Inhaber von bekannten nicht kommerziell verwerteten Testsiegeln steht bei Verletzung Unterlassung und Schadensersatz zu.
Bereits seit Jahren sind Testsiegel immer wieder Gegenstand der Rechtsprechung bis in die höchsten Instanzen. Die Anforderungen an die Werbung mit Testsiegeln wurden dabei klarer umrissen.
Die Werbung mit Testsiegeln wurde aber schwerpunktmäßig unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts – einer möglichen Irreführung der Verbraucher* – behandelt. Wettbewerbsverstöße können die Testinstitute selbst nicht geltend machen, da sie keine Wettbewerber der mit ihren Tests werbenden Unternehmen sind. Die Testinstitute können also nichts gegen die irreführende Werbung mit ihren Testergebnissen unternehmen und sind auf Hilfe durch die Verbraucher- und Wettbewerbszentralen angewiesen, die irreführende Werbung neben Wettbewerbern abmahnen und vor Gericht geltend machen können.
Bisherige Anforderungen an die Werbung mit Testsiegeln aus wettbewerbsrechtlicher Sicht
Folgende Anforderungen an die Werbung mit Testsiegeln haben sich bislang herauskristallisiert (vgl. zuletzt BGH, Urteil v. 15. April 2021 – I ZR 134/20; BGH, Urteil v. 24. Januar 2019 – I ZR 200/17):
- deutlich erkennbare Angabe der Fundstelle des Tests, die leicht zugänglich ist und eine eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Test erlaubt
- Werbung nur für Produkte, die den getesteten entsprechen
- keine Werbung mit überholten Testergebnissen
- Auszeichnung muss in seriösem, repräsentativem Verfahren vergeben worden sein
- Auszeichnung darf nicht erschlichen worden sein
- keine Irreführung in Bezug auf Rang des beworbenen Produkts unter getesteten Konkurrenzprodukten
- keine Änderung der Aussage des Testergebnisses und zutreffende Wiedergabe
Selbst gestaltetes Bio-Logo darf nicht Eindruck eines Testsiegels erwecken
Es muss aber nicht nur bei der Verwendung fremder Logos aufgepasst werden. Auch bei selbst gestalteten Logos sind gewisse „Spielregeln“ zu beachten. Das OLG München hat entschieden, dass selbst gestaltete Logos nicht den Eindruck eines Testsiegels erwecken dürften (Urteil v. 9. Dezember 2021 – 6 U 1973/21).
Die Wettbewerbszentrale ist erfolgreich gegen ein Unternehmen vorgegangen, das mit einem Bio-Logo für seine Kräuter- und Arzneimitteltees geworben hat. Das Logo sei von den Verbrauchern als Zeichen dafür verstanden worden, dass ein Dritter die Produkte nach bestimmten Anforderungen geprüft und das Testsiegel verliehen habe.
Die Bewerbung von Produkten mit der Qualität „bio“ ist natürlich nach wie vor gestattet – sofern die Voraussetzungen erfüllt sind –, allerdings muss darauf geachtet werden, dass ein Bio-Logo nicht den Eindruck eines Testsiegels erweckt.
Unterlassungsanspruch bei Verletzung von Testsiegeln über das Markenrecht
Bei den Testsiegelinhabern ist das Markenrecht mehr in den Fokus gerückt und hat zu viel beachteten Entscheidungen bezüglich des ÖKO-TEST-Siegels geführt. Die Inhaberin ÖKO-TEST AG ist Herausgeberin des Verbrauchermagazins „ÖKO-TEST“, in dem Waren- und Dienstleistungstests veröffentlicht werden. Sie ist Inhaberin u.a. der Wort-Bild-Marke ÖKO-TEST (020160331913) und gestattet Werbung mit diesem Testsiegel, sofern mit ihr ein Lizenzvertrag in Bezug auf ein konkretes Produkt geschlossen wurde.
Die ÖKO-TEST AG hatte Verfahren gegen zwei Versandhändler angestrengt, die das Testsiegel für Produkte verwendeten, die eine andere Farbe bzw. Größe als die tatsächlich getesteten Produkte aufwiesen. Der BGH hat zu Lasten der Versandhändler entschieden, dass das Werben mit Testergebnissen für Produkte, für die kein Lizenzvertrag geschlossen wurde, die Wertschätzung eines bekannten Testlogos in unlauterer Weise ausnutze (Urteile v. 12. Dezember 2019 – I ZR 173/16 und I ZR 117/17).
Die Markeninhaberin hat zudem einen Zahnpastahersteller verklagt, der das Testsiegel für Zahnpasta verwendete, die vor etlichen Jahren getestet wurde und für die zwischenzeitlich ein neuer Zahnpastatest ohne Bewertung dieser Zahnpasta erschienen war. Der EuGH hat in diesem Verfahren entschieden, dass eine Verwechslungsgefahr der Zeichen ausscheide, da die ÖKO-TEST AG Testdienstleistungen anbiete, während der Zahnpastahersteller seine Zahnpasta mit dem Testsiegel bewerbe. Allerdings könne ein Unterlassungsanspruch in Betracht kommen, wenn durch die Verwendung eines bekannten Testsiegels auf Waren die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausgenutzt wird (Urteil v. 11. April 2019 – C-690/17).
Der BGH hat im Anschluss entschieden, dass eine unlautere Ausnutzung der Wertschätzung des Testlogos auch vorliege, wenn mit veralteten Testergebnissen geworben werde, wie es der Zahnpastahersteller gemacht habe (Urteil v. 16. Dezember 2021 – I ZR 201/20).
Im Ergebnis kommen daher nach der derzeitigen Rechtsprechung Unterlassungsansprüche gegen Inhaber bekannter Testsiegel in Betracht,
- wenn das Testsiegel für andere Produkte als die tatsächlich lizenzierten verwendet wird oder
- wenn mit überholten Testergebnissen geworben wird.
Schadensersatzanspruch auch dann, wenn Lizenzen nur unentgeltlich eingeräumt werden
Offen war aber bis zuletzt, ob die ÖKO-TEST AG auch Schadensersatz verlangen kann. Dies machte sie gegenüber dem Zahnpastahersteller geltend.
Problematisch war hierbei, dass die ÖKO-TEST AG generell ausschließlich unentgeltliche Lizenzen einräumt, ihr Testsiegel selbst also nicht kommerziell benutzt. Deshalb hatte das OLG Düsseldorf den Schadensersatzanspruch zunächst zurückgewiesen, da ihr kein Schaden entstanden sei. Der BGH hat den Schadensersatzanspruch zugesprochen, da bereits der Eingriff in das Markenrecht als vermögenswertes Recht einen Schadensersatzanspruch auslöse, unabhängig davon, ob die Marke tatsächlich kommerziell vermarktet wird. Der Verletzer muss seinen Gewinn herausgeben, den er mit der Verletzung des Testsiegels erzielt hat.
Das Urteil des BGH war ausdrücklich von dem Gedanken getragen, Dritte von der missbräuchlichen Verwendung eines Testsiegels abzuschrecken:
Es wäre unbillig, dem Verletzer einen Gewinn zu belassen, der auf der unbefugten Benutzung des Ausschließlichkeitsrechts beruht. Die Abschöpfung des Verletzergewinns dient zudem der Prävention gegen eine Verletzung der besonders schutzbedürftigen Ausschließlichkeitsrechte.
Auch wenn es im deutschen Recht keinen Strafschadensersatz (punitive damages) gibt, rückt die Rechtsprechung zumindest rein faktisch dem Strafschadensersatz näher, wie die zitierten Ausführungen des BGH zeigen. Durch die Sanktionierung des Verhaltens soll weiteren Verletzungen vorgebeugt werden.
Urteile wirken sich auf die Benutzung von Testsiegeln und über den Bereich des Markenrechts hinaus aus
Durch die Urteile des BGH sind die Rechte von Inhabern bekannter Testsiegel gestärkt worden. Die Betonung liegt aber auf dem Wort „bekannter“. Hierunter dürften neben ÖKO-TEST auch die Stiftung Warentest, der ADAC und der TÜV fallen.
Insbesondere der Aspekt, dass bei einer Verletzung auch Schadensersatz gefordert werden kann und nicht „nur“ Unterlassung, sollte zu einer noch genaueren Prüfung bei der Verwendung von Testsiegeln führen. Die Inhaber nicht so bekannter Testsiegel sind nach wie vor auf vertragliche Ansprüche (sofern diese überhaupt in Betracht kommen) angewiesen und darauf, dass andere im Interesse des Verbraucherschutzes für sie insbesondere Unterlassungsansprüche geltend machen.
Die Entscheidung des BGH dürfte große Wellen auch über den Bereich des Markenrechts hinaus schlagen. Der BGH hat in seinem Urteil bei dem Aspekt des Schadensersatzanspruchs generell Ausschließlichkeitsrechte in Bezug genommen. Im Bereich der Patente und gerade auch der Urheberrechte sind unentgeltliche Lizenzen oft ein Thema. Sofern bspw. gerade im Bereich der Open-Source-Software der Verletzer einen Gewinn erzielt hat, käme ein Schadensersatzanspruch in Betracht.
Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung im Bereich der Verletzung von Testsiegeln und der Geltendmachung von Schadensersatz bei nicht kommerzieller Verwendung des eigenen Rechts weiterentwickelt.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.