Cannabis-Vereine und Modellregionen: die neuen Eckpunkte der Bundesregierung zur geplanten Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken.
Die Bundesregierung hat zum zweiten Mal Eckpunkte zur Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken vorgelegt. Das ursprüngliche am 26. Oktober 2022 vorgelegte Eckpunktepapier der Bundesregierung wurde überarbeitet und bringt wesentliche Abweichungen vom seinerzeit eingeschlagenen Kurs mit sich.
Fest steht, die Cannabis-Legalisierung wird kommen. Allerdings fällt sie weniger umfassend aus als ursprünglich geplant und kommt nunmehr in Form einer „Legalisierung Light“ daher.
Maßgeblicher Grund für die Abweichungen von den vorherigen Eckpunkten der Bundesregierung sind Vorgaben der EU-Kommission, an denen die ursprünglichen Bestrebungen der Bundesregierung zumindest teilweise scheiterten.
Dass die Legalisierung von Cannabis völker- und europarechtliche Hürden zu überwinden haben und dabei an gewisse Grenzen stoßen würde, war abzusehen und ist demnach wenig überraschend. Dennoch treibt die Bundesregierung durch Vorlage der neuen Eckpunkte die Reformbestrebungen weiter voran und nimmt so einen nächsten Schritt hin zu einer baldigen Legalisierung.
Cannabis-Legalisierung: Die wichtigsten (neuen) Eckpunkte im Überblick – das Zwei-Säulen-Modell der Bundesregierung
Die neuen Eckpunkte sehen ein Zwei-Säulen-Modell vor. In einem ersten Schritt soll gesetzlich geregelt werden, wer Cannabis anbauen darf. Geplant ist, Erwachsenen den Anbau von Cannabis zu Genusszwecken in bestimmten Mengen künftig privat oder in sog. nicht gewinnorientierten Vereinigungen zu ermöglichen. In einem nächsten Schritt sollen in regionalen Modellvorhaben kommerzielle Lieferketten erprobt werden.
Erste Säule: Privater und gemeinschaftlicher, nicht gewinnorientierter Eigenanbau von Cannabis
Die erste Säule betrifft den privaten sowie den gemeinschaftlichen, nicht gewinnorientierten Eigenanbau.
Für den privaten Eigenanbau ist ein straffreier Anbau von max. drei weiblichen blühenden Pflanzen vorgesehen. Straffreiheit ist außerdem vorgesehen für den Besitz und das öffentliche Mitführen von bis zu 25 Gramm Cannabis. Insofern bleibt die Bundesregierung bei ihren bisherigen Ausführungen.
Neu hinzu kommt jedoch der gemeinschaftliche, nicht gewinnorientierte Eigenanbau durch Vereinigungen. Den Vereinigungen (auch „Cannabis-Clubs“ genannt) soll ermöglicht werden, Cannabis zu Genusszwecken anzubauen und an ihre Mitglieder für den Eigenkonsum abzugeben.
Die Vereinigungen unterliegen hierbei gewissen Vorgaben. So ist die Mitgliederanzahl auf max. 500 Personen beschränkt. Eine Abgabe an die Mitglieder darf eine Tagesmenge von 25 Gramm und eine Monatsmenge von max. 50 Gramm nicht überschreiten. Die Weitergabe an Dritte ist untersagt. Zudem setzt die Mitgliedschaft in einer Vereinigung ein Mindestalter von 18 Jahren und einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland voraus. Die Abgabe erfolgt ausschließlich in Reinform (Blüten oder Harz) in neutraler Verpackung oder lose. Vorgesehen ist zudem die Beigabe von Informationen zu dem Produkt, der Dosierung, der Anwendung sowie zu den Risiken des Konsums und Informationen zu Beratungsstellen.
Um den Jugendschutz und den Vorgaben zur Prävention ausreichend Rechnung zu tragen, müssen die Vereinigungen Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsbeauftragte benennen, die über entsprechende Sachkenntnisse verfügen und eine Kooperation mit lokalen Suchtpräventions- und Beratungsstellen ermöglichen.
Für Mitglieder unter 21 Jahren sehen die Eckpunkte zudem eine max. Monatsabgabe von 30 Gramm sowie eine Obergrenze des zulässigen THC-Gehalts vor, die noch konkret zu bestimmen ist.
Die Kosten für den Erwerb des Genusscannabis sollen über Mitgliedsbeiträge gedeckt werden. Angedacht ist jedoch darüber hinaus ein zusätzlicher Betrag je abgegebenes Gramm.
Wie schon im Koalitionsvertrag und im ersten Eckpunktepapier der Bundesregierung vorgesehen, soll ein generelles Werbeverbot für Genusscannabis gelten. Dieses Werbeverbot wird sich auch auf die Vereinigungen erstrecken.
Vorgesehen ist schließlich eine Evaluation der Vorgaben der ersten Säule nach vier Jahren.
Zweite Säule: Regionales Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten
Die ursprünglich im Koalitionsvertrag und im ersten Eckpunktepapier vorgesehenen lizenzierten Fachgeschäfte soll es zunächst nicht geben.
Stattdessen sollen wissenschaftlich begleitete Modellvorhaben in Form von „kommerziellen Lieferketten“ in Kreisen und Städten mehrerer Bundesländer durchgeführt werden und so soll die bereits geplante Abgabe in Fachgeschäften umgesetzt werden, wenn auch in anderer Form als ursprünglich angedacht.
Im Rahmen der Projekte sollen Unternehmen die Produktion, der Vertrieb und die Abgabe an Einwohner* der Modellregionen in Fachgeschäften ermöglicht werden. Die Projektlaufzeit ist auf fünf Jahre ab eingerichteter Lieferkette begrenzt. Nach Ablauf dieser Laufzeit soll das Projekt im Hinblick auf den Gesundheits- und Jugendschutz sowie auf die Auswirkungen auf den Schwarzmarkt evaluiert werden.
Diese zweite Säule des Legalisierungsvorhabens ist jedoch weiterhin notifizierungspflichtig, sodass mit einer finalen Entscheidung erst nach Konsultation der EU-Kommission zu rechnen ist.
Gesetzliche Umsetzung der ersten Säule noch im April 2023
Die neuen Eckpunkte sehen vor, dass zumindest für die Umsetzung der ersten Säule noch im April 2023 ein Arbeitsentwurf vorgelegt wird. Dass somit zumindest die erste Säule der geplanten Legalisierung bald kommen wird, erscheint vor diesem Hintergrund realistisch.
Für die zweite Säule wurde noch keine zeitliche Perspektive genannt. Wenngleich in den Eckpunkten bereits ein Gesetzesentwurf für die Umsetzung der regionalen Modellvorhaben vorgesehen ist, dürfte sich die tatsächliche Umsetzung aufgrund der notwenigen Absprache mit der EU noch verzögern.
Weitere Bemühungen der Bundesregierung auf EU-Ebene zur Legalisierung von Cannabis
Trotz der zumindest teilweise ernüchternden Zwischenergebnisse stellt die Bundesregierung in ihren neuen Eckpunkten erneut klar, dass weiterhin Bemühungen angestellt werden, um für das Vorhaben der Cannabis-Legalisierung bei den europäischen Partnern zu werben. Ziel sei es, mittelfristig eine Flexibilität und Weiterentwicklung des EU-Rechtsrahmens zu erreichen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zufolge könnte gerade ein erfolgreiches Modellprojekt als Vorbild für eine neue europäische Cannabis-Politik stehen. Inwiefern eine Umsetzung des Vorhabens der zweiten Säule gelingt und in welchem zeitlichen Umfang, bleibt abzuwarten. Maßgeblich ist auch in diesem Fall zunächst die EU-Kommission am Zug.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.