19. November 2025
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Urheberrecht

GEMA vs. OpenAI: Urheberrechtliche Grundsatzentscheidung des Landgerichts München I ergangen

Sowohl die Speicherung urheberrechtlich geschützter Inhalte in KI-Sprachmodellen als auch ihre Wiedergabe im KI-Output sind urheberrechtlich unzulässig.

Das Landgericht München I hat am 11. November 2025 in einem Urteil (Az. 42 O 14139/24) zu der Frage Stellung genommen, ob die Speicherung von urheberrechtlich geschützten Inhalten in den Parametern eines KI-Sprachmodells (Memorisierung) sowie die Wiedergabe solcher Inhalte im KI-Output (Regurgitation) urheberrechtlich zulässig ist. Dies verneinte das Landgericht.

Klägerin im Fall ist die Verwertungsgesellschaft GEMA, welche zwei Unternehmen der Unternehmensgruppe Open AI auf Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche in Anspruch nimmt. Ihr Vorwurf: die von den Beklagten betriebenen KI-Sprachmodelle sowie die darauf basierenden Chatbots memorisieren urheberrechtlich geschützte Liedtexte und geben sie im Output wieder. Die Speicherung und Wiedergabe der Liedtexte, führe zu einer urheberrechtswidrigen Vervielfältigung, einer öffentlichen Wiedergabe sowie einer Bearbeitung derselben. Zudem werde das Persönlichkeitsrecht der Liedtextautoren hierdurch verletzt.

Das Landgericht München I gab der Klage mit Blick auf die von der Klägerin geltend gemachten urheberrechtlichen Ansprüche statt. Eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten der Liedtextautoren verneinte das Landgericht jedoch. Den Autoren werden durch die Memorisierung und Regurgitation weder fremde Werke untergeschoben noch kommt es hierdurch zu anderweitigen Persönlichkeitsrechtsverletzungen.

Memorisierung und Regurgitation

Das Landgericht München I sah es als erwiesen an, dass Trainingsdaten in KI-Sprachmodellen enthalten sein können, welche sich im Output wieder extrahieren lassen. Laut dem Landgericht komme dies dann in Betracht, wenn die beim KI-Training auszubildenden Parameter des KI-Sprachmodells nicht nur Informationen aus den Trainingsdaten entnehmen, sondern wenn die gesamten Inhalte in die Gewichtung der Parameter einfließen. Ein Grund hierfür kann das mehrfache Auftreten ein und desselben Inhalts in einem Trainingsdatensatz sein.

Ob ein geschütztes Werk im KI-Sprachmodell enthalten ist, kann durch die Eingabe von Prompts festgestellt werden. Mit ihrer Hilfe konnte auch im vorliegenden Fall die Wiedergabe der Liedtexte im Output ausgelöst werden. Das Landgericht betonte dabei, dass die Wiedergabe der Liedtexte im Output schon mithilfe sehr einfach gehaltener Prompts möglich ist.

LG München I: Memorisierung ist eine Vervielfältigung gemäß § 16 UrhG

Das Landgericht München I stellte fest, dass die Memorisierung urheberrechtlich geschützter Inhalte im KI-Sprachmodell in das Vervielfältigungsrecht der Rechteinhaber (§ 16 UrhG) eingreift. Der Begriff der Vervielfältigung erfasst jede körperliche Festlegung eines Werks, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Art mittelbar oder unmittelbar wahrnehmbar zu machen. Während bei der unmittelbaren Wahrnehmung das Werk ohne weiteres von menschlichen Sinnen erfasst werden kann, bedarf es bei der mittelbaren Wahrnehmung weiterer Zwischenschritte, wie etwa die Nutzung technischer Geräte.

Die Memorisierung erfüllt die genannten Voraussetzungen einer Vervielfältigung. Dabei betont das Landgericht München I, dass es unerheblich sei, dass die Inhalte nur in Form von Wahrscheinlichkeitswerten und über verschiedene Parameter verteilt in den Sprachmodellen enthalten sind. Es reicht aus, dass das KI-Sprachmodell in der Lage ist, die Inhalte als Liedtexte erkennbar wiederzugeben. Zwar seien die Werke nur mittelbar (mithilfe der Eingabe von bestimmten Prompts) wahrnehmbar, was jedoch nichts an der Einordnung der Memorisierung als „Vervielfältigung“ ändert.

Regurgitation ist eine Bearbeitung, Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe

Das Landgericht ordnete zudem die Regurgitation, also die Wiedergabe der urheberrechtlich geschützten Inhalte im Output, als Bearbeitung gemäß § 23 UrhG, als Vervielfältigung gemäß § 16 UrhG sowie als öffentliche Wiedergabe gemäß § 19a UrhG ein.

Dem Urheber steht gemäß § 23 UrhG dar Recht zu, sein Werk in umgestalteter Form zu verwerten. Somit sind auch vom Original abweichende Gestaltungen eines urheberrechtlich geschützten Werks bis zu einer gewissen Grenze geschützt.  Das Landgericht urteilte, dass die Liedtexte im Output in wiedererkennbarer Form enthalten waren und dass etwaige hinzutretende Ergänzungen des KI-Sprachmodells (Halluzinationen) die Wiedererkennbarkeit nicht ausschließen.

Ferner bejahte das Landgericht auch eine öffentliche Wiedergabe der Liedtexte im Output der KI-Sprachmodelle der Beklagten. Hier betonte das Landgericht, dass eine interaktive Übertragung der geschützten Liedtexte durch den Chatbot der Beklagten ermöglicht wurde. Er kann grundsätzlich von jeder Person zu jeder Zeit genutzt werden, sofern ein Internetzugang und ein internetfähiges Gerät vorliegen.

Keine Rechtfertigung für Rechtseingriffe durch KI-Sprachmodell

Die vom Landgericht festgestellten Eingriffe in die Rechte der Klägerin, welche sie treuhänderisch für die Liedtextautoren wahrnimmt, waren auch nicht durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt.

Im Urheberrecht können Eingriffe in Rechte grundsätzlich auf zwei Wegen gerechtfertigt werden. Entweder liegt eine Zustimmung des Rechteinhabers zur Nutzung vor oder es greift eine gesetzliche Erlaubnis (Schranke), welche die Nutzung gestattet. Beide Rechtfertigungsmöglichkeiten verneinte das Landgericht München I.

Das Gericht betonte, dass etwa die Text und Data Mining-Schranke des § 44b UrhG keine Rechtfertigung für die Nutzungshandlungen biete. Die Schranke erlaubt Vervielfältigungshandlungen im Vorfeld von automatisiert ablaufenden Vorgängen der Analyse großer Datensätze. Die Schranke basiert auf dem Gedanken, dass durch solche Vorbereitungshandlungen keine Verwertungsinteressen von Rechteinhabern berührt werden.

Da im Rahmen des Trainings der KI-Sprachmodelle jedoch nicht nur abstrakte Informationen, welche die Liedtexte betreffen, in die Parameter überführt wurden, sondern die Liedtexte selbst, handelt es sich hier nicht nur um eine Vorfeldhandlungen, welche die Verwertungsinteressen der Rechteinhaber unberührt lässt. Die Schranke erlaubt damit nach Ansicht des Landgerichts weder die Memorisierung im KI-Sprachmodell noch die Regurgitation im Output.

Auch lehnte das Landgericht München I eine Einwilligung der Rechteinhaber in die Memorisierung oder Regurgitation ab. Die Memorisierung und Regurgitation ihrer geschützten Werke durch KI-Sprachmodelle müssen die Rechteinhaber nicht als übliche und erwartbare Nutzungshandlung ansehen, zumal die Beklagten selbst einräumen, dass es sich bei diesen Vorgängen eigentlich um seltene Fehler der KI-Sprachmodelle handelt.

Erstes Urteil zu Nutzungshandlungen, welche dem Training nachgelagert sind

Das Urteil des Landgericht München I ist nicht rechtskräftig. Es ist davon auszugehen, dass es in der Berufungsinstanz einer umfassenden Prüfung unterzogen wird. Ob das Urteil aufgehoben oder abgeändert wird, bleibt abzuwarten.

Das Urteil stellt neben der Entscheidung des Landgerichts Hamburg aus dem Jahr 2024 das zweite bedeutende Urteil Deutschlands dar, in welchem zu urheberrechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit KI-Systemen Stellung genommen wird.

Anders als jedoch das Urteil des Landgerichts Hamburg, welches sich mit der vorgelagerten Frage der urheberrechtlichen Zulässigkeit der Vervielfältigung von Werken im Rahmen der Erstellung eines Trainingsdatensatzes befasste, behandelt das Urteil des Landgerichts München I urheberrechtliche Nutzungshandlungen, welche dem Training nachgelagert sind. Dies sind die Speicherung von Werken im KI-Sprachmodell sowie ihre Wiedergabe im Output.

Zu beachten ist, dass bis heute die Frage, ob auch urheberrechtliche Nutzungshandlungen, die unmittelbar mit dem KI-Training als solchem einhergehen, nicht eindeutig geklärt ist.

Sorgfältige Prüfung von KI-generierten Inhalten erforderlich 

Das Urteil des Landgericht München I zeigt, dass bei der Erzeugung und Nutzung kreativer Inhalte mithilfe von generativen KI-Systemen aus urheberrechtlicher Sicht Vorsicht geboten ist.

Schon die Nutzung einfach gehaltener Prompts kann in bestimmten Fällen zur Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Trainingsinhalte im Output führen. Werden solche Inhalte unbesehen genutzt, veröffentlicht und verwertet, kann der Nutzer sich urheberrechtlicher Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche ausgesetzt sehen.

Um urheberrechtliche Haftungsrisiken zu vermeiden, sind die mit generativer KI erzeugten Inhalte stets sorgfältig zu prüfen und nach Möglichkeit von einem Menschen umfassend zu überarbeiten.

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