Ein Unternehmen, das zu lang mit einem Löschungsantrag zuwartet, haftet auch für irreführende Online-Werbung, die noch im Google-Cache vorhanden ist.
Nach Ansicht des OLG Frankfurt am Main (Urteil v. 22. August 2019 – 6 U 83/19) kann ein Unternehmen auch für Google-Snippets wettbewerbsrechtlich verantwortlich sein. Die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main erging zu Lasten eines Unternehmens, dass mit einer Herstellergarantie in unlauterer Weise auf der eigenen Webseite warb und diesbezüglich eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hatte.
Das Unternehmen entfernte die entsprechende Werbung auf der eigenen Webseite, stellte einen Löschungsantrag für die alte, den Wettbewerbsverstoß beinhaltende, Seite bei Google aber es erst etwa zwei Wochen nach der Berichtigung der eigenen Seite.
Werbung mit Herstellergarantie blieb im Google-Cache
In der Zwischenzeit wurde in einem Google-Snippet die Werbung mit der Herstellergarantie weiter angezeigt. Google erstellt eine Kopie jeder Webseite als Sicherung für den Fall, dass die aktuelle Seite nicht verfügbar sein sollte und nimmt diese Kopien dann in den Google-Cache auf. Auch aus diesen im Google-Cache vorhandenen Kopien werden die sog. Google-Snippets generiert, bei denen es sich um die Vorschau auf den Inhalt des jeweiligen Suchanfragetreffers handelt.
Wegen der fortdauernden Sichtbarkeit der wettbewerbswidrigen Werbung in Form des Google-Snippets wurde das unzulässig werbende Unternehmen erfolgreich vor dem LG Frankfurt a. M. (Urteil v. 16. April 2019 – 3-06 O 100/18) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf Unterlassung dieser Werbung in Anspruch genommen. Das OLG Frankfurt hielt das Urteil des LG Frankfurt a. M. aufrecht und bejahte eine Haftung des Unternehmens für die irreführende Werbung, die noch im Google-Cache vorhanden war.
Haftung aufgrund der Werbung auf der eigenen Webseite
Grundlage der Haftung für die Werbung durch Dritte – wie in diesem Fall – sei nach Ausführungen des OLG Frankfurt am Main zum einen das vorangegangene wettbewerbswidrige Verhalten des Unternehmens und zum anderen, dass das Unternehmen seiner Pflicht, auf Google hinreichend bezüglich einer Löschung einzuwirken, nicht nachgekommen sei.
Das Gericht führt aus, dass ein Unternehmen gehalten sei,
auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, einzuwirken, wenn e[s] mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und zudem rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verhalten der Dritten hat.
Treffer bei Suchmaschinen beruhten auf der eigenen Internetpräsenz und kämen einem Unternehmen wirtschaftlich zu Gute. Dieses müsse daher damit rechnen, dass gängige Suchmaschinen die Einträge auf der Internetseite auffinden und diese Angaben bei einer Suchanfrage ausweisen würden. Daher sei das Unternehmen gehalten,
unverzüglich eigene Recherchen über die Verwendung des Hinweises durchzuführen und jedenfalls den Betreiber der Suchmaschine Google aufzufordern, den streitgegenständlichen Eintrag zu entfernen.
Zudem halte Google mit dem Webmaster-Tool eine Möglichkeit bereit, mit der es möglich und zumutbar sei, die Entfernung der entsprechenden Informationen aus dem Google-Cache zu beantragen.
Antrag auf Löschung des Google-Cache nach 14 Tagen unzureichend
Um der Pflicht, zur Entfernung wettbewerbswidriger Inhalte auch auf Dritte einzuwirken, zu genügen, müsse der Antrag auf Löschung der Informationen aus dem Suchindex und dem Google-Cache zeitnah nach der Entfernung des entsprechenden Inhaltes auf der eigenen Internetpräsenz erfolgen.
Diese zeitliche Nähe sei bei einem Löschungsantrag, der etwa zwei Wochen nach der Löschung der Inhalte auf der eigenen Webpräsenz erfolge, nicht mehr gegeben.
OLG Frankfurt am Main folgt der herrschenden Rechtsprechung zur Löschungspflicht des Google-Cache
Das Urteil des OLG Frankfurt a. M. schließt sich damit einer Entscheidung des BGH aus dem vergangenen Jahr (Urteil v. 12. Juli 2018 – I ZB 86/17) an. Danach müssen wettbewerbsrechtlich Verantwortliche derart auf gängige Suchmaschinen einwirken, dass diese dafür Sorge tragen, dass die entsprechende Information nicht weiter aus dem Cache der Suchmaschinen abgerufen werden können.
Selbstständige Veröffentlichungen durch Dritte, die dem Unternehmen nicht wirtschaftlich zu Gute kommen, sind den betreffenden Unternehmen jedoch nicht mehr zurechenbar. In gleicher Weise urteilten auch schon das OLG Stuttgart (Urteil v. 10. September 2015 – 2 W 40/15), das OLG Düsseldorf (Urteil v. 3. September 2015 – I-15 U 119/14), sowie das OLG Celle (Urteil v. 29. Januar 2015 – 13 U 58/14).
Auch das OLG Dresden (Urteil v. 24. April 2018 – 14 U 50/18) hatte bereits in gleicher Weise in einem anderen Fall geurteilt, der die wettbewerbsrechtlich unzulässige Werbung mit der Bezeichnung „4-Sterne Hotel“ zum Gegenstand hatte. Auch im dortigen Fall ging das Gericht davon aus, dass auf Google dahingehend einzuwirken sei, vorhandene entsprechende Treffer bei einer Suchabfrage zu entfernen.
Weiterhin führte das OLG Dresden aus, dass telefonischen Bemühungen unter Umständen nicht genügen, zumindest wenn diese ohne Reaktion bleiben. Dies mache unter Umständen sogar
eine Einwirkung auf Google mit dem erforderlichen Nachdruck – durch Nachfassen bis hin zur Androhung der Einleitung rechtlicher Schritte – erforderlich.
Zudem sei es nicht ausreichend nur auf Google als Suchmaschinenanbieterin einzuwirken. Um dem Unterlassungsanspruch zu genügen, müssten auch Recherchen bei mit Google kooperierenden Unternehmen vorgenommen werden und gegebenenfalls müsse auf diese eingewirkt werden, entsprechende Angaben zu löschen. Die Beklagte hatte vorgetragen, sie sei nicht verantwortlich dafür, dass sich Hotelbuchungsportale über die auf der Homepage korrigierten Beschreibungen hinwegsetzten und Werbung mit unzutreffenden Angaben schalteten. Das Gericht folgte dem nicht und urteilte, dass die Unterlassungsverpflichtung auch Recherchen bei booking.com als Vertragspartnerin und anderen Buchungsportalen umfasse und dass bei entsprechenden Treffern auch auf die dortige Löschung hinzuwirken sei.
Dieses Urteil liegt ebenso auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung (z. B.: BGH, Urteil v. 13. November 2013 – I ZR 77/12; BGH, Urteil v. 18. September 2014 – I ZR 76/13, zur urheberrechtlichen Haftung), da es sich bei den kooperierenden Unternehmen um Dritte handelt, deren Handeln dem werbenden Unternehmen wirtschaftlich zugutekommt und auf die dieses Unternehmen einwirken kann, wenn es mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss.
Pflicht zur Cache-Löschung auch bei anderen Suchmaschinen denkbar
Das Urteil ist den Grundsätzen nach auch auf andere Suchmaschinen übertragbar. Auf welche Suchmaschinen dies zutrifft, ist am Kriterium der Zumutbarkeit zu messen, bisher jedoch nicht abschließend geklärt.
Das LG Baden-Baden (Urteil v. 2. Februar 2016 – 5 O 13/15 KfH) kam Anfang des Jahres 2016 zu dem Schluss, dass auch gegenüber Yahoo! ein entsprechender Löschungsantrag im Falle eines Online-Wettbewerbsverstoßes gestellt werden müsse. Das Gericht führte dazu aus:
Insbesondere hätte ein solcher Antrag gegenüber den großen Suchmaschinenbetreibern und auch gegenüber yahoo gestellt werden müssen. Die Beklagte hatte auch eine Überprüfungspflicht gegenüber den Betreibern der gängigsten Dienste.
Das Urteil lässt sich nur mit der historischen Bekanntheit von Yahoo! als Suchmaschine erklären. Denn schon 2015 kam Yahoo! gerade mal auf einen Marktanteil von 1,66 % (laut statista). Dies lässt sich auch an Hand der Formulierung des Urteils „den großen Suchmaschinenbetreibern und auch gegenüber yahoo“ erahnen. Ob das Urteil in dieser Hinsicht haltbar ist und auch im Hinblick auf den weiterhin sinkenden Marktanteil von Yahoo! gerechtfertigt ist, mag durchaus bezweifelt werden.
Jedoch sollte mit Blick auf dieses Urteil im Falle eines Online-Wettbewerbsverstoßes zumindest auch eine Recherche bei der Suchmaschine bing vorgenommen werden, die immerhin noch auf 2,88 % Markanteil in Deutschland (Stand Mai 2019 gemäß indexlift.com) kommt. Die Zumutbarkeit weiterer Recherchen bezüglicher anderer Suchmaschinen erscheint eher fraglich, da ihr Markanteil in Deutschland marginal ist und jeweils unter einem Prozent liegt. So liegen die größeren Suchmaschinen Yahoo! bei 0,84 %, DuckDuckGo bei 0,67 % und T-online bei 0,24 % des Marktanteils, wobei die Suche bei T-Online wiederum durch Google bereitgestellt wird.
Antrag auf Cache-Löschung schnellstmöglich und vor Abgabe einer Unterlassungserklärung
Die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main verdeutlicht, dass Unternehmen nicht nur ihre eigene Interpräsenz, sondern auch das Unternehmen betreffende Suchanzeigen bei Google, die sich aus dem Suchindex und dem Google-Cache ergeben, im Blick behalten müssen. Weiterhin sollten auch die Seiten von mit Google kooperierenden Unternehmen im Blick behalten werden, wenn diese Angaben über das eigene Unternehmen veröffentlichen.
Nach der Entfernung von Wettbewerbsverstößen sollte sich im besten Fall unverzüglich eine entsprechende Recherche bei den Suchmaschinen anschließen und gegebenenfalls eine Löschung der Treffer/Snippets beantragt werden. Die entsprechende Recherche, sollte unbedingt zeitnah erfolgen und gegebenenfalls erforderliche Löschungsanträge binnen weniger Tage gestellt werden.
Kommt es zu einem Wettbewerbsverstoß auf der eigenen Webseite, ist dieser nicht nur dort zu entfernen. Vielmehr muss auch auf die Suchmaschinen eingewirkt werden, entsprechende Treffer zu entfernen, in dem zumindest zeitnah ein Löschungsantrag gestellt wird.