16. Juni 2020
Abmahnung DSGVO Verbraucherschutzverband
Wettbewerbsrecht (UWG) Datenschutzrecht

BGH: Neues zur Abmahnung von Datenschutz-Verstößen

Ob DSGVO-Verstöße abgemahnt werden können, ist sehr umstritten: Der BGH klärt nun, ob Verbraucherschutzverbände Verstöße gegen die DSGVO abmahnen können.

Seit Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wird immer wieder diskutiert, ob neben den unmittelbar Betroffenen auch weitere Personen, Institutionen oder Unternehmen Verstöße gegen die DSGVO geltend machen können. Wenn Verstöße gegen das Datenschutzrecht auch von Wettbewerbern und Verbraucherschutzverbänden abgemahnt werden könnten, wären Unternehmen einem deutlich höheren Risiko ausgesetzt.

In der Rechtsprechung und Literatur wird z.T. die Auffassung vertreten, dass das Sanktionssystem der DSGVO abschließend und Abmahnungen daher unzulässig seien, aber auch die Gegenauffassung wird vertreten.

Mit Beschluss vom 28. Mai 2020 (Az. I ZR 186/17) hat der Bundesgerichtshof (BGH) dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) als Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob Verbraucherschutzverbände Verstöße gegen die DSGVO abmahnen können.

Verbraucherzentrale merkt an: Datensammlung bei Spielen im App-Zentrum bei Facebook ohne wirksame Einwilligung der Verbraucher

Das Verfahren beschäftigt sich mit auf Facebook verfügbaren kostenlosen Spielen, die im App-Zentrum durch Anklicken des Buttons „Spiel spielen″ zugänglich sind. Unter dem Button werden die Nutzer darüber informiert, dass die Anwendung durch das Anklicken unter anderem allgemeine Informationen zum Nutzer, seiner E-Mail-Adresse und Statusmeldungen erhält. Zudem dürfe die Anwendung im Namen des Facebook-Nutzers Beiträge posten, einschließlich des Spielpunktestands und weiterer Informationen.

Der Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer ist der Ansicht, dass die Facebook-Nutzer durch das Anklicken des Buttons „Spiel spielen“ nicht wirksam in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten einwilligen und Facebook dadurch wettbewerbswidrig handelt. Der Dachverband verlangt von Facebook diese Vorgehensweise zu unterlassen.

Der BGH muss dabei entscheiden, ob Verbraucherschutzverbände zur Durchsetzung von DSGVO-Verstößen überhaupt legitimiert sind.

Nach alter Datenschutzrichtlinie war Durchsetzung von Verbraucherschutzverbänden möglich

Der BGH hatte seine Entscheidung in der Angelegenheit zunächst durch Beschluss vom 11. April 2019 bis zur Entscheidung des EuGHs in einem ähnlichen Vorabentscheidungsverfahren ausgesetzt:

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte dem EuGH eine ähnlich gelagerte Rechtsfrage vorgelegt, die aber noch unter Geltung der alten Datenschutzrichtlinie erging. Es ging um die Frage, ob die Datenschutzrichtlinie einer nationalen Vorschrift entgegensteht, die es Verbraucherschutzverbänden erlaubt, aufgrund der Verletzung von Datenschutz-Vorschriften Klage zu erheben. Konkreter Anlass war der Rechtsstreit zwischen einem Unternehmen  und der Verbraucherzentrale NRW e.V. wegen eines auf der Website des Unternehmens eingebundenen „Gefällt mir″-Buttons von Facebook. Der EuGH entschied mit Urteil vom 29. Juli 2019 (Az. C-40/17), dass die Datenschutzrichtlinie nicht abschließend ist und einer Durchsetzung von Verbraucherschutzverbänden nicht entgegensteht.

Da diese Entscheidung des EuGHs allerdings noch zur alten Datenschutzrichtlinie und nicht zur DSGVO erging, musste der BGH dem EuGH die Frage unter Auslegung der DSGVO erneut zur Vorabentscheidung vorlegen.

Rechtsverfolgung durch Verbraucherschutzverbände dürfte zur Zielerreichung der DSGVO beitragen

In seiner Entscheidung zum „Gefällt mir″-Button hat der EuGH Auslegungsentscheidungen in Bezug auf die Datenschutzrichtlinie getroffen, die auch auf die DSGVO übertragbar sein könnten und eine Entscheidung zu Gunsten der Verbraucherschutzbehörden wahrscheinlich erscheinen lassen.

Der EuGH betont etwa, dass Ziel der Datenschutzrichtlinie sei,

einen wirksamen und umfassenden Schutz der Grundfreiheiten und Grundrechte natürlicher Personen, insbesondere des Rechts auf Privatleben, bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu gewährleisten.

Dies ähnelt dem in Erwägungsgrund Nr. 2 der DSGVO enthaltenen Gedanken, dass

die Grundsätze und Vorschriften zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten [gewährleisten sollten], dass ihre Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere ihr Recht auf Schutz personenbezogener Daten […] gewahrt bleiben.

Die Möglichkeit der Rechtsverfolgung durch Verbraucherschutzverbände trage laut EuGH zur Erreichung der Ziele der Datenschutzrichtlinie bei und stehe ihnen nicht entgegen. Diese Wertung lässt sich auch auf die DSGVO übertragen.

Zudem regele die Datenschutzrichtlinie, dass die Mitgliedsstaaten „geeignete Maßnahmen″ ergreifen, um die volle Anwendung der Bestimmungen der Datenschutzrichtlinie sicherzustellen. Gleichzeitig definiert die Richtlinie diese Maßnahmen jedoch nicht. Dem ähnelt Artikel 84 DSGVO. Danach legen

die Mitgliedstaaten die Vorschriften über andere Sanktionen für Verstöße gegen diese Verordnung fest und treffen alle zu deren Anwendung erforderlichen Maßnahmen.

Zuletzt hat auch das Oberlandesgericht Stuttgart mit Urteil vom 27. Februar 2020 (Az. 2 U 257/19) entschieden, dass die DSGVO keine abschließende Regelung über die Rechtsdurchsetzung bei Verstößen gegen die DSGVO enthalte und Wettbewerbsverbände befugt seien, Verstöße gegen die DSGVO geltend zu machen, bei denen es sich um Marktverhaltensregelungen handelt.

Für Unternehmen gilt: Datenschutzbestimmungen kritisch prüfen, bevor Verbraucherschutzverbände darauf aufmerksam werden

Unternehmen sollten sich darauf vorbereiten, dass der EuGH die Vorschriften der DSGVO als nicht abschließend einstufen und der BGH infolgedessen die Abmahnfähigkeit von DSGVO-Verstößen durch Verbraucherschutzverbände bejahen könnte.

Unternehmen sollten daher insbesondere ihren Außenauftritt kritisch auf die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen überprüfen. Dies betrifft insbesondere die Ausgestaltung ihrer Website, der Datenschutzerklärung für die Website, das Cookie-Banner, die Ausgestaltung von Newsletter-Einwilligungen und den Social Media-Auftritt.

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