision eröffnete, die das Berufungsgericht nicht zugelassen hatte. Es könnte auch sein, dass das OLG Frankfurt a.M. erneut von falschen Prämissen ausgegangen ist, indem es vor allem auf die Unterschiede zwischen den beiden Hasen abstellte und ohne nähere Begründung hinzufügte, die Form des Hasen sei demgegenüber nicht geeignet, eine Verwechslungsgefahr herbeizuführen.
Das lässt eine nähere Beschäftigung mit dem Grundsatz vermissen, dass sich dem Betrachter eher die Ähnlichkeiten bei zwei Produkten einprägen als ihre Unterschiede (BGH GRUR 2007, S. 795 – Handtaschen; BGH WRP 2010, S. 94 – LIKEaBIKE; OLG Köln NJOZ 2010, S. 1130, 1132 – Der Eisbär hustet nicht).
Offen bleibt auch, warum das Gericht meint, Bändchen und Glöckchen führten zu einem weiteren Herkunftshinweis. Das Ergebnis der Verkehrsumfrage legt eher den gegenteiligen Schluss nahe. Es ist schließlich auch nicht so, dass die braune (in der ersten Berufungs-Entscheidung war noch von „bräunlich/rötlich“ die Rede) aufgedruckte Schleife gänzlich ohne Anlehnung an das Halsband des Lindt-Hasen erfolgt wäre. Denn Halsschmuck bei Hasen ist doch eher die Ausnahme.
Gleiches gilt für die bronzene statt der goldenen Farbe (hier hatte das OLG im ersten Durchgang noch von „Goldfolie“ gesprochen). Steht hier für den Betrachter die Nähe zum Original im Vordergrund, das er aber beim Kauf im Geschäft nicht sieht und bezüglich dessen er auf seine Erinnerung angewiesen ist oder aber weiß er auch ohne Gegenüberstellung vom „leuchtenden Gold“ des Original-Hasen und nimmt die Farbnuance als Unterschied war? Auch dazu findet sich im Urteil des OLG nichts.
Und zuletzt könnte es sein, dass das Berufungsgericht den Gesichtspunkt der Verletzung der Herkunftsfunktion zu sehr in den Vordergrund gerückt hat. Denn nach der neueren EuGH-Rechtsprechung kommt es darauf nicht mehr unbedingt an (zuletzt NJW 2010, S. 2029 – Google-France und Google).
Nach der neuen Entscheidung des BGH sind wir schlauer. Und unser Goldhase weiß vielleicht auch endlich, wie einzigartig er wirklich ist.
UPDATE: Hase verlorengegangen – BGH verweist den Rechtsstreit erneut zurück – Pressemitteilung des BGH vom 16.07.2010