17. Juli 2020
Internet, Radiorecorder, Urheberrecht, Aufnahme, Privatkopie, Hersteller
Urheberrecht

Ist das Angebot eines Internet-Radiorecorders urheberrechtswidrig?

Die Dienstleistung eines online Radiorecorders kann unter bestimmten Voraussetzungen zur Herstellung einer Privatkopie in Anspruch genommen werden.

Der Musikdienst „ZeeZee″ bietet registrierten Nutzern gegen Entgelt die Möglichkeit, mithilfe eines vollautomatisierten Internet-Radiorecorders ausgewählte Musiktitel herunterzuladen. Die Anbieterin des Radiorecorders ZeeZee wurde deswegen von einem Tonträgerunternehmen verklagt, das Inhaber der Nutzungsrechte an mitgeschnittenen Musiktiteln ist.

Grundlegende Frage der Funktionsweise: Wo wird der Radiomitschnitt gespeichert und wer ist Hersteller der Vervielfältigung

Laut Klägerin spielt ZeeZee Kopien der streitgegenständlichen Werke zunächst auf ihre Server auf, speichert diese dort und benutzt die so hergestellte „Masterkopie″ als Kopiervorlage für Anfragen ihrer Nutzer.

Der Vortrag der Klägerin zur Funktionsweise des Radiorecorders unterscheidet sich in einem wichtigen Punkt von dem der Beklagten. Nach dem Vortrag von ZeeZee werde keine „Masterkopie″ hergestellt. Die Software „lauscht″ Internetradios nach den gewünschten Werken ab, zeichnet diese als Mitschnitt auf und speichert sie unmittelbar auf einem dem Nutzer individuell zugewiesenen Speicherplatz. Dabei kommt es zu einer Vervielfältigung eines fremden Werkes.

Im Kern geht es in dem Verfahren um die Frage, wer Hersteller der Vervielfältigung ist. Die Herstellung einer Vervielfältigung für den Privatgebrauch ist nach der Schutzschranke des § 53 UrhG erlaubt, sofern keine offensichtlich rechtswidrige Vorlage genutzt wird. Würde der Vortrag der Klägerin zutreffen, wonach ZeeZee eine „Masterkopie″ auf ihren Servern speichert und daraus die Kopie für ihre Nutzer erstellt, wäre die Klage begründet. Denn ZeeZee erstellt die Kopien im Rahmen ihres gewerblichen Zweckes. Damit läge eine urheberrechtswidrige Vervielfältigung vor, weil eine Privilegierung von ZeeZee nach § 53 UrhG ausgeschlossen ist.

OLG Hamburg: ZeeZee kraft Organisationshoheit als Hersteller der Vervielfältigung anzusehen

Spannender ist die Frage der Haftung von ZeeZee unter Zugrundelegung des Vortrages der Beklagten, wonach ein Mitschnitt bei einer beliebigen Quelle und die Abspeicherung direkt beim Nutzer erfolgen soll. Die Berufungsinstanz (OLG Hamburg, Urteil v. 17. Januar 2019 – 5 U 18/17) hat in diesem Fall eine Urheberrechtsverletzung durch das Anbieten des Internet-Radiorecorders bejaht. Hersteller der Vervielfältigung sei nicht der Nutzer, sondern ZeeZee.

Der Nutzer bediene zwar den Radiorecorder, bestimme aber nicht, wann und mit welcher Vorlage die Aufzeichnung hergestellt wird. Damit habe ZeeZee die Kontrolle über den Auswahlvorgang. Der Nutzer hingegen habe gerade nicht die Organisationshoheit über die Vervielfältigung und könne somit nicht als Hersteller gesehen werden (so auch OLG München, Urteil v. 22. November 2018 Az. 29 U 3619/17).

BGH: ZeeZee nur Hilfsmittel des Nutzers und damit nicht Hersteller der Vervielfältigung

Der BGH (Urteil v. 5. März 2020 – I ZR 32/19 – Internet-Radiorecorder) hat in seinem Urteil zur Auslegung der Herstellereigenschaft im Rahmen der Schutzschranke des § 53 UrhG klar Stellung bezogen. Nach dieser Norm darf der Privilegierte eine Privatkopie selbst herstellen oder sich dazu eines Dritten bedienen, wenn dieser unentgeltlich tätig wird.

Zur Beantwortung der Frage, wer Hersteller ist, kommt es stets auf eine rein technische Betrachtung an. Hersteller ist derjenige, der die körperliche Festlegung technisch bewerkstelligt. Es kommt nicht darauf an, dass er sich dazu technischer Hilfsmittel bedient, auch wenn diese von Dritten zur Verfügung gestellt werden. Wenn der so ermittelte Hersteller die Herstellung im Auftrag eines Dritten vorgenommen hat, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die Herstellung dem Auftraggeber zuzurechnen ist. Eine Zurechnung erfolgt, wenn der Hersteller nur als notwendiges Werkzeug des Auftraggebers tätig wird und „an die Stelle des Vervielfältigungsgeräts″ tritt (s. auch BGH, Urteil v. 22. April 2009 – I ZR 216/06 – Internet-Videorekorder I).

In Anwendung dieser Grundsätze hat der BGH ausgeführt, dass Hersteller der Aufzeichnung allein der Nutzer ist. Die Vervielfältigung wird unter Benutzung eines Internet-Radiorecorders vorgenommen, der den Aufzeichnungsvorgang vollständig automatisiert vornimmt. Ein Eingreifen von ZeeZee in den Aufnahmevorgang selbst findet gerade nicht statt. Zwar hat ZeeZee eine generelle Herrschaft über die Aufnahmesoftware. Dies genügt aber nicht, um die Herstellereigenschaft zu begründen. Denn der Nutzer übt insoweit die individuelle Kontrolle über den Aufnahmevorgang aus. Er entscheidet, welche Titel aufgezeichnet werden sollen und löst den konkreten Aufnahmevorgang aus.

ZeeZee vergleichbar mit shift.tv: Auch eine ausführliche Hilfestellung führt nicht zur Herstellereigenschaft

Damit stellt sich der BGH gegen die Vorinstanz. Darauf, dass der Kunde keine Kontrolle über den Zeitpunkt und die Quelle der Aufnahme hat, soll es nicht ankommen. Die von ZeeZee erbrachte „Rechercheleistung″ soll unbeachtlich bleiben, ebenso, dass ZeeZee letztendlich den Speicherplatz und ggf. weitere Leistungen als „Gesamtpaket″ zur Verfügung stellt. Eine noch so ausführliche Hilfestellung führt unter technischen Gesichtspunkten nicht zur Bejahung der Herstellereigenschaft des Hilfestellenden.

Es lässt sich festhalten, dass auch das gezielte Beschaffen der Kopiervorlage nicht dazu führt, dass ein Musikdienst zum Hersteller wird. Der BGH setzt mit diesem Urteil seine Rechtsprechung zu Internet-Videorekordern fort (BGH, Urteil v. 22. April 2009 – I ZR 216/06 – Internet-Videorekorder I). Diese Entscheidung befasste sich mit dem Aufzeichnen von TV-Sendungen mittels eines vollständig automatisierten „internetbasierten persönlichen Videorekorders″ (www.shift.tv). Als Hersteller der Aufzeichnungen wurde der Nutzer, nicht der Anbieter angesehen. Denn der Nutzer stellt die Vervielfältigung durch Auswählen der gewünschten Sendung auf her, auch wenn er sich dabei des Hilfsmittels des Anbieters bedient. Dass ein prinzipiell gleich funktionierender Radiorecorder nicht anders zu beurteilen ist, hat der BGH nun klargestellt.

Internet-Radiorecorder zur Herstellung einer legalen Privatkopie erlaubt, wenn der Anbieter keine Masterkopie erstellt

Das Angebot eines Internet-Radiorecorders ist urheberrechtlich zulässig, wenn der Nutzer mithilfe des Recorders eine zulässige Privatkopie herstellt. Die Privatkopie ist privilegiert, wenn keine offensichtlich rechtswidrige Vorlage genutzt wird. Anders wäre die Ausgangsfrage nur zu beurteilen, wenn die Kopiervorlage offensichtlich illegal wäre oder der Anbieter eine „Masterkopie″, die als Kopiervorlage genutzt wird, herstellen würde – dann wäre der Anbieter urheberrechtlichen Ansprüchen ausgesetzt.

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