4. April 2019
Auskunftsanspruch Urheberrechtsvestoß YouTube
Urheberrecht

Filmindustrie „klingelt″ am E-Mail-Postfach von YouTube-Nutzern

BGH legt EuGH Fragen vor: Muss YouTube bei Urheberrechtsverletzungen auf seiner Plattform umfangreiche Datensätze seiner Nutzer an Rechteinhaber herausgeben?

Das Urheberrecht und das Datenschutzrecht kommen nicht zur Ruhe. Erst vor Kurzem sollten Vermieter wegen der Datenschutz-Grundverordnung die Namen ihrer Mieter von den Klingelschildern abnehmen. Der Hashtag „Klingelgate″ war die spöttische Ohrfeige hierauf. Nun geht es wieder einmal um den Kampf der Filmindustrie gegen Urheberrechtsverletzungen auf YouTube.

Im Grunde geht es um die Frage, ob das Urheberrecht oder das Datenschutzrecht schwerer wiegt. Rechteinhaber wollen die Anonymität der YouTube-Nutzer aufheben, um an deren wahre Identität und damit an deren Haustür (mit oder ohne Klingelschild) gelangen zu können. Möglichst viele Daten sollen es der Filmindustrie erlauben, die Verantwortlichen notfalls gerichtlich in Anspruch nehmen zu können. Dem steht wiederum das Recht der Internetnutzer auf den Schutz ihrer Daten entgegen.

Umfangreiche Daten für Durchsetzung des Urheberrechts entscheidend

Im Fall des BGH (Az. I ZR 153/17) hatten Nutzer Filme wie „Parker″ und „Scary Movie 5″ illegal bei YouTube hochgeladen. Der Filmverleiher Constantin Film will von YouTube den ganzen Kuchen haben, also Auskunft über sämtliche verfügbare Daten zu den Nutzern.

Insbesondere geht es um die IP-Adressen, die E-Mail-Adressen und um die Telefonnummern der Nutzer. In der Praxis bringt meist die IP-Adresse Licht ins Dunkel. Denn mit dieser können Rechteinhaber über den Umweg des Internetproviders die Identität des Anschlussinhabers ermitteln.

Fallen E-Mail- und IP-Adresse sowie Telefonnummer unter den Begriff der „Anschrift″?

Der Name und die Anschrift der Verletzer sind direkt vom Umfang des Auskunftsanspruchs erfasst. Für die Gerichte ist aber die Frage entscheidend, ob auch Daten wie die E-Mail- und IP-Adresse oder die Telefonnummer unter den Begriff der Anschrift fallen. Nur dann kommt der Auskunftsanspruch zum Tragen. Im Gegensatz zum deutschen Auskunftsanspruch spricht die Enforcement-Richtlinie, die bei der Auslegung des Anspruch zu berücksichtigen ist, wohlgemerkt nicht von „Anschrift″, sondern von „Adresse″.

In den Vorinstanzen ließ das Landgericht Frankfurt die Rechteinhaber zunächst komplett leer ausgehen. Das Oberlandesgericht Frankfurt gab den Filmverwertern nur teilweise recht. Der Begriff der Anschrift umfasse nach dem OLG Frankfurt zwar die E-Mail-Adresse, allerdings falle hierunter weder Telefonnummer noch IP-Adresse.

Europäisches Urheberrecht muss Richtung vorgeben

Der BGH hat dem EuGH die Frage zum Umfang des Auskunftsanspruchs zur Entscheidung vorgelegt. Der EuGH muss nun entscheiden, ob E-Mail-Adressen, Telefonnummern und IP-Adressen unter den Begriff der Adresse im Sinne der Enforcement-Richtlinie fallen.

Es ist zu erwarten, dass der EuGH den Auskunftsanspruch weit auslegt. E-Mail-Adressen sind heute nahezu gleichbedeutend mit der postalischen Anschrift. Und auch die Telefonnummer erlaubt die Kommunikation per WhatsApp oder SMS entsprechend einer E-Mail-Adresse. Die Herausgabe der IP-Adresse ist zudem für eine effektive Ausgestaltung des Auskunftsanspruchs geboten.

Allerdings kommt der IP-Adresse „nur″ eine Adressierungsfunktion, jedoch keine Kommunikationsfunktion zu. Dies spricht gegen eine Erstreckung der Auskunft auf die IP-Adresse. Gegen eine Herausgabe auch der Telefonnummer könnte zudem der Grundsatz der Datenminimierung sprechen. Denn schon mit E-Mail- und IP-Adresse ist es den Rechteinhabern möglich, weitere Auskünfte über die Identität der Nutzer zu erlangen.

Eine zukunftsfähige Lösung muss sowohl das Urheberrecht als auch das Datenschutzrecht berücksichtigen. Keines dieser Rechte gilt absolut. Allerdings muss es den Rechteinhabern jedenfalls auf irgendeinem Weg möglich sein, ihre Ansprüche durchzusetzen. Anderenfalls gerät die Rechtsdurchsetzung im Internet aus den Fugen. Denkbar wäre auch die Klarstellung des deutschen Gesetzgebers, dass auch IP-Adressen vom Auskunftsverlangen umfasst sein können.

Von Seiten des europäischen Gesetzgebers kommt jedenfalls neuer Schwung in die Problematik: Die Upload-Filter der zwischenzeitlich verabschiedeten Urheberrechtsreform werden die Diskussion um Inhalte auf Online-Plattformen wohl nachhaltig beeinflussen.

Tags: Auskunftsanspruch Rechteinhaber Urheberrechtsverstoß Youtube