4. Oktober 2017
Gebrauchtsoftware
Urheberrecht

OLG Hamm: Kein Anspruch auf Schadensersatz bei GPL-Verletzung

Das OLG Hamm lehnt einen Anspruch auf Schadensersatz bei einer GPL-Verletzung ab, anstatt die fiktive Lizenzgebühr im Wege der Schätzung zu ermitteln.

Wird eine unter der GNU General Public License (GPL) lizenzierte Open-Source-Software unter Verstoß gegen die Lizenzbedingungen verbreitet, führt dies nach einer Entscheidung des OLG Hamm (OLG Hamm, Urteil vom 13.06.2017, 4 U 72/16) zwar zu einer Urheberrechtsverletzung, löst aber keinen Schadensersatzanspruch aus.

Die Vorinstanz (LG Bochum, Urteil vom 03.03.2016, I-8 O 294/15) hatte noch entschieden, dass die urheberrechtswidrige Nutzung einer GPL-lizenzierten Software auch einen Schadensersatzanspruch begründet. Gleichwohl lässt sich auch der Entscheidung des OLG Hamm nicht entnehmen, dass Schadensersatzansprüche bei GPL-Verletzungen grundsätzlich ausgeschlossen sind.

Verstoß gegen GPL durch fehlende Offenlegung des Quelltextes

Die Klägerin, eine Anbieterin von Softwarelösungen, vertrieb bis zum Jahr 2009 eine unter der GPL v2.0 lizenzierte Software zur Herstellung von WLAN-Verbindungen. Weiterentwicklungen der Software vertrieb die Klägerin hingegen nur noch unter einer „proprietären″ Lizenz gegen Zahlung von Lizenzgebühren. Die Beklagte, eine Universität des Landes Nordrhein-Westfalen, stellte die GPL-lizenzierte Software auf ihrer Homepage kostenlos für Studierende zum Download bereit, ohne dabei, wie die GPL es voraussetzt, auch den Quelltext der Software und den Lizenztext der GPL zugänglich zu machen.

Entfall der urheberrechtlichen Nutzungsrechte durch Verstoß gegen GPL

Das OLG Hamm bestätigt in seinem Urteil die mehrfach durch Entscheidungen diverser Landgerichte bekannte Rechtsprechung, nach der Nutzungsrechte bei der GPL nur auflösend bedingt eingeräumt werden. Nach der Konzeption der GPL stellt die Einhaltung der GPL-Lizenzpflichten nämlich eine Bedingung für den Erhalt der Nutzungsrechte dar. Verstöße gegen die Lizenzbedingungen führen nicht nur zu einer schuldrechtlichen Pflichtverletzung, sondern auch zu einem Rückfall der Nutzungsrechte. Derjenige, der eine derartige Software unter Verstoß gegen die Bedingungen der GPL verbreitet, begeht daher automatisch eine Urheberrechtsverletzung. Eine ähnliche Rechtsauffassung hatte auch zuvor das OLG Köln (Urteil vom 31. Oktober 2014 – 6 U 60/14) im Rahmen von Creative-Commons-Lizenzen vertreten.

Kein Schadensersatzanspruch bei GPL-Verstößen

Entgegen der Entscheidung des LG Bochum hat das OLG Hamm allerdings festgestellt, dass der Urheberrechtsverstoß keinen Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG begründet, da nicht ersichtlich sei, dass der Klägerin durch das von ihr beanstandete Verhalten der Beklagten ein Schaden entstanden sein könne.

Berechnungsarten für den Schadensersatzanspruch

Bei Urheberrechtsverstößen sind drei Berechnungsarten zur Ermittlung des Schadensersatzanspruchs anerkannt:

  • Konkreter Schaden: Der Verletzte kann Ersatz der ihm konkret entstandenen Vermögenseinbuße einschließlich seines entgangenen Gewinns verlangen. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
  • Verletzergewinn: Alternativ kann der Verletzte Herausgabe des Verletzergewinns verlangen. Auf diese Weise kann er den unrechtmäßig erzielten Gewinn des Verletzers abschöpfen.
  • Lizenzanalogie: Schließlich ist eine Schadensberechnung im Wege der Lizenzanalogie möglich. Diese Berechnungsart beruht auf dem Gedanken, dass der Verletzer weder besser noch schlechter gestellt werden soll, als ein vertraglicher Lizenznehmer. Es ist daher zu fragen, welche Lizenzgebühr verständige Vertragspartner für die urheberrechtswidrige Verwendung vereinbart hätten. Dieser Betrag kann im Wege des Schadensersatzanspruchs verlangt werden.

Sowohl die Klägerin wie auch die beklagte Universität haben die GPL-lizenzierte Software allerdings unentgeltlich verbreitet. Die Beklagte hat somit keinen Verletzergewinn erzielt.

Es kam daher nur eine Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie in Betracht. Bei einer anderen Fallkonstellation – beispielsweise im Falle des entgeltlichen Vertriebs der Software durch den Verletzer – wäre natürlich auch eine andere Berechnungsmethode möglich gewesen.

Lizenzanalogie bei kostenfreier Nutzungsüberlassung

Das OLG Hamm meint, bei einer Schadensberechnung im Wege der Lizenzanalogie könne bei einer GPL-Verletzung kein Schadensersatzanspruch bestehen. Hierzu führt das OLG aus, dass die GPL ohnehin eine lizenzgebührenfreie Rechtseinräumung gegenüber jedermann vorsehe. Insofern verzichte der Lizenzgeber vollständig auf eine monetäre Verwertung seines ausschließlichen Nutzungsrechts, sodass der „objektive Wert″ der Nutzung nur mit Null angesetzt werden könne. Hierzu führt das Gericht weiterhin aus:

Da die Nutzung des Programms einschließlich der öffentlichen Weiterverbreitung bereits kostenlos möglich ist, liefe eine weitere kostenpflichtige Lizenz letztlich nur darauf hinaus, sich als Lizenznehmer von den – letztlich nur rein formalen – Bestimmungen der GNU General Public License befreien zu lassen.

Dabei übersieht das Gericht aber, dass die GPL nicht lediglich rein formale Informations- und Hinweispflichten kennt, sondern auch weitreichende materielle Rechtspflichten auslöst. Beispielsweise wird der Lizenznehmer über den „Copyleft″-Effekt verpflichtet, Weiterentwicklungen der Software ebenfalls nur unter der GPL zu verbreiten. Hierdurch soll verhindert werden, dass die Open-Source-Software ­– beispielsweise durch Verbindung mit einer „proprietären″ Software – in eine „unfreie″ Software umgewandelt wird. Stattdessen soll der „Copyleft″-Effekt bewirken, dass dann auch die „proprietäre″ Software in eine „freie″ Software mit den umfassenden Nutzungs- und Bearbeitungsrechten für jedermann überführt wird.

Dem Abschluss eines Lizenzvertrages ohne derartige materielle Rechtspflichten kommt in der Praxis ein erheblicher Wert zu. Aus diesem Grund wird Open-Source-Software häufig zusätzlich auch noch gegen Zahlung einer Lizenzgebühr unter einer „proprietären″ Lizenz angeboten (sogenanntes Dual-Licensing), die dann keinen „Copyleft″-Effekt enthält. Aus diesem Grund kann der „objektive Wert″ einer alternativen Lizenzierung nicht einfach pauschal mit Null angesetzt werden. Stattdessen ist die fiktive Lizenzgebühr im Wege der Schätzung zu ermitteln.

Schätzung des Werts einer alternativen Lizenzierung

Im entschiedenen Fall bestand die Besonderheit darin, dass die Software erst nach Einstellung des Vertriebs der GPL-lizenzierten Version unter einer „proprietären″ Lizenz angeboten wurde. Ein Fall des Dual-Licensing lag daher nicht vor.

Eine Schätzung des Wertes der „Befreiung″ von den Lizenzpflichten unter Berücksichtigung der für die „proprietäre″ Software verlangten Lizenzgebühren nach § 287 Abs. 1 ZPO lehnte das Gericht ab. Die entgeltlich und „proprietär″ vertriebene Programmversion enthalte „Fehlerbehebungen und Verbesserungen″, stelle also eine Weiterentwicklung dar, und sei mit der unentgeltlich vertriebenen Version daher nicht identisch. Daher meinte das Gericht, eine Schätzung des Werts der „Befreiung″ sei nicht möglich, da keine Anhaltspunkte für eine Schätzung vorgetragen worden seien.

Dual-Licensing keine Voraussetzung für Lizenzanalogie

Das Gericht hat nicht entschieden, wie die Ermittlung der fiktiven Lizenzgebühr im Falle eines „echten″ Dual-Licensing zu erfolgen hat. Es läge dann jedenfalls nahe, die „proprietäre″ Lizenz – einschließlich der vom Lizenzgeber verlangten Gebühren – nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zu berücksichtigen.

Aber auch ohne Dual-Licensing darf eine Schätzung der fiktiven Lizenzgebühr nur dann unterbleiben, wenn es der Schätzung aus Mangel an Anhaltspunkten derart an einem Realitätsbezug fehlen würde, dass diese völlig in der Luft hinge. Unzulässig wäre eine Schätzung im vorliegenden Fall daher nicht gewesen. Denn eine Weiterentwicklung der Software mit ähnlichem Funktionsumfang war gegen eine Lizenzgebühr am Markt verfügbar. Dies hätte für die Schätzung berücksichtigt werden können.

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Tags: GPL open source Schadensersatz