Ein Kleidungsstück kann noch so schön sein - vom Urheberrecht ist es deshalb aber nach einer jüngsten Entscheidung des EuGHs noch nicht geschützt.
Der EuGH hat die Voraussetzungen konkretisiert, unter denen Modelle oder Muster (Designs) zugleich auch vom Urheberrecht geschützt sein können.
Vorlagefrage an den EuGH: Urheberrechtsschutz aufgrund einer eigenen ästhetischen Wirkung?
Vorausgegangen war ein Rechtsstreit in Portugal zwischen zwei Modeherstellern. Der Vorwurf lautete, Kleidungsstücke wie T-Shirts oder Jeans zu kopieren. Der betroffene Modehersteller sah darin eine Urheberrechtsverletzung.
Gewerbliche Muster, Modelle und Designwerke sind im portugiesischem Recht im Gesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte in der Liste der urheberrechtlich geschützten Werke aufgeführt. Der Urheberrechtsschutz wird demnach Designs unter der Voraussetzung gewährt, dass sie über ihren Gebrauchszweck hinaus eine spezielle ästhetische Wirkung aufweisen.
Der Oberste Gerichtshof in Portugal stellte dem EuGH die Frage, ob es mit EU-Recht vereinbar sei, dass Urheberrechtsschutz aufgrund einer eigenen ästhetischen Wirkung begründet wird.
Design- und Urheberrecht haben unterschiedliche Schutzzwecke
Der EuGH zeigt in seiner Entscheidung vom 12. September 2019 (Rs.: C-683/17), dass der Schutz für Designs grundsätzlich neben dem Schutz durch das Urheberrecht kumulativ anwendbar sei. Allerdings bestehen grundlegende Unterschiede bezüglich der Zielsetzung des Design- und des Urheberrechtsschutzes.
Der Schutz von Designs umfasst Gegenstände, die zwar neu und eigenartig sind, aber dem Gebrauch dienen und für die Massenproduktion gedacht sind. Der Schutz gilt für einen begrenzten Zeitraum (max. 25 Jahre), der zwar die Rentabilität der erforderlichen Investitionen in Entwurf und Produktion dieser Gegenstände sicherstellt, jedoch den Wettbewerb nicht übermäßig einschränken soll.
Das Urheberrecht schützt dagegen deutlich länger (70 Jahre nach Tod des Urhebers) und ist nur Gegenständen vorbehalten, die als Werke eingestuft werden können. Ein „Werk“ ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGHs ein Gegenstand, der ein Original im Sinne einer eigenen geistigen Schöpfung ist und die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt.
Allein aufgrund Ästhetik kein Urheberrechtschutz für Designs
Die ästhetische Wirkung eines Designs spiele für sich genommen deshalb bei der Abgrenzungsfrage, ob ein „Werk“ im Sinne des Urheberrechts vorliegt, keine Rolle.
Es trifft zwar zu, dass ästhetische Erwägungen Teil der schöpferischen Tätigkeit sind. Gleichwohl ermöglicht der Umstand, dass ein Design eine ästhetische Wirkung hat, für sich genommen nicht die Feststellung, ob es sich bei diesem Design um eine geistige Schöpfung handelt, die die Entscheidungsfreiheit und die Persönlichkeit ihres Urhebers widerspiegelt.
EuGH hebt Voraussetzungen für urheberrechtlichen Schutz von Designs wieder an
Festzuhalten ist: Designs können, sofern sie die Schöpfungshöhe erreichen, sowohl kumulativ urheber- als auch designrechtlich geschützt sein. Designs, die die Schöpfungshöhe nicht erreichen, können jedoch nicht allein aufgrund des Umstands, dass sie über ihren Gebrauchszweck hinaus eine eigene ästhetische Wirkung entfalten, als urheberrechtlich geschützte Werke eingestuft werden.
Dieses EuGH-Urteil löst nicht nur den Streitpunkt über das Kriterium der ästhetischen Wirkung innerhalb der portugiesischen Rechtsprechung und Lehre. Auch im deutschen Recht kommt diesem Urteil im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen Urheberrechts- und Designschutz hohe Bedeutung zu.
In der „Geburtstagszug“-Entscheidung (Urteil vom 13. November 2013 – I ZR 143/12) hat der BGH die hohen Anforderungen an den Urheberrechtsschutz von Designs abgesenkt. Der BGH sah keinen Grund, an Werke der angewandten Kunst höhere Anforderungen zu stellen als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen und musikalischen Schaffens. Der EuGH dagegen hebt die Messlatte nun wieder an.