OLG FF a.M.: Geht es um die Verwendung von Kennzeichen, ist das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot im Lichte der markenrechtlichen Spezialtatbestände auszulegen.
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat das Verhältnis zwischen Marken- und Lauterkeitsrecht in einem aktuellen Beschluss vom 07. März 2018 (Az. 6 U 180/17) überzeugend bestimmt. Die Richter entschieden, dass sich der Inhaber einer – mittlerweile gelöschten – Registermarke ohne Verkehrsgeltung nicht auf das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot berufen könne, um Dritten die Benutzung seines Kennzeichens zu untersagen. Die Voraussetzungen der markenrechtlichen Spezialtatbestände dürften durch eine Anwendung des Lauterkeitsrechts nicht unterlaufen werden.
Was war geschehen? – Klagemarke „BE HAPPY“ während I. Instanz gelöscht
Die Klägerin war Inhaberin der für Taschen eingetragenen Unionsmarke „BE HAPPY“. Sie nahm die Beklagte, die unter der Bezeichnung „Be Happy“ ebenfalls Taschen in den Verkehr brachte, unter anderem auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin stützte ihr Begehren zunächst auf die Verletzung ihrer Unionsmarke. Während des Rechtsstreits wurde diese Unionsmarke wegen mangelnder Unterscheidungskraft allerdings gelöscht. In Ermangelung eines kennzeichenrechtlichen Anspruchs schwenkte die Klägerin auf die lauterkeitsrechtlichen Tatbestände der §§ 3, 5 UWG um und warf der Beklagten nunmehr vor, die Verbraucher durch die Verwendung „ihres“ Kennzeichens in die Irre zu führen.
Da sie das Zeichen „BE HAPPY“ seit mehr als 15 Jahren verwende, würden die Verbraucher in dem Zeichen einen Hinweis auf die Klägerin sehen und von der Beklagten über die betriebliche Herkunft ihrer Produkte somit in die Irre geführt.
OLG Frankfurt a.M.: Irreführungsverbot gem. §§ 3, 5 UWG „markenrechtlich“ auszulegen
Nachdem die Klägerin mit ihrem Begehren bereits in I. Instanz erfolglos geblieben war (LG Frankfurt a. M., Urteil vom 05. Juli 2017 – 2-6 O 585/11), scheiterte sie auch vor dem Oberlandesgericht.
Das Oberlandesgericht Frankfurt bestätigte die Rechtsansicht des Landgerichts und wies die Berufung der Klägerin gem. § 522 Abs. 2 ZPO per Beschluss zurück. Das Rechtsmittel der Klägerin habe offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Zu Recht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin ihre kennzeichenrechtliches Klagebegehren nicht „hilfsweise“ auf die §§ 3, 5 UWG stützen könne. Der Tatbestand des § 5 Abs. 2 UWG setze das Bestehen eines marken- oder kennzeichenrechtlichen Schutzes voraus, an dem es im Streitfall fehle.
Ebenso scheide auch eine Irreführung über die betriebliche Herkunft gem. §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG aus. Zwar werde der lauterkeitsrechtliche Schutz gegen Irreführung über die betriebliche Herkunft nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG durch den kennzeichenrechtlichen Individualschutz nicht vollständig verdrängt. Bei der Auslegung der Vorschrift seien jedoch Wertungswidersprüche zum Markenrecht zu vermeiden.
Habe ein Unternehmen Waren unter einem Zeichen angeboten, für das kein Markenschutz bestehe, könne dem Unternehmen ein lauterkeitsrechtliches Verbietungsrecht – zwecks Vermeidung von Wertungswidersprüchen zum Markenrecht – nur dann zuerkannt werden, wenn das Zeichen Verkehrsgeltung erworben habe. Diese Voraussetzung sei im Streitfall nicht erfüllt.
Fazit: Keine „Umgehung“ des Markenrechts mittels lauterkeitsrechtlichem Irreführungsverbot
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot mit dem Oberlandesgericht Frankfurt – und der herrschenden Meinung – nicht dazu verwendet werden darf, die Tatbestandsvoraussetzungen der spezielleren markenrechtlichen Ansprüche zu unterlaufen.
Fehlt es an einer Registermarke, hat der Anspruchsteller die Voraussetzungen einer Benutzungsmarke darzulegen – d. h. insbesondere eine entsprechende Verkehrsgeltung. Gelingt ihm dies nicht, kann er sein Begehren nicht „hilfsweise“ auf das Irreführungsverbot gem. §§ 3, 5 UWG stützen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass Verbraucher durch die Verwendung des Kennzeichens in die Irre geführt werden.
Die Rechtsauffassung des OLG Frankfurt ist zwingend, will man verhindern, dass die markenrechtliche Rechtsprechung zu Verkehrsdurchsetzung und Verkehrsgeltung durch einen Rückgriff auf das Lauterkeitsrecht unterlaufen wird.