18. Februar 2020
Informationspflicht Hersteller Garantie
Wettbewerbsrecht (UWG)

Erweiterte Informationspflicht über Hersteller-Garantien

Erweiterte Anforderungen: Online-Händler trifft nach aktueller Rechtsprechung eine umfassende Recherche- und Aufklärungspflicht über Hersteller-Garantien.

Die aktuelle Rechtsprechung des OLG Hamm (Urteil v. 26. November 2019 – I-4 U 22/19) und des LG Bochum (Urteil v. 27. November 2019 – I-15 O 122/19) erweitert die Informationspflicht der Online-Händler über Hersteller-Garantien und erhöht damit die Abmahngefahr. Nach der bisherigen Rechtsprechung traf Online-Händler nur dann eine Informationspflicht über Hersteller-Garantien, wenn sie aktiv damit geworben oder diese zumindest in ihrem Verkaufstext erwähnt hatten.

Informationspflicht des Online-Händlers bei Hinweis auf Garantie im Warenangebot

Das OLG Hamm hat in seinem Urteil (Urteil v. 26. November 2019 – I-4 U 22/19) jedoch einen deutlich strengeren Maßstab hinsichtlich der Informationspflicht angelegt. Danach begründet eine unzureichende Garantie-Erklärung einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch selbst dann, wenn mit der Garantie nicht explizit geworben wurde. Ein Online-Händler muss auch dann über Inhalt und Umfang einer Garantie informieren, wenn er auf eine Bedienungsanleitung des Herstellers verlinkt, in der eine Garantie erwähnt wird.

Dieser Entscheidung lag folgender Fall zugrunde: Ein Online-Händler hatte auf der Internetplattform „Amazon“ Taschenmesser der Herstellers Victorinox angeboten. Victorinox wiederum gewährt eine (teilweise) zeitlich unbeschränkte, sogenannte Victorinox-Garantie. Der Händler hatte diese Garantie nicht beworben, sondern lediglich in einem Untermenüpunkt der Angebotsseite den Hyperlink „Weitere technische Informationen“ eingebettet, bei dessen Anklicken sich das auf Amazon als PDF-Datei gespeicherte Produktinformationsblatt des Herstellers öffnete. Dieses enthielt auf Seite 2 den folgenden Garantie-Hinweis:

Die Victorinox-Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt, auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik 2 Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt.

Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, waren jedoch eben so wenig enthalten wie der Hinweis auf die davon unabhängigen gesetzlichen Gewährleistungsrechte. Infolgedessen wurde der Online-Händler von einem Mitbewerber zunächst abgemahnt und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert. Nachdem der Online-Händler darauf nicht reagierte, wurde er schließlich verklagt.

Verstoß gegen § 479 Abs. 1 BGB?

Das OLG Hamm gab daraufhin der Klage statt. Es stufte das Verhalten des Online-Händlers als Wettbewerbsverstoß ein, da er die gesetzlichen Regelungen des § 479 Abs. 1 BGB nicht einhalte, wonach die Kunden über Inhalt und Umfang der Garantie informiert werden müssen.

Das OLG Hamm ließ zwar zunächst dahinstehen, ob dem Kläger ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit der Marktverhaltensregelung des § 479 Abs. 1 BGB zusteht. Denn gegen die Vorschrift des § 479 Abs. 1 BGB könne nur derjenige täterschaftlich verstoßen, der eine eigene Garantie-Erklärung abgibt oder sich die Garantie-Erklärung eines Dritten zu eigen macht. Letzteres sei bei einer auf einem verlinkten Produktinformationsblatt enthaltenen Garantie-Erklärung zumindest fraglich. Eine eigene Garantie-Erklärung gab der Online-Händler im Hinblick auf die Victorinox-Garantie ohnehin nicht ab.

Unterlassungsanspruch gegenüber dem Online-Händler besteht dennoch

Allerdings sprach des OLG Hamm dem Kläger im Ergebnis einen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit der Marktverhaltensregelung des § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB zu. Nach dieser Vorschrift ist ein Online-Händler dazu verpflichtet, seine Kunden über das Bestehen einer Garantie zu informieren. Da diese Regelung allein an die objektive Existenz einer Garantie anknüpfe, sei eine spezielle werbliche Hervorhebung der Garantie nicht notwendig. Die Informationspflicht des Online-Händlers greift nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift jedenfalls dann ein, wenn das Warenangebot einen Hinweis auf das Bestehen einer Garantie enthalte.

Der Umfang der Informationspflicht bestimmt sich nach der Vorschrift des § 479 Abs. 1 BGB. Danach muss in der Garantieerklärung auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf hingewiesen werden, dass diese Rechte durch die Garantie nicht eingeschränkt werden. Zudem muss die Garantieerklärung den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers enthalten.

Informationspflicht des Online-Händlers besteht trotz fehlender Erwähnung der Garantie im Warenangebot

Das OLG Hamm musste nicht mehr über die Frage entscheiden, ob die Vorschrift des § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB den Online-Verkäufer einer Ware in jedem Fall dazu verpflichtet, aktiv nach dem Bestehen einer Hersteller-Garantie für die angebotene Ware zu suchen, um seine Kunden über diese Garantien zu informieren.

Das LG Bochum (Urteil v. 27. November 2019 – I-15 O 122/19) ging jedoch diesen Schritt und bejahte die vorstehende Frage in einem ähnlich gelagerten Fall: Ein Online-Händler hatte eine Apple Watch über eBay angeboten. Hierfür bestand eine sogenannte Apple-Garantie, die im Angebot des Online-Händlers jedoch keine Erwähnung fand. Daraufhin mahnte ein Wettbewerber den Online-Händler zunächst ab und forderte ihn zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Der Online-Händler gab diese Unterlassungserklärung nicht ab und wurde infolgedessen verklagt.

Nach der Entscheidung des LG Bochum ist der Verkäufer einer Ware verpflichtet, aktiv Nachforschungen über das Bestehen von Hersteller-Garantien für die angebotene Ware anzustellen, damit er seine Kunden über diese Garantien informieren könne. Die Informationspflicht des Verkäufers greift somit immer dann, wenn eine Hersteller-Garantie objektiv besteht und nicht nur dann, wenn damit aktiv geworben wird. Zudem differenziere das Gesetz nicht zwischen eigenen Garantien des Verkäufers und Garantien von Dritten. Die globale Formulierung „Garantien″ in Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB spreche vielmehr für eine umfassende Informationspflicht. Den Verkäufer treffe daher eine umfassende Aufklärungspflicht und er müsse daher über Hersteller-Garantien informieren. Diese Informationspflicht besteht im Ergebnis selbst dann, wenn die Garantie im Warenangebot des Online-Händlers keine Erwähnung findet.

Unbillige Überforderung der Händler durch Ausweitung der Aufklärungspflicht

Anders entschied das LG Hannover (Urteil v. 23. September 2019 – 18 O 33/19) in einem vergleichbaren Fall – es verneinte eine Nachforschungspflicht hinsichtlich der Hersteller-Garantien. Es urteilte, dass den Verkäufer keine Informations- und Aufklärungspflichten für Garantien treffen könne, auf die er keinerlei Bezug nehme. Es vertrat die Auffassung, dass weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck des Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB eine solche Pflicht bestehe. „Eine Ausweitung auf jegliche denkbare Garantien Dritter dürfte einen Unternehmer unbillig überfordern, zumal gegebenenfalls sogar mehrere Herstellergarantien nebeneinander gelten bzw. gelten können“.

Onlinehändler wenden sich mit Revision und Berufung gegen die Urteile

Die Urteile des OLG Hamm und des LG Bochum sind noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil des OLG Hamm wurde Revision und gegen das Urteil des LG Bochum wurde Berufung beim OLG Hamm eingelegt. Das Ergebnis bleibt mit Spannung abzuwarten. Denn im Berufungsverfahren wird sich das OLG Hamm auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob Online-Händler tatsächlich Nachforschungspflichten hinsichtlich des Bestehens von Hersteller-Garantien treffen.

Fazit: Abmahnrisiko und hoher Aufwand für Online-Händler

Sollte das OLG Hamm die Rechtsauffassung des LG Bochum bestätigen, würden sich nahezu alle Online-Händler einer hohen Abmahngefahr ausgesetzt sehen. Denn die Abmahngefahr besteht entweder, wenn überhaupt nicht über Hersteller-Garantien informiert wird oder wenn die Online-Händler ihrer diesbezüglichen Informationspflicht unzureichend oder fehlerhaft nachkommen. Online-Händler können sich demzufolge ihrem Haftungsrisiko nicht mehr dadurch entziehen, indem sie auf Werbung mit Hersteller-Garantien verzichten. Sie sind demnach angehalten, umfassende Recherchen über bestehende Garantien anstellen, um ihre Kunden sodann darüber zu informieren. Dies dürfte die meisten Online-Händler zumindest überfordern und wäre daher kaum praxisgerecht.

Tags: Aufklärungspflicht Garantie Hersteller Informationspflicht Recherchepflicht