Werbung mit Hygiene spielt nicht erst seit COVID-19 eine wichtige Rolle. Doch selbst wenn Studien die Hygieneclaims stützen, gibt es zahlreiche Fallstricke.
Über die Vor- und Nachteile verschiedener Handtrocknungssysteme (Papier, Stoffhandtuch, Gebläse) wird seit Jahren geflissentlich gestritten. Nicht erst seit Ausbruch der COVID-19 Pandemie steht neben Wirtschaftlichkeits- und Umweltgesichtspunkten die Hygiene besonders im Vordergrund. Hersteller aller Systeme berufen sich hierzu regelmäßig auf wissenschaftliche Studien.
Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Köln zeigt allerdings, dass es in der Werbung zahlreiche Fallstricke gibt.
Wettbewerbszentrale möchte Aussagen in Videowerbung für Gebläse-Händetrockner auf einer Unternehmenswebseite untersagen lassen
Gegenstand des Urteils ist eine von der Wettbewerbszentrale beanstandete Werbung für einen Gebläse-Händetrockner. Die Werbung war als Video in die Webseite der Beklagten eingebettet. Das Video war dort auf einer Unterseite mit dem Titel „Die Wahrheit über Hygiene″ abrufbar und enthielt die Aussage
Nur (…) ist hygienisch, ökonomisch und ökologisch. Für Papier gilt das nicht.
Das Video verwies auf eine von Fachleuten überprüfte und „im Journal of Applied Microbiology″ veröffentlichte Studie. Insoweit könnte man zum Eindruck gelangen, es hier mit einer objektiv und transparent prüfbaren Sachaussage zu tun zu haben.
Die Schwierigkeiten lagen jedoch im Detail:
Die genannte Studie war erst nach erheblichem Scrollen auf der Webseite abrufbar. Im Übrigen fand sich auch im näheren räumlichen Zusammenhang mit dem Video weder eine Fundstelle noch ein Sternchenhinweis, wo genau das Dokument zu finden sei.
Zudem hob die Beklagte auch noch hervor, dass Studien des Wettbewerbs jeweils von Unternehmen beauftragt wurden, die naturgemäß ein Interesse an deren Ergebnis hätten. In ihrer eigenen Werbung war aber nicht erkennbar, dass die von ihr herangezogene Studie von ihrer Muttergesellschaft in Auftrag gegeben worden war.
Die Wettbewerbszentrale hielt die Werbung daher für irreführend und beanstandete vor allem drei Punkte:
- Das Verschweigen des Auftraggebers der Studie erwecke irreführend den Anschein einer höheren Neutralität,
- zudem fehle es der Werbeaussage an einer ausreichenden Fundstellenangabe, und
- die Werbeaussage an sich stelle schon eine irreführende Alleinstellungsbehauptung hinsichtlich der Hygienevorteile des beworbenen Händetrockners dar.
LG Köln: Irreführung über Neutralität der Studie über Gebläse-Händetrockner
Das Landgericht Köln (Urteil v. 11. März 2020 – 84 O 204/19) gab der Wettbewerbszentrale in allen drei Punkten recht.
Das Gericht bejaht zunächst die Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise über die Neutralität der von der Beklagten herangezogene Studie (§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG). Die Irreführung folgte für das Gericht bereits daraus, dass die Beklagte in ihrer Werbung den Wert der vom Wettbewerb in Auftrag gegebenen Studien in Zweifel zog und gleichzeitig verschwieg, dass dieselben Zweifel auch bei der von ihrer Muttergesellschaft in Auftrag gegebenen „eigenen″ Studie bestehen müssten.
Auch wenn der Werbende bei der Wahl seiner Aussagen eine gewisse Freiheit genießt (Detailinformationen lassen sich über die Fundstelle ermitteln), darf er im Gesamtzusammenhang der Werbung kein schiefes Bild vermitteln. Schriftliche aufklärende Hinweise im Video selbst reichen hierzu nicht aus. Um diese zu erkennen, hätte man nämlich nach Auffassung des Gerichts das Video anhalten müssen.
Obwohl die Beklagte die Studie auf derselben Webseite zum Abruf bereitgestellt hatte wie das Video, hält das Gericht dies nicht für eine ausreichende Fundstellenangabe. Das Gericht erkannte vielmehr aus folgenden Gründen eine Irreführung durch Unterlassen gemäß § 5a UWG:
- die Fundstelle der Studie war im Video nicht genannt,
- die Angabe der Studienherkunft „College of Medicine der Universität Florida″ sei im Video nur verkürzt gewesen,
- es sei kein Sternchenhinweis gegeben worden, und
- man hätte erheblich scrollen müssen, um zu dem zur Verfügung gestellten Download zu gelangen.
Leider lässt Gericht in seinem Urteil offen, wie eine zulässige Verknüpfung hätte aussehen können. So ist es schwer vorstellbar, in einem Video einen Sternchenhinweis einzubauen, der eine unmittelbare Verbindung zu einem Download auf der Webseite schafft. Klar ist jedoch, dass die Studie nicht im ausreichenden räumlichen Zusammenhang mit dem Video zum Download bereitgestellt wurde. Hätte die Beklagte ihre Aussagen schriftlich in die Webseite eingebunden, hätte sie die Nachweise nämlich in einem solchen ausreichenden räumlichen Zusammenhang auf der Webseite abbilden müssen. Für ein Video kann schließlich nichts anderes gelten. Dass die Beklagte über die Fundstellenangabe hinaus sogar einen Download ermöglicht hatte, rettet sie nicht.
LG Köln: Irreführende Alleinstellungswerbung
Aber auch die Werbeaussage „Nur (…) ist hygienisch, ökonomisch und ökologisch. Für Papier gilt das nicht″ hielt das Gericht eine irreführende Alleinstellungswerbung.
Es war nämlich unstreitig, dass in Bezug auf Hygiene kein nachweisbarer Vorsprung der Lufttrocknungssysteme besteht. Die Beklagte hatte dagegen argumentiert, die Aussage beziehe sich kumulativ auf die Eigenschaften „hygienisch″, „ökonomisch″ und „ökologisch″. Nur die Produkte der Beklagten würden alle drei dieser Eigenschaften miteinander vereinen.
Würde es sich bei dem Werbetext um einen Vertrags- oder Gesetzestext handeln, könnte sich das Argument durchaus hören lassen. Das „und″ in der Aufzählung in der Tat verweist nämlich in der Tat auf eine kumulative Bedeutung. Da es sich jedoch um eine Werbeaussage handelt, die sich an Verbraucher richtet, besteht eine (ausreichende) ernstzunehmende Gefahr, dass dies erhebliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise anders verstehen. Dies gilt umso mehr, wenn die Webseite mit dem Titel „Die Wahrheit über Hygiene″ überschrieben ist.
Fazit: Hohe Transparenzanforderungen bei der Werbung mit Studienergebnissen
Das Urteil des Landgericht Köln bestätigt einmal mehr: Die Werbung mit Verweis auf Studien birgt Fallstricke. Im Ergebnis muss sich der Werbende immer fragen, ob er das beworbene Produkt in zulässiger Weise positiv präsentiert und dessen Vorteile herausstellt, oder ob er ein nicht mehr zulässiges schiefes Bild zeichnet. So reicht es insbesondere nicht aus, eine besonders herausgestellte Werbeaussage mit einem Sternchenhinweis entkräften zu wollen.
Dies gilt umso mehr, wenn die Werbeaussage in einem Video getroffen wird und der Verweis in das Video eingebettet werden soll. Der Fundstellenhinweis im Video ist auf Grund seiner größeren Flüchtigkeit nämlich nicht immer unproblematisch. Sofern das Video in eine Webseite eingebettet ist, sollte es ausreichen, wenn die Fundstelle unmittelbar unter dem Video genannt ist. Ein direkter Download ist aus Transparenzgründen zu begrüßen.
Bei der Einbindung der Downloadmöglichkeit ist allerdings auf einen engen räumlichen Zusammenhang zu achten. Für Videos kann insofern nämlich nichts anderes gelten als für einen einfachen Text. Dort wird die Anforderung der „unmittelbare Auffindbarkeit″ für Fundstellen und Belege der eigenen Werbeaussagen in der Praxis recht formalistisch gehandhabt.
Im Ergebnis sind bei der Werbung mit Studienergebnissen daher hohe Transparenzanforderungen zu beachten.