Fehlt auf einem Werbeflyer für eine "Möbeltauschaktion" die Aufklärung darüber, welche Möbel von der Aktion ausgeschlossen sind, ist diese Werbung unlauter.
Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verbietet irreführende geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern. Dabei kann die irreführende Handlung nicht nur in einem aktiven Tun, sondern auch in einem Unterlassen liegen.
Ein Unternehmen kann auch dann unlauter handeln, wenn es wesentliche Informationen zurückhält, die der Verbraucher benötigt, um eine geschäftliche Entscheidung zu treffen. Unlauter wird das Vorenthalten, wenn es geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte.
Blickfangwerbung darf weder falsch noch unvollständig sein
Insbesondere auf Werbung wirken sich diese Grundsätze aus. Lange Ausführungen sind hier ungeeignet, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu erwecken. Werbung soll mit möglichst wenig Worten auskommen und dabei maximal absatzfördernd wirken.
In der Preiswerbung sind daher knappe Slogans mit Rabatt- oder Prozentaktionen wie „50% auf Alles″ besonders beliebt. Häufig sind solche Angaben im Rahmen einer Gesamtankündigung besonders herausgestellt. Dann spricht man juristisch von „Blickfangwerbung″. Solche blickfangartig angepriesenen Preisnachlässe gelten in der Regel aber nicht uneingeschränkt. Ein bekanntes Beispiel ist der Werbeslogan eines ehemaligen Baumarktes: „20 Prozent auf alles. Außer Tiernahrung″.
Um keine Abmahnung zu kassieren, müssen die verantwortlichen Unternehmen sicherstellen, dass der Inhalt ihrer Werbung weder falsch noch unvollständig ist. In diesem Zusammenhang sind Werbesprüche für Rabatt- oder Prozentaktionen bereits mehrfach Gegenstand von wettbewerbsrechtlichen Gerichtsverfahren gewesen (so z.B. BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 – I ZR 153/16: 19% MwSt. GESCHENKT; Urteil vom 15. Oktober 2015 – I ZR 260/14: All Net Flat; Urteil vom 19. April 2007 – I ZR 57/05: 150% Zinsbonus; OLG Hamm, Urteil vom 22. März .2018 – 4 U 4/18: 15 % auf alle Artikel).
OLG Hamm: Blickfangwerbung bei Möbelhändler mit Sternchenhinweis aufs Kleingedruckte und Verweis auf andere Informationsquellen als Vorenthaltung wesentlicher Informationen unzulässig
Auch das OLG Hamm (Urteil vom 5. November 2019 – I-4 U 11/19) hatte letztes Jahr über die Blickfangwerbung eines Möbelhändlers zu entscheiden. Der Möbelhändler hatte mit einem 32 cm x 16 cm großen Werbeflyer eine Möbeltauschaktion beworben. Auf dem Flyer hieß es „Bis zu 500 EUR Tausch-Prämie für Ihre alten Möbel!″.
Hinter dem Wort „Tausch-Prämie″ befand sich ein Sternchenhinweis. In der Auflösung im Kleingedruckten wurde darauf hingewiesen, dass „Prospekt-Angebote″ von der Aktion ausgenommen sind. Die ausgenommenen 97 „Prospekt-Angebote″ waren auf dem Flyer aber nicht weiter konkretisiert. Stattdessen war der Link zu einer Internetseite abgedruckt, über die die von der Aktion ausgenommenen Möbel einsehbar waren.
Das OLG Hamm entschied, dass ein Unterlassungsanspruch gegen den Möbelhändler besteht. Denn durch den „Medienbruch″ wurden wesentliche Informationen auf dem Werbeflyer vorenthalten. Der Möbelhändler hätte die genauen Bedingungen der Inanspruchnahme der Möbeltauschaktion auf dem Flyer angeben müssen. Denn die Bedingungen der Inanspruchnahme von Preisnachlässen sind wesentliche Informationen im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG (so auch BGH, Urteil vom 27.07.2017 – I ZR 153/1619). Der Verbraucher muss wissen, worauf sich eine Aktion bezieht. Ansonsten besteht die Gefahr, dass er das Möbelhaus aufsucht, obwohl er diesen Besuch in Kenntnis der nur eingeschränkten Geltung der Aktion nicht getätigt hätte.
Das OLG Hamm erachtete den 32 cm x 16 cm großen Flyer auch nicht als räumlich beschränktes Kommunikationsmittel. Der Möbelhändler hatte eine räumliche Beschränkung insbesondere auch nicht hinreichend dargelegt. Vielmehr hatte er Alternativentwürfe des Werbeflyers vorgelegt, auf denen die ausgenommenen 97 Möbel abgedruckt waren. Die 97 Ausnahmen waren auf dem Flyer mithin darstellbar. Auch der BGH hatte in der „19% MwSt. GESCHENKT″-Entscheidung bei einer DIN A4 großen Werbeanzeige keine relevante räumliche Beschränkung gesehen.
Verbraucher muss auch bei Blickfangwerbung wissen, auf welche Waren sich eine Rabatt- oder Prämienaktion bezieht
Das OLG Hamm stellte darüber hinaus klar, dass selbst bei einer unterstellten räumlichen Beschränkung des Werbeflyers die Werbung unter Verweis auf die Internetseite unlauter war. Es muss immer eine Abwägung zwischen dem Informationsinteresse des Publikums und dem Interesse des Werbenden an der Nutzung des Kommunikationsmittels stattfinden.
Bei der Abwägung kommt es auf die Art und Wichtigkeit der vorenthaltenen Information sowie die Art der geschäftlichen Entscheidung an. Dabei findet die räumliche Begrenzung des Kommunikationsmittels zwar Berücksichtigung. Der Hinweis aber, auf welche Waren sich eine Rabatt- oder Prämienaktion bezieht, sei grundlegend für die Entscheidung, ob das Verkaufsgeschäft überhaupt aufgesucht wird. Das OLG Hamm stellte dieses Informationsinteresse über das Interesse des Unternehmers, das räumlich beschränkte Kommunikationsmittel zu nutzen.
Kleingedrucktes und Verweis auf andere Informationsquellen bei Blickfangwerbung kritisch
Grundsätzlich müssen Unternehmen, wenn sie Blickfangwerbung verwenden, sicherstellen, dass der unrichtige Blickfang –> „20 Prozent auf Alles″ durch einen leicht zugänglichen, klaren und eindeutigen erläuternden Hinweis aufgelöst wird –> „Außer Tiernahrung″. Der Verbraucher muss darauf hingewiesen, dass der Blickfang nicht vorbehaltlos gilt. Zudem müssen ihm alle wesentlichen Informationen über das, was gilt, mitgeteilt werden. Diese „Aufklärung″ muss leicht erkennbar sein. Eine Aufklärung im Kleingedruckten ist unter Umständen nicht leicht erkennbar. So entschied der BGH (Urteil vom 15. Oktober 2015 – I ZR 260/14) im Fall „All Net Flat″. Zu einem Handy „Flat″-Tarif kamen hier weitere Kosten für den Verbraucher hinzu, über die per Sternchenhinweis im Kleingedruckten am untersten Seitenrand aufgeklärt wurde. Das Gericht beurteilte die Aufklärung als unübersichtlich. Von einem Durchschnittsverbraucher konnte nicht erwartet werden, dass er sie zur Kenntnis nimmt.
Auch die von dem Möbelhändler gewählte Weiterverweisung des Verbrauchers auf eine andere Informationsquelle ist mit Vorsicht zu genießen. So entschied bereits der BGH (Urteil vom 27. Juli 2017 – I ZR 153/16), dass bei einer Printwerbeanzeige mit dem Blickfang „19% MwSt. GESCHENKT AUF MÖBEL, KÜCHEN UND MATRATZEN″ eine Erläuterung der Aktionsbedingungen auf einer Internetseite nicht ausreicht. Die Aktionsbedingungen hätten in der Printanzeige erläutert werden müssen. Denn die Werbung mit einem Preisnachlass setzt die ebenfalls am Blickfang teilhabende Aufklärung über die Bedingungen der Inanspruchnahme des Preisnachlasses voraus. Der Verweis auf ein anderes Medium kann dieses Kriterium nicht erfüllen.
Eine Grenze der Blickfangwerbung ist jedenfalls auch dann erreicht, wenn ein Werbespruch objektiv völlig unrichtig oder eine „dreiste Lüge″ ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2000 – I ZR 222/97). Auch durch einen Sternchenhinweis ist eine solche Blickfangwerbung nicht korrekturfähig. So entschied das LG Dortmund in einem Fall, bei dem ein Unternehmer mit dem Spruch „20 % auf Alles ohne Wenn und Aber″ warb, obwohl die Preisreduzierung nur erheblich eingeschränkt galt. Das Gericht sah hier kein nachvollziehbares Interesse daran, den Preisnachlass auf das gesamte Sortiment zu beziehen (Urteil vom 31. Oktober 2018 – 20 O 22/18).
Bei Blickfangwerbung prüfen: Welche Information ist erforderlich, um eine Irreführung des Verbrauchers auszuschließen?
Letztendlich kommt es im Rahmen der Frage, welche Informationen unmittelbar zur Verfügung gestellt werden müssen, darauf an, ob eine Information erforderlich ist, um eine Irreführung des Verbrauchers auszuschließen. Dies ist für die Inanspruchnahmebedingungen bei Preiswerbung zu bejahen. Diese Informationen sind wesentlich für die vom Verbraucher zu treffende geschäftliche Entscheidung.
Insbesondere bei Print- und Anzeigenwerbung sollte sich das werbende Unternehmen nicht ohne Weiteres darauf stützen, das Kommunikationsmittel sei räumlich begrenzt und deshalb auf die Angabe dieser Bedingungen verzichten. Eine Weiterverweisung auf ein anderes Medium kann nur im Einzelfall wettbewerbsrechtlich zulässig sein.
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