Jan Haanings Beitrag zu einer Kunstausstellung beschäftigt aktuell die Presse: Zwei leere Bilderrahmen als Kunstwerk geliefert!
Der vom Museum beauftragte Künstler Jens Haaning sollte Geldscheine im Wert von EUR 70.000 zur Erstellung einer Collage aus Geldscheinen verwenden. Im Grunde eine Neuauflage eines seiner alten Werke, bei welchem es um ein Jahresgehalt in Österreich und Dänemark ging.
Die Geldscheine stellte das Museum dem Künstler als Leihgabe zur Verfügung.
Haanings Coup – Zur Nachahmung empfehlenswert?
Was dann folgte, damit hatte Lasse Andersson, Museumsdirektor eines Kunstmuseums in Aalborg, nun wirklich nicht gerechnet: Anstelle dieser Collage übergab Haaning dem Museum kurz vor der Ausstellungseröffnung aber zwei leere Bilderrahmen mit dem Titel „Take the Money and Run“.
Der Künstler teilte dem Museum weiterhin mit, die Geldscheine im Wert von EUR 70.000 nicht zurückgeben zu wollen – dies sei Teil seines Werkes. Er wolle damit auf die miserablen Arbeitsbedingungen von Kreativschaffenden aufmerksam machen.
Ist das Kunstfreiheit?
Auch eine leere Leinwand kann nach dem offenen Kunstbegriff Kunst sein
Der Fall spielte in Dänemark. Wie aber würde der Fall nach deutschem Recht gelöst werden, wenn wir einmal unterstellen, dass Haaning verpflichtet war, dem Museum die Geldscheine im Wert von EUR 70.000 in Form der Collage wieder zurückzugeben?
Zunächst wäre zu klären, was vorliegend eigentlich die „Kunst″ wäre, die von der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG geschützt sein könnte. Die leeren Bilderrahmen? Die Aktion der „anderweitigen Nutzung“ der für die Collage bestimmten Geldscheine? Nicht so einfach. Denn dies hängt vom zugrunde gelegten Kunstbegriff ab.
Der formale Kunstbegriff setzt voraus, dass das Wesentliche der betreffenden Tätigkeit einem Werktyp (bspw. Malerei, Musik, Bildhauerei, etc.) zugeordnet werden kann. Es gäbe sowohl bei den leeren Bilderahmen als auch bei der anderweitigen Verwendung der Geldscheine keinen entsprechenden Werktyp. Nach diesem engen Kunstbegriff läge vorliegend also keine Kunst vor.
Nach dem materiellen Kunstbegriff ist Kunst jede freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zum Ausdruck gebracht werden. Nach dieser Definition könnte vorliegend allenfalls in der Kombination der leeren Bilderrahmen (= der die Eindrücke des Künstlers nach außen tragende Teil) und dem Behalten der Geldscheine eine schöpferische Gestaltung und damit Kunst gesehen werden. Jeweils für sich gesehen (also zum einen die leeren Bilderrahmen und zum anderen das Behalten der Geldscheine) genügen die erwähnten Handlungen diesem Begriff wohl nicht.
Der offene Kunstbegriff sieht Kunst hingegen dort gegeben, wo es aufgrund der Mannigfaltigkeit des Aussagegehalt möglich sei, der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weitreichendere Bedeutung zu entnehmen. Diesen Kunstbegriff legt das Bundesverfassungsgericht bei der Auslegung der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG zugrunde. Ein leerer Bilderrahmen kann von jedem Betrachter anders interpretiert und aufgefasst werden – und wäre nach dem offenen Kunstbegriff somit Kunst. Beim Behalten der Geldscheine ergibt sich eine Darstellung erst durch die Kombination mit den leeren Leinwänden und dem Titel des Werkes („Take the Money and Run“). Somit kann das Einbehalten der Geldscheine durch den Künstler im Zusammenhang mit den leer ausgelieferten Bilderrahmen als Kunst angesehen werden. Der Schutzbereich der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG wäre somit eröffnet.
Kunstfreiheit unterliegt Schranken
Jedoch wird auch die Kunstfreiheit zum Schutz anderer Rechtsgüter nach dem GG nicht grenzenlos gewährt. Beispielweise könnten hier auch Straftatbestände wie Diebstahl, Unterschlagung oder Betrug als Grenzen der Kunstfreiheit in Betracht kommen. Hierfür kommt es zum einen entscheidend auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Museum und dem Künstler an. Zum anderen ist für die Verwirklichung der Straftatbestände relevant, ob der Künstler nachweislich schon bereits bei dem Abschluss des Vertrages mit dem Museum geplant hatte, das Geld zu behalten und nicht für die Collage zu verwenden.
Zivilrechtlich könnte der Künstler – abhängig von dem Vertrag mit dem Museum – ebenfalls zur Rückgabe der Geldscheine verpflichtet sein. So könnte man an leihvertragliche Rückgewähransprüche oder einen Herausgabeanspruch nach § 985 BGB denken. An solchen Ansprüchen würde auch der Umstand nichts ändern, dass der Künstler Haaning gegebenenfalls Urheberechte an dem Werk erworben hat: Die leeren Bilderrahmen, der Titel „Take the Money and Run“ und das Zurückbehalten der Geldscheine wäre als persönliche geistige Schöpfung der bildenden Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG einzuordnen. Die Rückgewährung des Besitzes an den Geldscheinen könnte zwar eine Entstellung jenes Werkes nach § 14 UrhG darstellen, welches der Schöpfer grundsätzlich verbieten kann. Dies würde jedoch erfordern, dass seine berechtigten, persönlichen Interessen am Werk überwiegen. Soweit allerdings die Kunstfreiheit des Künstlers vorliegend durch Straftatbestände oder zivilrechtliche Herausgabeansprüche eingeschränkt wäre, würde die Interessenabwägung zu Lasten des Künstlers ausfallen müssen.
Museum hat Geld bislang nicht zurückgefordert
Allerdings hat – soweit bekannt – das Museum das Geld von Haaning bislang nicht zurückgefordert, dafür aber die beiden leeren Bilderrahmen ausgestellt. Hier könnte eine „Falle“ für das Museum lauern: Soweit das Museum nicht klar gemacht hat, trotz der Ausstellung der leeren Bilderrahmen weiterhin auf die Herausgabe der überlassenen Geldscheine zu bestehen, könnte sich der Vertrag mit dem Künstler eventuell auch stillschweigend dahingehend geändert haben, dass der Künstler die Geldscheine behalten darf.
Give the money back and run?
Ob der Künstler mit dem Behalten der EUR 70.000 riskiert, demnächst Gefängnisse von innen mit Kunstwerken ausstatten zu können, hängt also maßgeblich von den vertraglichen Vereinbarungen zwischen ihm und dem Museum ab. Nach dem Coup mit den leeren Bilderrahmen dürften jedenfalls sowohl der Künstler als auch das Museum in den Fokus der Aufmerksamkeit getreten sein.
Und vielleicht führt ja dies zu einer weiteren Kooperation, bei der die EUR 70.000 ganz einvernehmlich doch noch dem Künstler zugeordnet werden.