Die Frage nach der örtlichen Zuständigkeit kann bei vielen Streitigkeiten im gewerblichen Rechtsschutz eine wichtige Überlegung sein. Da es zurzeit noch den fliegenden Gerichtsstand gibt, kann sich der Kläger im Falle einer Verletzungshandlung die örtliche Zuständigkeit nach Lust und Laune unter den Gerichten aussuchen, in deren Bezirken die Rechtsverletzung (auch) stattgefunden hat.
Manche präferieren ein Gericht, das die eigene Rechtsauffassung teilt, manche ein Gericht, das möglichst weit vom Beklagten entfernt ist – und nicht nur um ihn zu ärgern (obwohl das in manchen Fällen doch ein gewichtiger Beweggrund zu sein scheint). Mit dem fliegenden Gerichtsstand kommt man jedenfalls auch in die entlegensten Gegenden.
Ringen um den fliegenden Gerichtsstand
Nun kam die Bundesregierung auf die Idee, den fliegenden Gerichtsstand im Rahmen eines Maßnahmenpakets gegen unseriöse Geschäftspraktiken im UWG quasi abzuschaffen. Mit der geplanten Regelung sollte der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung erheblich eingeschränkt werden. § 14 Abs. 2 UWG sollte folgenden Wortlaut haben:
„Für Klagen aufgrund dieses Gesetzes ist außerdem nur das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist, wenn der Beklagte im Inland weder eine gewerbliche oder selbstständige berufliche Niederlassung noch einen Wohnsitz hat.″
„Na endlich! Das Aus für den fliegenden Gerichtsstand im UWG!″ – dies war anscheinend nicht die erste Reaktion des Rechtsausschusses. Er strich vielmehr die vorgesehene Regelung. Stattdessen führte er aus Gründen des Verbraucherschutzes eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit am Wohnort des Beklagten für Urheberrechtsstreitigkeiten ein, sofern der Beklagte eine „natürliche Person ist, die […] Werke nicht für ihre gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit verwendet″.
Kein Alleingang für das UWG
Gleichzeitig formulierte er eine Beschlussempfehlung an den Bundestag, dass die Bundesregierung aufgefordert werden solle, „zu prüfen, ob der Gerichtsstand am Begehungsort, insbesondere im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, im Presse- und Äußerungsrecht, im gewerblichen Rechtsschutz sowie im Urheberrecht eingeschränkt und der allgemeine Gerichtsstand am Wohnsitz bzw. Sitz des Beklagen zum ausschließlichen Gerichtsstand werden soll.″
Und nun? Klar ist schon einmal, dass es wieder lange dauern wird, bis eine Regelung für örtliche Zuständigkeiten verabschiedet wird. Und zwar egal in welchem Rechtsbereich. Der Rechtsausschuss schrieb zur Streichung beziehungsweise Zurückstellung der Regelung das Folgende:
„Die insofern zu berücksichtigenden Interessen, wie zum Beispiel auch das Interesse an einer Beibehaltung der aufgrund der bisherigen Regelungen erfolgten Spezialisierungen einzelner Gerichte, sollten zunächst für alle betroffenen Rechtsgebiete sorgfältig geprüft und bewertet werden, bevor allein für das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb eine Regelung erfolgt.″
Was ist dran an der Gefahr der „Entspezialisierung″?
Aber was genau hat die „sorgfältige Prüfung und Bewertung″ aller Rechtsgebiete mit der Regelung im UWG zu tun? Eine „Entspezialisierung″ der Gerichte kann es wegen § 13 UWG und §§ 94, 95 GVG nicht sein, da die Landgerichte mit ihren Kammern für Handelssachen sachlich zuständig blieben. Außerdem könnte die jeweilige Landesregierung ein Landgericht für Bezirke mehrerer Landgerichte für zuständig erklären. Und – zack wär’s geregelt.
Ein weiteres Argument hat der Rechtsausschuss leider nicht geliefert. Schade! Ob er sich eventuell Gedanken über Problematiken bei Klagehäufungen aus verschiedenen materiellen Anspruchsgrundlagen gemacht hat, werden wir wohl erst nach den „sorgfältigen Prüfungen und Bewertungen″ der Bundesregierung erfahren.
Bis dahin heißt es auch in Zukunft für Mitbewerber und in gewerblichen Schutzrechten Verletzte: Wohin fliegen wir morgen? Und gibt es da überhaupt einen Flughafen?