Der Bundestag hat ein von Schwerkranken lang herbeigesehntes Gesetz verabschiedet. Betroffene Patienten können künftig Cannabis auf Kassenrezept erhalten.
Bisher konnten schwerkranke Patienten, die etwa an Multiples Sklerose oder chronischen Schmerzen leiden, Cannabis in Form von Cannabisblüten und Cannabisextrakten nur erhalten, wenn sie über eine Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG zum Erwerb von Cannabis verfügten. Das BfarM erteilte eine solche Ausnahmeerlaubnis nur, wenn es aufgrund eines ärztlichen Berichts zu dem Ergebnis gekommen war, dass eine Behandlung mit Cannabis mangels geeigneter und verfügbarer Therapiealternativen erforderlich sei. Das aus dem Ausland importierte Cannabis wurde nach Erteilung einer Ausnahmeerlaubnis an den Patienten in bestimmten Apotheken abgegeben. Die Kosten hierfür mussten die Patienten selbst tragen.
Eine solche Ausnahmeerlaubnis ist nach Inkrafttreten der Gesetzesnovelle nicht mehr nötig: Insbesondere durch Änderungen im BtMG und im SGB V können schwerkranke Patienten künftig getrocknete Cannabisblüten und Cannabisextrakte auf ärztliche Verschreibung hin mit einem sog. „Betäubungsmittelrezept″ erhalten. Wie bisher können zudem Fertigarzneimittel auf Cannabisbasis verschrieben werden. Das Gesetz soll im März 2017 in Kraft treten.
Ausschreibungsverfahren zum Anbau von Cannabis
Auch nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes bleibt der Eigenanbau von Cannabis selbst für medizinische Zwecke verboten. Unter Beachtung der völkerrechtlich bindenden Vorgaben des Einheits-Übereinkommens über Suchtstoffe der Vereinten Nationen wird eine beim BfArM angesiedelte Cannabisagentur errichtet. Diese wird in einem entsprechenden Ausschreibungsverfahren Aufträge für den Anbau von Cannabis in Deutschland vergeben. Die Anbauer sind dabei verpflichtet, ihre gesamte Ernte bei der Cannabisagentur abzuliefern. Die Cannabisagentur wird die geerntete Menge aufkaufen und im Anschluss insbesondere an Hersteller von Cannabisarzneimitteln, Großhändler und Apotheken weiterverkaufen. Hierfür legt das BfArM einen Herstellerabgabepreis fest.
Wie bisher benötigen die Anbauer zudem eine betäubungsmittelrechtliche Erlaubnis zur Teilnahme am Betäubungsmittelverkehr gemäß § 3 Abs. 1 BtMG.
Dieser Prozess soll die umfassende Kontrolle über den Anbau von Cannabis in pharmazeutischer Qualität und die weitere Verwendung von Cannabispflanzen sicherstellen.
Laut dem Internetauftritt des BfArM ist die Ausschreibung „in absehbarer Zeit nach dem Inkrafttreten des Gesetzes geplant„. Interessenten können sich derzeit noch nicht für das Ausschreibungsverfahren bewerben, sondern erst, wenn die Ausschreibung veröffentlicht wurde. Bis durch die Cannabisagentur ein staatlich kontrollierter Anbau in Deutschland umgesetzt werden kann, soll die Versorgung mit medizinischem Cannabis über Importe gedeckt werden.
Cannabis auf Rezept
Das verabschiedete Gesetz sieht zudem vor, dass die gesetzlichen Krankenkassen in der Regel die Kosten einer Behandlung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten übernehmen müssen. Dies setzt nach dem neu gefassten Absatz 6 zu § 31 SGB V zum einen voraus, dass eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung entweder nicht zur Verfügung steht oder, nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Ärzte unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes, nicht zur Anwendung kommen kann. Zum anderen muss eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht einer spürbaren positiven Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome bestehen.
Zudem wird das BfArM eine Begleiterhebung durchführen, die dazu dienen soll, Erkenntnisse über die Wirkung von Cannabis zu medizinischen Zwecken zu gewinnen. Die Daten der gesetzlich versicherten Patienten werden dabei anonymisiert an das BfArM weitergegeben.
Ausschuss für Gesundheit stärkt Interessen der Patienten
Der nunmehr verabschiedete Gesetzeswortlaut weicht an einigen Stellen vom ursprünglichen Gesetzesentwurf der Bundesregierung ab. Der Ausschuss für Gesundheit hatte einige Änderungen insbesondere im Hinblick auf § 31 Abs. 6 SGB V empfohlen, die vom Bundestag in der Schlussabstimmung angenommen wurden.
So sah der Gesetzesentwurf der Bundesregierung ursprünglich vor, dass die gesetzlichen Krankenkassen nur dann die Kosten einer Therapie mit getrockneten Cannabisblüten oder Cannabisextrakten übernehmen müssen, wenn eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung stehe. Der Ausschuss für Gesundheit stellte nun klar, dass eine Erstattungsfähigkeit auch dann gegeben sein soll, wenn zwar abstrakt noch andere, allgemein anerkannte Leistungen in Erwägung gezogen werden könnten, der behandelnde Arzt im konkreten Fall aber zu der Einschätzung gelangt, dass diese Leistungen nicht anwendbar sind. Hiermit sollte die Therapiefreiheit des Arztes gestärkt und sichergestellt werden, dass Patienten nicht erst langwierige und schwerwiegende Nebenwirkungen ertragen müssen, bevor der Arzt medizinisches Cannabis verschreiben darf.
Der ursprüngliche Entwurf sah zudem vor, dass es bei der ersten Verordnung der Genehmigung der Krankenkassen bedürfe. Der Ausschuss für Gesundheit stellte durch einen Zusatz im Gesetzeswortlaut klar, dass eine solche Genehmigung nur in begründeten Ausnahmefällen abgelehnt werden dürfe. Bei Patienten, die Leistungen im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung erhalten, verkürzte der Ausschuss für Gesundheit die Genehmigungsfrist zudem auf drei Tage, um eine schnelle Hilfe zu ermöglichen.
Der Bundestag begrüßte, dass das Gesetz insbesondere in der Ausschussfassung den Patienten in den Mittelpunkt stelle. So beendete Rainer Hajek von der CSU/CSU seinen Redebeitrag in der Plenarsitzung mit den Worten: „Ich bin hoch erfreut, dass wir mit dem heute zur Verabschiedung anstehenden Gesetz schwerkranken Menschen Linderung und Würde in einer schweren Lebensphase verschaffen können. Heute ist ein guter Tag.″